TU intern - Januar 2002 - Hochschulpolitik
SPD und PDS setzen
den Rotstift an
Worte und Taten :
Planungssicherheit durch Hochschulverträge?
TU-Präsident
Hans-Jürgen Ewers (l.) begrüßte auf dem Neujahrsempfang
der TU Berlin den neuen Berliner Wissenschaftsenator Thomas
Flierl |
Auf mehr als 120 Seiten
haben die Berliner rot-roten Koalitionäre ihre Aufgaben, Visionen
und - den realpolitischen Bedingungen folgend - vor allem auch ihre
Kürzungsvorhaben festgeschrieben. Berlin und Brandenburg sollen
laut SPD-PDS-Willen bis 2009 fusionieren, jährlich sollen 6000
Sozialhilfeempfänger eine Beschäftigung bekommen und die
Personalkosten im öffentlichen Dienst sollen bis 2006 um 1,074
Milliarden Euro zurückgefahren werden.
So viel zu den Großbaustellen,
die man im neuen Koalitionsvertrag ausfindig machen kann. Eine andere
will der junge Senat neu eröffnen: Mit großem Protest
werden die von den Politikern angekündigten Schließungspläne
des Universitätsklinikums Benjamin Franklin begleitet. Im Rahmen
der Umstrukturierung der Berliner Hochschulmedizin wollen SPD und
PDS damit die medizinische Fakultät der FU Berlin schließen
und das Klinikum in ein Versorgungskrankenhaus umwandeln. Doch schon
regen sich Politikerinnen und Politiker beider Parteien und melden
Gesprächsbereitschaft an.
Argwöhnisch, gespannt,
aber auch abwartend positiv schauten denn auch Viele auf die Kür
des neuen Wissenschafts- und Kultursenators, dessen Posten der PDS
zugeschlagen wurde. Mit einem recht ordentlichen Wahlergebnis wurde
Dr. Thomas Flierl am 17. Januar auf den Senatorenstuhl gehoben.
Der studierte Philosoph und Kulturwissenschaftler aus dem Ost-Teil
der Stadt folgt damit Adrienne Goehler und soll nun das Kunststück
vollbringen, mit minimalem Geld Wissenschaft und Kultur in dieser
Stadt zu lenken.
Nimmt man die Themenlistung
im Kapitel Wissenschaft/Forschung des neuen Koalitionsvertrages,
so liegt den neuen Landespolitikern vor allem die Planungssicherheit
der Hochschulen am Herzen. Die Hochschulverträge haben
sich als geeignetes Instrument für die inhaltliche und strukturelle
Entwicklung der Hochschulen erwiesen. Damit haben die Hochschulen
Planungssicherheit auch in Zeiten angespannter öffentlicher
Haushalte. Dieser Sicherheit stehen allerdings schon jetzt
die Schließungspläne des Universitätsklinikums entgegen.
In der neuen Legislaturperiode will die Koalition die Verträge
auf alle Berliner Hochschulen ausdehnen.
Die Modernisierung des
Berliner Hochschulgesetzes, die sich schon die CDU-SPD-Koalition
auf die Agenda geschrieben hatte und der der Übergangssenat
von SPD und Grünen im vergangenen Sommer 2001 mit einer Light-Version
begegnete, soll nun zügig in Angriff genommen werden. Ziel
ist es dabei, die Eigenständigkeit, Handlungsfähigkeit
und Verantwortung der Hochschulen zu stärken, um die Leistungsfähigkeit,
Effektivität und wissenschaftliche Exzellenz im internationalen
Vergleich zu sichern, so der Text des Koalitionsvertrages.
Die staatliche Verantwortung nimmt das zuständige Mitglied
des Senats im wesentlichen mit Hilfe von Hochschulverträgen
wahr, die - und das ist neu - der Zustimmung des Abgeordnetenhauses
bedürfen. Außerdem hält die Koalition an der im
Berliner Hochschulgesetz fixierten Studiengebührenfreiheit
fest. Die Rolle der Senatsverwaltung für Wissenschaft soll
auf die Rechtsaufsicht, das Vertrags-Controlling und bei der Fachaufsicht
auf das unbedingt Notwendige beschränkt werden. Kosten- und
Leistungsrechnung, die Schaffung hochschulübergreifender Verwaltungs-
und Serviceeinrichtungen sowie die Bildung hochschuleigener Servicegesellschaften
unter möglicher Einbeziehung Dritter wird gefordert. Man wird
sehen, wie diese recht unspezifischen Forderungen mit Leben gefüllt
werden können. Die Berliner PDS - so ihr Fraktionsvorsitzender
Harald Wolf - möchte keine Schonfrist von 100 Tagen. Der gewaltige
Schuldenberg jedoch wird eine Einarbeitungszeit erzwingen. Die Grünen
auf Bundesebene - so ihr ausgesprochener Wille bis zur Bundestageswahl
- wollen kämpfen, kämpfen und nochmals kämpfen, um
am Ende, so Renate Künast, zu siegen. Die Berliner Regierungspolitiker
müssen jetzt arbeiten, arbeiten, arbeiten.
Stefanie
Terp
Was die
Wissenschaft erwartet
Dr. Thomas
Flierl (44) studierte Philosophie und Kulturwissenschaft
an der Humboldt-Universität
zu Berlin, 1985 wurde er Abteilungsleiter im Zentrum
für Kunstausstellung in Ost-Berlin. Ab 1990 leitete
er sechs Jahre lang das Kulturamt Prenzlauer Berg. Seit
1976 war er SED-Mitglied, 1991 verließ er die
PDS und trat 1998 wieder ein. Von 1998 bis Ende 2000
war er Baustadtrat in Berlin-Mitte.
Einige Sätze
aus dem Koalitionsvertrag zwischen SPD und PDS unter
dem Kapitel 22 Wissenschaft/Forschung:
- Die Koalition
wird bis Herbst 2002 einen Gesetzentwurf vorlegen,
mittels dessen Strukturveränderungen in der Hochschulmedizin
vorgenommen werden.
- Die Einführung
von Bachelor- und Masterstudiengängen sowie Leistungspunktsysteme
soll forciert werden.
- Verfolgt
wird
eine liberale Anwendung des Ausländerrechts
sowie die Erhöhung des Anteils internationaler
Berufungen.
- Der geplante
Ausbau der Fachhochschulen wird durch die Koalition
weiter vorangetrieben. Dabei wird eine enge Zusammenarbeit
mit dem Land Brandenburg angestrebt.
- Die Koalition
wird das Studentenwerk reformieren.
- Es wird
angestrebt, bei der Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes
eine Erhöhung der Semesterwochenstunden - für
Hochschullehrer und den unbefristeten Mittelbau -
vorzunehmen, um eine bessere Betreuung der Studierenden
und verlässliche Prüfungszeiträume
zu gewährleisten.
- Ausgründungen
aus wissenschaftlichen Einrichtungen werden unterstützt,
u. a. indem eine Doppelfunktion von Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftlern in ihren Institutionen und einem
Start-up-Unternehmen erleichtert wird.
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Leserbriefe
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