Die Ergebnisse der als PISA-Studie
bekannten OECD-Erhebung unter der internationalen Schülerschaft
brachten für Deutschland ein erschreckendes Ergebnis. Speziell
die Lesefähigkeit unserer Kinder lässt zu wünschen
übrig, schlimmer noch: Sie ist unterdurchschnittlich. Für
die Universitäten stellt sich die Frage, ob die Lehrer und
Lehrerinnen unzureichend ausgebildet sind. TU intern befragte Prof.
Dr. Karl-Heinz
Arnold vom Institut
für Erziehungswissenschaft. Er leitet das Fachgebiet Pädagogische
Psychologie, das sich mit der Optimierung pädagogischer Prozesse
beschäftigt.
Herr Professor Arnold, Sie waren als Projektkoordinator des
Landes Bremen an der PISA-Studie beteiligt. Wie repräsentativ
ist die Studie tatsächlich für die deutsche Schülerschaft?
Die PISA-Studie ist in Deutschland als Doppeluntersuchung realisiert
worden. Derzeit werden die Ergebnisse von PISA-International debattiert.
In jedem der 32 Teilnehmerstaaten ist eine Zufallsstichprobe von
rund 150 bis 200 Schulen gezogen worden, die das Gesamtschulsystem
hinreichend repräsentieren.
Für Staaten wie die Bundesrepublik Deutschland, die ein föderal
administriertes Schulsystem haben, muss diese Stichprobe in angemessener
Weise geschichtet werden - ein nicht einfach zu lösendes Problem.
Kleine Bundesländer nehmen deshalb nur mit wenigen
Schulen teil, was den Eindruck geringer Repräsentativität
hervorbringen mag. Fachlich ist die Strategie jedoch korrekt, da
die Schulen strikt zufällig gezogen wurden. - PISA-E, die von
der KMK in Auftrag gegebene Erweiterung der deutschen PISA-Studie
zum Leistungsvergleich zwischen den 16 Bundesländern (Ergebnisveröffentlichung
für Herbst 2002 geplant), korrigiert dieses Phänomen:
In jedem Land wurden pro Schulform mindestens 25 Schulen zufällig
gezogen.
Die Schulen bemängeln, dass Referendare meist ungenügend
vorbereitet auf den Schulalltag von den Universitäten kommen.
Welche Rolle spielt der Praxisbezug in der heutigen Lehrerausbildung?
Niemand bestreitet ernsthaft, dass der Praxisbezug erforderlich
ist. Die entscheidende Frage ist aber, welche Anteile Fachwissenschaften,
Fachdidaktik, Pädagogik sowie Psychologie an der Ausbildung
haben sollen und wie sie verbunden werden. Eine extensive Praxisorientierung
kann nicht das Ziel sein. Dafür können wir nicht die Voraussetzungen
bieten: Weder gibt es in unseren Schulen ausreichend exzellente
Praxis, die den Studierenden modellhaft gezeigt werden kann, noch
haben wir an den Universitäten und in den Schulen das Personal
für eine betreuungsintensive Praxisausbildung. Unterricht
anschauen ohne theoriebasierte Vorbereitung und Reflexion
bringt wenig mehr als die eigene Schulvergangenheit.
Gibt es Ansätze, die das Problem bereits berücksichtigen?
Die Perspektiven der Lehrerbildung der KMK-Kommission
aus dem Jahr 2000 empfehlen Sinnvolles: Orientierung an Kernkompetenzen
und einem modernen Lehrerleitbild, Kerncurriculum Erziehungswissenschaft
sowie Aufwertung der Lehrerbildung innerhalb der Universitäten.
Können die Universitäten in der Lehrerbildung auch
auf Bewährtes aus dem Ausland zurückgreifen?
Wir wissen wenig darüber, welche Importe effektiv sind. Im
eigenen Land haben wir jedoch einige wenige Beispiele exzellenter
Praxisorientierung, die auch im Ausland als effektiv gelten. In
Bielefeld betreibt die Universität eine Versuchsschule, in
der Unterrichtspraxis, Unterrichtsforschung und Lehrerbildung direkt
verknüpft sind. Zumindest sollten den Universitäten besonders
ausgestattete Modellschulen zugeordnet werden.
Das Gespräch führte Patricia Pätzold