Provisorische ArchitekturTU-Gesundheitswissenschaftlerinnen erarbeiten ein einmaliges digitales Nachschlagewerk über historische Behelfsbauten in Berlin
Im 20. Jahrhundert entwickelten sich zahlreiche neue soziale Aufgabenstellungen. Im Verlauf des Jahrhunderts übernahm auch in Deutschland mehr und mehr die öffentliche Hand diese Aufgaben, zum Beispiel in der Alten- und Kinderfürsorge. Eigens dafür entwarfen Architekten wie Taut oder Wachsmann behelfsmäßige Kindergärten und Freizeitstätten oder Baracken als so genannte Testbauten. Zahlreiche Einrichtungsformen für Kinderfreizeit und -erholung sowie Gemeinwesenarbeit entstanden. Der provisorische Charakter war ökonomisch oder experimentell begründet, aber auch zeitlich. Bedarf ergab sich oft plötzlich durch soziale Neuerungen, Kriege, Naturkatastrophen oder Flüchtlingsströme. Häufig überdauerten diese Bauten ihren ursprünglich kurzfristigen Nutzen und sind heute zeitgeschichtliche Architekturzeugen und vielerorts unter Schutz gestellte Denkmäler. Bisher wurden diese provisorischen Bauten - Baracken, mobile Notunterkünfte, Container - noch nie erfasst, dokumentiert und bewertet, um Erkenntnisse für heutiges Bauen daraus zu schöpfen. Ein Forschungsprojekt im Fachgebiet Entwerfen von Bauten des Gesundheitswesens, "Provisorische Architektur für soziale Nutzungen im 20. Jahrhundert in Berlin" unter Leitung von Dr.-Ing. Christa Kliemke, zielt darauf, nach Aufbereitung und Dokumentation dieser Behelfsbauten ein "Nachschlagewerk" für die öffentliche Hand und gemeinnützige Träger in fortschreibbarer EDV-Form zu erstellen. Systematisch soll die jeweilige bauliche, nutzungstechnische und soziale Typologie dargestellt werden. Diese dokumentarische, systematisierende und analytische Arbeit findet damit erstmalig in Deutschland statt. Ein Architekt auch von Behelfsbauten im Ersten Weltkrieg war Alfons Anker, der von 1923 bis 1933 mit den Brüdern Luckhardt zusammenarbeitete und mit diesen gemeinsam maßgeblich das Neue Bauen, die Moderne in Berlin, prägte. Über ihn fand am 12. Juni in der Halle des Scharoun-Gebäudes der TU Berlin eine ungewöhnliche Tagesausstellung statt: "Alfons Anker von der Baracke zum Krankenhausbau". Alfons Anker, 1872 in Berlin geboren, studierte von 1889 bis 1893 Architektur und Technische Volkswirtschaft unter anderem an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg. Während des Krieges entwickelte er Naturbautechniken. Danach stellte er sich der Frage, wie Architektur in Zeiten knapper Ressourcen aussehen kann und welchen zukunftsweisenden Beitrag Architekten hierzu leisten können. Bis an sein Lebensende blieb Anker der TU Berlin verbunden. Vom Exil in Schweden aus gab er 1950 den Anstoß, ein Institut für Internationales Krankenhauswesen zu gründen, das als Institut für Krankenhausbau seinen Betrieb aufnahm und 1993 zum Institut für Gesundheitswissenschaften umbenannt wurde. Noch einmal soll die Ausstellung zu sehen sein: Im ehemaligen Wohnhaus von Alfons Anker in der Schorlemerallee 19, zum Tag des offenen Denkmals am 8. September. Dr.-Ing. Christa Kliemke, |
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