TU intern - Januar 2002 - Lehre & Studium
Theater schweißt
eben zusammen
English Drama Group
der TU Berlin: seit 20 Jahren erfolgreich
Szenen
einer kleinen Stadt: Niko Schulmeister (Germanistik) und Carolin
Runkel (Stadt- und Landschaftsplanung) bei den Proben zum neuen
Stück von Thornton Wilder |
Wenn man sich
auf das Theater einlässt, muss man mehr investieren, als der
Lehrplan vorschreibt, sagt Dr. Peter Zenzinger. Vier Stunden
Seminararbeit wöchentlich beträgt sein Lehrdeputat für
das englischsprachige Theater. Doch mit der English Drama
Group der TU Berlin arbeitet er mehr als das Doppelte. Am
6. Februar hebt sich für die Gruppe zum 26. Mal der Premierenvorhang.
Noch mehr: Mit Thornton Wilders Our Town (Unsere kleine
Stadt) begeht die Theatergruppe des Instituts für Literaturwissenschaft,
Englische und Amerikanische Literaturwissenschaft stolz ihr 20-jähriges
Jubiläum.
Engagiert
von Anfang an: Leiter Peter Zenzinger |
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Zwei Studentinnen,
die aus England kamen, gründeten im Wintersemester 1981/82
die English Drama Group, erinnert sich Peter Zenzinger an
die Anfänge der Arbeit. Der Akademische Rat und Lektor am damaligen
Institut für englische Literaturwissenschaft machte sofort
mit und übernahm sogar eine Hauptrolle. Als Student hatte er
an der Universität in Frankfurt selbst Theater gespielt, französisches
allerdings.
Zunächst waren viele
Angehörige des Lehrpersonals dabei. Heute hat die Veranstaltung
den Status einer Lehrveranstaltung, denn hier werden englische und
amerikanische Kunst und Sprache auf hohem Niveau vermittelt. Wer
hier mittun will, sollte also gute englische Sprachkenntnisse und
Interesse für das Theater mitbringen. Schauspielerfahrung ist
erwünscht, wird aber nicht vorausgesetzt, denn das Seminar
vermittelt auch theaterwissenschaftliches Grundlagenwissen. Sowohl
Studierende und Austauschstudenten aller Fachbereiche der TU sind
willkommen, als auch Mitglieder der anderen Berliner Universitäten.
Gespielt werden zumeist Klassiker verschiedener Couleur: William
Shakespeare, Tom Stoppard, Tennessee Williams, Arthur Miller oder
Woody Allen. Immer wieder ist es dem engagierten Hochschullehrer
gelungen, Experten der Bühne als Mitarbeiter zu verpflichten.
Wir sind sehr froh, dass wir zurzeit Daniel Brunet, einen
Theaterwissenschaftler aus Boston, bei uns haben, erklärt
Zenzinger, er ist Fulbright-Stipendiat, macht bei Our
Town den Regieassistenten und bringt dabei die neuesten Entwicklungen
der US-Theaterwissenschaften mit ein.
Seit den späten
80er Jahren hat die English Drama Group immer wieder mit Professionellen
zusammengearbeitet, zum Beispiel mit Max-Stafford Clark, künstlerischer
Leiter des Royal-Court-Theatre in London, und der amerikanischen
Schauspiellehrerin Stephanie Campbell von der Montana State University.
Sie kommt im Jahr 2003 wieder.
Besondere Höhepunkte
der Arbeit, die an Engagement weit mehr verlangt als ein normales
Hauptseminar, sind die Reisen zu Auftritten und Workshops, zum Beispiel
zum Festival für internationales Studententheater in Duisburg,
zu den Shakespeare-Tagen in Weimar, dem Anglistentag in Greifswald,
der Oscar-Wilde-Konferenz in Dresden oder zu den wechselnden Orten
des Festivals der Deutschen Gesellschaft für englischsprachiges
Gegenwartstheater.
Wo so viel Herzblut in
einer Produktion steckt, drängt es nicht jeden, sich nach zwei
Semestern zu verabschieden. Unter den diesjährigen Teilnehmern
sind zwölf Ehemalige. Alle wissen, dass sie jederzeit wiederkommen
können wie in eine große Familie. Theater schweißt
eben sehr zusammen, denn man muss viel von sich selbst preisgeben,
sagt Peter Zenzinger und fügt schmunzelnd hinzu: Ich
habe sogar schon Ehen gestiftet. Einige Mitwirkende gründeten
später selbst Bühnen, meist Off-Theater. Ein Wermutstropfen
bleibt dem 58-jährigen engagierten Theatermacher und Literaturwissenschaftler
dennoch: Immer wieder muss er viel Energie investieren und manchmal
auch Geld, um passable Aufführungsorte zu finden. Die TU besitzt
keine eigene Bühne. Patricia Pätzold
Thornton
Wilders Our Town, vom 6. bis 9. Februar
2002 im Kulturhaus Spandau, Mauerstraße 6, 13597
Berlin, jeweils 20 Uhr, Eintritt 5,- Euro
Our Town (Unsere kleine Stadt) von Thornten
Wilder erhielt 1938 den Pulitzer-Preis, trat seinen
Siegeszug aber auf den Bühnen Europas an. Es zählt
seitdem zu den populärsten Dramen des 20 Jahrhunderts
und gehört in vielen Ländern zur Schullektüre.
Es ist inhaltlich und technisch ein ungewöhnliches
Stück, in dem es - vordergründig - um nichts
als das alltägliche Leben alltäglicher Menschen
geht. Thornton Wilder selbst erklärte jedoch immer,
es habe vielmehr die leidenschaftliche Suche nach dem
Sinn des Lebens zum Thema. Die drei Akte des Stücks
zeigen nacheinander Tägliches Leben,
Liebe und Hochzeit und Tod anhand
von Szenen aus der (fiktiven) amerikanischen Kleinstadt
Grovers Corners.
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Leserbriefe
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