TU intern - Januar 2002 - Hochschulpolitik

Der PISA-Schock

Was läuft falsch in der Schule?

Noch ist der Dolchstoß nicht verschmerzt, den PISA deutschen Bildungspolitikern und Eltern Ende vergangenen Jahres versetzt hat. Ein großer Teil der 57000 getesteten deutschen Schüler und Schülerinnen hatte miserable Ergebnisse in dieser ehrgeizigen OECD-Studie erzielt, die alle drei Jahre Daten über Schülerleistungen in Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen erheben soll. Schon ist viel über neue Ansätze in der Bildungspolitik diskutiert worden, über die Einrichtung von Ganztagsschulen und über möglichst frühen Fremdsprachenunterricht. Doch wird bei all den Überlegungen zu Reformmaßnahmen der konkrete Schulalltag ausreichend berücksichtigt? TU intern hat bei Schülerinnen und Schülern sowie bei angehenden Lehrern und Lehrerinnen, die bereits ein Schulpraktikum hinter sich haben, nachgefragt: “Was läuft falsch in der Schule? Warum können die Lehrer den Schülern den Stoff nicht mehr vermitteln?“

Olivia Busse, 30,
Englisch und Biologie Lehramt,
12. Semester
Vielen Kindern fehlt die Einsicht, wie wichtig Schule ist, zumal oft wenig aktive Unterstützung vom Elternhaus kommt. Ihnen fehlt sehr oft die Kapazität, den Stoff zu bewältigen, nicht weil es zu viel ist, sondern weil sie - das trifft besonders Jungs, was man an den schlechten Leseergebnissen sah - gar nicht trainiert sind für diese Gedächtnisleistung.
Tobias Mebert, 25,
Deutsch und Sozialkunde Lehramt,
7. Semester
Der enorme Altersunterschied zwischen Lehrern und Schülern heute wird von Lehrern oft als so gravierend empfunden, dass die Lehrer die Schüler gar nicht mehr erreichen. Der behandelte Stoff entspricht nicht der Alltagserfahrung der Kinder und interessiert sie nicht. Schon der Wortschatz ist nicht mehr der gleiche.
Wiebke Frahm, 30,
Englisch und Geschichte, Lehramt,
14. Semester
Die Lehrer sind zu viel mit Dingen beschäftigt, die mit dem eigentlichen Unterricht nichts zu tun haben, also mit sozialen Problemen, und haben dann zu wenig Zeit, noch adäquaten Unterricht zu leisten. Leider sind aber auch viele nicht für diesen Job begabt. Nach langen Jahren des Studiums merkt man eben doch erst während des Referendariats, ob einem das eigentlich liegt. Und dann gibt es praktisch kein Zurück.
Harald Leppler, 29,
Geschichte und Arbeitslehre Technik,
12. Semester
Die Klassen sind zu groß und die Kinder sind durch bestimmte Lehrmethoden auch nicht mehr zu begeistern, weil sie aus ihrer Freizeit, speziell aus der Unterhaltungsbranche, ganz andere Sachen gewöhnt sind. Man muss die Kinder mit einer anderen Methodik da abholen, wo sie sind.
Jenny Algner, 15,
Romain-Rolland-Oberschule,
Reinickendorf
Die Schulen haben so wenig Geld, dass man nicht mal die Bücher zum Lernen mit nach Hause nehmen kann, denn es sind nicht für alle Schüler ausreichend Bücher da. Außerdem sind die Klassen zu groß und die Lehrer zu oft krank. Um Stillere oder Hilflosere können die sich in der verbleibenden Zeit gar nicht kümmern.
Christoph Bohlig, 15,
Rheingau-Oberschule,
Schöneberg
Es liegt nicht nur an den Lehrern, aber auch nicht nur an den Schülern. Manche Schüler wollen gar nicht mehr verstehen, aber viele Lehrer können auch gar nicht mit Jugendlichen umgehen. Die werden sofort aggressiv, wenn sie mal auf schwierigere Schüler treffen.
Vicky Ehret, 16,
Max-Planck-Oberschule,
Mitte
Das Durchschnittsalter unserer Lehrer und Lehrerinnen liegt bestimmt bei 45. Viele sind langweilig und unmotiviert und außerdem sehr krankheitsanfällig. Deswegen fällt der Unterricht oft aus. Vielleicht liegt das an unserem Schulgebäude. Das ist total runtergekommen, unmodern und voll geschmiert.
Philipp Meyer, 17,
Rheingau-Oberschule,
Schöneberg
Lehrer und Lehrerinnen können sich heute schlecht durchsetzen. Man merkt ihnen ihre Lustlosigkeit auch sofort an. Sie lallen ihren Stoff runter und verschwinden möglichst schnell. Den Schülern fehlt es dann an Respekt. Bei den Referendaren kann man machen, was man will. Wie soll man davor Respekt haben?
Cathérine Wörpel, 16,
Schlesien-Oberschule,
Charlottenburg
Bei einigen jungen Lehrern ist der Unterricht ja noch manchmal interessant und macht Spaß. Aber viele Ältere ziehen einfach ihren Stoff durch, reden mit sich selbst, geben selbst die Antworten auf die Fragen und kümmern sich nicht um die Schüler. Ich fände es gut, wenn Lehrer auch nach Leistung bezahlt würden.

Leserbriefe

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    Januar 2002


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