"Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht!"

Interview mit TU-Kanzler Wolfgang Bröker über die Zukunft der Universität

"Betriebsbedingte Kündigungen sind äußerst langwierig und teuer. Das wird in den Diskussionen zu wenig beachtet."

Wolfgang Bröker,
Kanzler der TU Berlin

Die Universitäten stehen seit Jahren unter einem enormen Spardruck. Im Gegenzug haben sie "abgespeckt" und Reformschritte eingeleitet. Der Jurist Wolfgang Bröker ist seit 1999 Kanzler der TU Berlin und in dieser Eigenschaft Beauftragter für den Haushalt und Chef der Verwaltung. Im Interview erklärt er, welche Schritte bereits eingeleitet worden sind, um die TU Berlin zu "verschlanken", und was in Zukunft noch geplant ist.

Welche konkreten Auswirkungen hat die Diätkur an der TU Berlin?

In den vergangenen zehn Jahren haben wir bereits mehr als 1100 Stellen abgebaut. Von den ehemals rund 600 Professorenstellen sind momentan 390 besetzt. Der Strukturplan sieht insgesamt nur noch 335 vor. Die Änderungen vollzogen sich nicht nur im Wissenschaftsbereich. In der Verwaltung haben wir auch zirka 185 Stellen reduziert, das entspricht einem Viertel in diesem Bereich. Zudem bieten wir jetzt durch die Verwaltungsreform mit weitaus weniger Personal besseren Service an. Diese gravierenden Strukturveränderungen sind unser deutlicher Sparbeitrag und eine Reaktion auf die knapper werdenden Finanzen Berlins. Niemand kann sagen, dass wir unsere Hausaufgaben nicht erfüllt haben. Trotzdem reichen jetzt und in den Folgejahren die Finanzen nicht aus, um alle notwendigen Stellen für Lehre und Forschung zu besetzen. Allerdings haben wir parallel dazu unsere Drittmittel im Durchschnitt pro Fachgebiet weiter steigern können. Darüber finden zirka 1500 Beschäftigte und studentische Hilfskräfte bei uns Arbeit, ohne den Haushalt zu belasten.

Welche weiteren Reformziele strebt die TU Berlin an?

In den Hochschulverträgen zwischen TU Berlin und dem Land verpflichten wir uns zu weiteren Reformmaßnahmen, die einem schnellen Studium, der verstärkten Einwerbung von Drittmitteln oder der Frauenförderung dienen sollen. Das ist unsere Aufgabenliste für die nächste Zeit. Ein effektives Gesundheitsmanagement am Arbeitsplatz, ein Personalentwicklungskonzept und die Campuskarte, die auch ein Jobticket für die Mitarbeiter beinhaltet, gehören ebenfalls zu unseren Zielen.

Der neue Umgang mit dem Geld - wie sieht dieser an der TU Berlin aus?

Für den Finanzhaushalt der TU Berlin gibt es seit einiger Zeit eine neue Budgetierung und als Grundlage die Kosten-Leistungsrechnung. Das Geld wird nun dezentral in den einzelnen Fakultäten geplant und vergeben. Die Mitarbeiter dort wissen genau, welchen Haushalt sie für ihre Arbeit benötigen, wie viel Geld sie ausgeben müssen und welchen Wert ihre Leistung hat. Mit dieser Verlagerung von einer zentralen gesamtuniversitären Bewirtschaftung zur dezentralen Ressourcenverwaltung entsteht ein neues Verantwortungsbewusstsein. Das ist die Philosophie, die dahinter steckt.

Lässt man einmal den menschlichen Aspekt außen vor - wären angesichts der knappen Mittel betriebsbedingte Kündigungen der richtige Weg aus der Misere?

Sicherlich sind betriebsbedingte Kündigungen gerade für große Unternehmen die durchgreifendste Möglichkeit der Reduzierung. Sie sind aber nicht nur rechtlich äußerst kompliziert und aus sozialer Sicht fragwürdig. Sie sind vor allem auch sehr teuer und langwierig. Das ist ein Punkt, der in den Diskussionen zu wenig beachtet wird.

Das Interview führte Stefanie Terp

Diese Zahlen liegen auf dem Tisch

Die Grundlage für den Haushalt der TU Berlin sind die jährlichen Zuschüsse des Landes Berlin für Personal- und Sachausgaben (konsumtive Mittel) und Mittel für Investitionen (11 Mio. Euro in 2002, jährlich 18 Mio. Euro in 2003 bis 2005 ). Hinzu kommen noch die Gelder, die die TU Berlin selbst einwirbt (Drittmittel und eigene Einnahmen). Im Jahr 2002 beträgt der Landeszuschuss 264,235 Mio. Euro. Die Drittmittel werden etwa 65 Mio. Euro umfassen. Aufgrund früherer Sparauflagen durch die Politik hat die TU Berlin eine Deckungslücke im Personalbereich von 11,1 Mio. Euro, was bis zum Jahr 2005 durch strukturelle Sparauflagen (zum Beispiel Abgabe von finanziellen Mitteln der drei Universitäten an die Fachhochschulen) auf zirka 14 Mio. Euro anwachsen wird und sogar bis zirka 18 Mio. Euro anwachsen könnte. Die Unwägbarkeiten liegen darin, dass man heute noch nicht die Höhe der Tarifabschlüsse kennt (nur 1,5 % Tarifsteigerungen werden den Hochschulen erstattet; was darüber hinaus geht, müssen sie selbst erwirtschaften). Hinzu kommen für die TU weitere Belastungen durch eine Sanierungsumlage für die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder.

Eine Deckungslücke von 12 Mio. Euro entspricht zirka 300 Stellen (für sonstige Mitarbeiter oder wissenschaftliche Mitarbeiter); eine Deckungslücke von 15 Mio. entspräche ungefähr 375 Stellen.

tz


© TU-Pressestelle 5/2002 | TU intern | Impressum | Leserbriefe