TU intern - Februar/März 2002 - Hochschulpolitik

Generation „Schrott“

Karriereknick für Wissenschaftler?

Große Aufregung ruft seit Anfang Januar die Novelle des Hochschulrahmengesetzes (HRG) hervor, nach der die Qualifikationsphase für den wissenschaftlichen Nachwuchs an den Universitäten auf 12 Jahre begrenzt wird. Eng damit verknüpft ist die Einführung von Juniorprofessuren als Qualifikationsweg zur Professur. Viele Wissenschaftler fürchten nun, ihre wissenschaftliche Tätigkeit an der Uni nicht fortsetzen zu können. Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn, die das Wort von der „Verschrottung“ des Qualifikationsweges prägte, spricht von „Panikmache“. TU intern hat bei Betroffenen und Fachleuten nachgefragt.

Dr. Konrad Leitner,
wissenschaftlicher Angestellter im Institut für Wirtschaftsinformatik und quantitative Methoden
Meiner Ansicht nach ist das ein völliges Missverständnis. Die Verantwortlichen haben das Problem, das sie mit den neuen Regelungen heraufbeschworen haben, nicht gesehen. Deswegen beeilen sie sich jetzt, die Sache herunterzuspielen und Proteste als Panikmache zu bezeichnen. Soviel ich weiß, sind das aber alles „Kann-Regelungen“, und man muss sehen, inwieweit die Universitäten sie nutzen werden. Wenn sie in der vorgegebenen Form genutzt werden, sind die Befürchtungen allerdings angebracht.
Dr. Leon Urbas,
Leiter der MoDyS Forschungsgruppe im Zentrum Mensch-Maschine-Systeme
Aus der Diskussion entnehme ich, dass sich künftig die Zulässigkeit einer Befristung nach der 12-jährigen Qualifikationszeit ausschließlich nach allgemeinem Arbeitsrecht richtet. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz lässt in § 14 die Befristung zu, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die aus Mitteln Dritter vergütet und entsprechend beschäftigt werden und wollen, sollte somit eine befristete Beschäftigung weiterhin möglich sein.
Dr. Petra Klumb,
Leiterin der Nachwuchsgruppe GERM am Institut für Gesundheitswissenschaften
Ich sehe darin kein Problem. Allerdings nur, sofern parallel dazu neue Karrierepfade für junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen auf- beziehungsweise ausgebaut werden. Möglichkeiten, früher selbstständig zu arbeiten, wie sie in Form von Juniorprofessuren und Nachwuchsgruppen geboten werden, sind dem bisherigen „Karriereweg“ allemal vorzuziehen!
Dr. Norbert Esser,
Privatdozent am Institut für Festkörperphysik
Das Hochschulrahmengesetz ist unausgegoren, denn die Idee der Juniorprofessur ist prinzipiell gut, nur lässt sie sich bei den derzeitigen Rahmenbedingungen nicht verwirklichen. Dazu gehört vor allem die Mittelknappheit. Für die Lehre ist das keine erhebliche Einschränkung, wohl aber für die wissenschaftliche Qualifikation. Wenn man jemanden findet, der unter diesen Bedingungen Juniorprofessor werden will, ist das ja okay. Nur die Chancen sich auf diese Weise zu qualifizieren, sind meines Erachtens schlechter als auf dem konventionellen Weg.
Dr. Thomas Noll,
Leiter einer Wissenschaftlichen Nachwuchsgruppe für Mathematische Musiktheorie der Volkswagen-Stiftung
Mit der 12-Jahres-Klausel kann ich bei meiner Forschung schwerlich einverstanden sein. Auf einem jungen nicht-institutionalisierten Forschungsgebiet erforschen wir Grundlagen und sind daher auf Drittmittel angewiesen. Für unsere derzeitig optimalen Arbeitsbedingungen bin ich sehr dankbar. Der notwendige Wettbewerb um das Interesse des breiteren Fachpublikums und der Öffentlichkeit ist auch ein guter Stimulus. Da ich mich innerlich zur Fortsetzung dieser Arbeiten berufen fühle, würde ich wohl auch widrige Arbeitsumstände in Kauf nehmen, wenn ich genügend akademische Freiheit und Interesse an noch ungelösten Problemen vorfinde.
Dr. Martin Kröger,
Privatdozent und wissenschaftlicher Assistent am Institut für Theoretische Physik
Die Karriere ganz junger Wissenschaftler ist nicht gefährdet, für sie gibt es ja neuerdings Juniorprofessuren auf Kosten der Anzahl verbleibender Professorenstühle. Darauf kann sich ein Juniorprofessor gut bewerben, auch nach einer Promotion mit 34. Wissenschaftler, die mit 29 promoviert, dann als Voraussetzung für eine Bewerbung um eine Professur rund fünf Jahre lang auf Assistenten- oder Postdoc-Stellen das Leben eines „Lehrbefugten“ erduldet haben, gehören jetzt zum ganz alten Eisen und sind für eine Juniorprofessur gemäß Altersregelung bereits disqualifiziert. Die 12-Jahre-Regelung soll offenbar diese Gruppe der „Konventionellen“ etwas härter bestrafen. Zumindest ihre Ausdauer wird jetzt - ob aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen oder zu ihrem Wohle sei dahingestellt - begrenzt werden.
Barry Linnert,
Diplom-Informatiker, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Telekommunikationssysteme
Die Proteste machen zumindest auf die Lage der Wissenschaftler aufmerksam. Ob die Beschränkung auf 12 Jahre zum Problem wird, hängt in erster Linie von den Unis ab, denn das HRG lässt Ausnahmen zu. Die Unis scheuen den Mehraufwand, Verlängerungen zu begründen und das erhöhte Klagerisiko. So schafft man keine Dauerstellen, und das HRG verfehlt hier seine Absicht, Wissenschaftler besser abzusichern - zumal auch keine Übergangsregelungen vorgesehen sind. Ich persönlich rechne mit der Möglichkeit, auch außerhalb der Uni meine Karriere fortzusetzen.

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