TU intern - Januar 2002 - Internationales
Interkulturelles
Seminar Berlin Szczecin
Im Gegenüber spiegelt
sich die eigene Kultur
Was
ist für Deutsche typisch deutsch? Was ist für Polen typisch
polnisch? Was denken Deutsche, wie Polen über Deutschland denken?
Was denken Polen, wie Deutsche über Polen denken? Um solche
und weitere Fragen zu klären, braucht man Ruhe und Zeit. Vom
12. bis 16. November trafen sich 26 Studierende der Erziehungs-
und Unterrichtswissenschaften an der TU Berlin und der Universität
Szczecin zur Klausur. Ideale Bedingungen bot das Tagungshaus Baitz
nahe dem brandenburgischen Belzig, ein umgebauter Bauernhof.
Unter der Leitung von
Prof. Dr. Helga Marburger, Prof. Dr. Norbert Weber und zwei Lehrkräften
der Universität Szczecin trug die Veranstaltung die Überschrift
Interkulturelles Lernen durch Kulturkontakt. In mehreren
Phasen wurden die Begegnung, die Auseinandersetzung und das Verstehen
der eigenen und der fremden Kultur eingeübt. Dies wurde nicht
im trockenen Seminarstil erarbeitet, sondern in Form eines Workshops.
Eine Reihe von Gruppen- und Rollenspielen und Arbeitsgruppen erleichterte
die inhaltliche Erarbeitung der Seminarthemen. Zum Beispiel: Was
ist Kultur? Was sind deutsche und polnische Kulturstandards? Was
sind Werte und Normen im interkulturellen Vergleich? Was ist interkulturelle
Kompetenz? Die Ergebnisse entwickelten sich nicht aus wissenschaftlichen
Vorgaben, sondern aus den lebhaften Diskussionen der Studierenden.
Die Etappen des Seminars
folgten den Phasen interkulturellen Lernens: Menschen
sind kulturgebunden. Das wurde sofort deutlich, als die Teilnehmer
und Teilnehmerinnen versuchten, aus der Perspektive eines fiktiven
Marsianers ein Fußballspiel der Erdbewohner zu beschreiben.
Ergebnis: Unsere Wahrnehmung wird immer nach menschlichen Maßstäben
ausfallen.
Die zweite Frage lautete:
Was sind Kulturstandards? In der Identifizierung unserer Werte und
Normen und im Vergleich mit den Ergebnissen der polnischen Seite
eröffneten sich aufschlussreiche Einblicke in unterschiedliche
Selbst- und Fremdbilder: Wir nehmen uns selbst ebenso nach Stereotypen
wahr, wie es die andere Seite für sich tut. Unsere Sicht auf
die anderen weicht stark vom Selbstverständnis der polnischen
Seite ab. Diese Spiegelung der eigenen Kultur in der Auseinandersetzung
mit dem Gegenüber ist eines der interessantesten Ergebnisse
des Seminars. Aus den Differenzen der Wertestandards haben deutsche
und polnische Teilnehmer manches über sich selbst wie auch
über die anderen erfahren.
Unabhängig von diesen
Differenzen verlief die Kulturbegegnung heiter und ungezwungen.
In einer intensiven Seminarwoche sind sich die Gruppen nicht nur
näher gekommen. Gewachsen ist auch die Sensibilität für
die eigenen Stereotype wie auch die Offenheit im Umgang mit einer
uns fremden Kultur. Seine Fortsetzung soll dieser Dialog in einem
Gegenbesuch der TU-Studierenden im kommenden Mai in Szczecin finden.
Christoph
Motsch,
Student
Leserbriefe
|