Management-Elite in Berlin? Gibt es schon!

Wie ein junger Berliner Wirtschaftsingenieur die Pläne für die Elite-Hochschule ESMT beurteilt

Nun kommt sie also nach Berlin, die "European School of Management and Technology" (ESMT). Bisher wollen 18 deutsche Unternehmen damit die Ausbildung der deutschen Manager-Elite revolutionieren. Eine "anspruchsvolle Institution für MBA-Programme, Management-Seminare und Fachkonferenzen", verspricht Dr. Gerhard Cromme, Aufsichtsratsvorsitzender von ThyssenKrupp für die ESMT, die mit einem Stiftungskapital von anfänglich 100 Millionen Euro großzügig alimentiert werden soll. Selbst PDS-Wirtschaftssenator Gregor Gysi will nach einem von den Initiatoren inszenierten Standortwettbewerb mit München die Ansiedlung mit einem wertvollen Willkommensgeschenk "reibungslos über die Bühne bringen": dem ehemaligen Staatsratsgebäude im Wert von noch einmal rund 100 Millionen Euro.

Ein unwürdiger Kotau vor der deutschen Unternehmerelite, die des Jammerns nicht müde wird über das angebliche Versagen der staatlichen Universitäten. So klagte unlängst Rolf-E. Breuer, jetziger Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank: "Die Uni liefert nicht das ab, was der Unternehmer braucht." Mit dieser Aussage macht es sich Breuer jedoch zu leicht. Denn das Grundproblem sind nicht die Universitätsabsolventen, vielmehr sind die Unternehmen selbst nicht in der Lage, die berufliche Fortbildung ihrer Mitarbeiter zu organisieren. Bestes Beispiel: Seit mittlerweile 1968 existiert mit dem Unternehmensseminar der Wirtschaft (USW) auf Schloss Gracht ein solches "Top-Institut". Anscheinend mit bescheidenem Erfolg, denn sonst wäre die angekündigte "Neugründung" nicht notwendig. Da das USW und das Institut für Management und Technologie in Berlin in die neue Schule überführt werden sollen, ist die ESMT nur alter Wein in neuen Schläuchen, eher "Re-Launch" als wirkliche Neugründung.

Welche Auswirkungen wird die ESMT auf die TU Berlin haben? Zwar soll das Management-Institut mit Universitäten eng zusammenarbeiten, wie ThyssenKrupp mitteilt. Doch: "Die Fakultät für Wirtschaft und Management ist offiziell nicht in die Gründung eingebunden", sagt Prof. Dr. Hans-Otto Günther, der Dekan der Fakultät an der TU Berlin. Und es könnte noch schlimmer kommen. Während Finanzsenator Thilo Sarrazin die bestehenden Hochschulrahmenverträge und damit 160 Professuren bis 2005 infrage stellt, könnten industrielle Drittmittel auf die ESMT umgeleitet werden. Dadurch wird gerade die industrienahe TU in Berlin am meisten leiden.

Mit dem selbstformulierten Eliteanspruch der ESMT wird es auch nicht weit her sein. Eine geplante MBA-Studiendauer von 10 Monaten deutet eher auf Titelkauf als auf fundiert vermittelte wirtschaftliche Kompetenz hin. Ein Wirtschaftsingenieur, vielleicht sogar mit einem internationalen Doppeldiplom, ist da wesentlich kompetenter. Weshalb bündelt die TU also nicht die durchaus vorhandenen Aktivitäten und gründet mit den hervorragenden Kontakten in Wissenschaft und Praxis ein eigenes Fortbildungsinstitut?

Lieber sollte sich der Senat auf bestehende Stärken besinnen, anstatt vermeintliche Elitekonzepte aus dem Ausland zu fördern. Erfahrungen zeigen, dass sich mit einem Fortbildungsinstitut auch sehr viel Geld verdienen ließe. Die Pseudo-Elite-Privatschulen haben in Deutschland ihre Chance gehabt und nicht genutzt, wie gerade eine Studie des Stifterverbandes der deutschen Wissenschaft belegt hat. Deshalb gilt für kluge Unternehmer: Stiftet (Junior-) Professuren und fördert Fortbildungsinstitute an staatlichen Universitäten! Die TU Berlin sollte die Herausforderung der ESMT annehmen. Als erste Maßnahme schlage ich eine spontane Verlegung der Wirtschaftsingenieurs-Absolventenfeier am 28. Juni in das Staatsratsgebäude vor.

Holger Derlien,
Wirtschaftsingenieurwesen
Technische Chemie

Was sagen die Unis zur Elite-Hochschule ESMT?

Die ESMT, die im Oktober 2002 ihre Pforten öffnen will, soll die Form einer gemeinnützigen GmbH haben, finanziert wiederum von einer gemeinnützigen Stiftung. Die drei Berliner Universitäten stehen der Idee der ESMT zwar aufgeschlossen gegenüber. Sie sehen aber mit großer Besorgnis, dass durch die kostenlose Bereitstellung des Staatsratsgebäudes für die ESMT staatliche Mittel in eine private Institution fließen. Im gleichen Atemzug verweigert der Berliner Senat der Freien Universität seine Unterstützung in ihren Bemühungen, das alte US-Headquarter als FU-Campus zu nutzen. Privat solle auch wirklich privat heißen und nicht mit öffentlichen Mitteln quersubventioniert. Die Universitäten gehen daher davon aus, so der neue Präsident der TU Berlin, Prof. Dr. Kurt Kutzler, dass die ESMT sie in der Auseinandersetzung um die Budgets der Berliner Universitäten unterstützen werde. Darüber hinaus streben die Universitäten und die ESMT gemeinsame Berufungen und Forschungsprojekte an, mit dem Ziel einer engen personellen Verzahnung in Forschung und Lehre.

tui


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