Forscher werden in Südchina Zeugen einer GeburtDie Entstehung des tierischen Lebens: TU-Geologen geben eine neue Erklärung
In den Tiefen des Meeres begannen sie vor rund 545 Millionen Jahren die Welt zu bevölkern: die ersten Tiere in der Geschichte der Erde. Auf der Jangtse-Plattform im Südosten Chinas förderten Wissenschaftler der TU Berlin und chinesische Forscher erstmals eine Vielzahl Fossilien der ersten tierischen Lebewesen zu Tage. Bislang wurden nur kleine Ansammlungen entdeckt. Aus den Funden hat das Team um TU-Professor Dr. Bernd-Dietrich Erdtmann neue Schlüsse zur Entstehung des tierischen Lebens gezogen.
Die Forschung rätselt, wie das tierische Leben entstand: Unvermittelt hatten sich vor etwa 545 Millionen Jahren in kurzer Zeit aus Bakterien eine Vielzahl höher entwickelter Lebensformen herausgebildet, die in der Lage waren, sich fortzubewegen oder zu fressen. Wissenschaftler sprechen von der so genannten "Kambrischen Explosion". Die Forschung des TU-Geologen Erdtmann konzentriert sich insbesondere auf die Umweltverhältnisse, die zur Entwicklung der ersten Meerestiere und der erstmaligen Bildung von Schalenskeletten beitrugen. Seiner These nach spielen große Bakterienansammlungen und Unterseevulkane eine Schlüsselrolle. Denn Aufsehen erregend war nicht nur die Tatsache, dass die Forscher auf der Jangtse-Plattform rund 80 verschiedene Gattungen durch Fossilienfunde identifizieren konnten, darunter Vorväter der heutigen Meeresbewohner wie Haikouichthys, der als erster Fisch gilt, oder Jianfengia, der der Urahn der Krebse sein könnte. Aufschlussreich war es auch, dass eine Vielzahl der Abdrücke von Schalen und Skeletten in rund 535 Millionen Jahre altem mit Schwefelerzen versetztem Schiefer- und Vulkangestein steckte. "Ein eindeutiger Beleg für vulkanische Aktivitäten", erläutert Dr. Michael Steiner, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Professor Erdtmann. Subvulkanische Gase und Flüssigkeiten mit sehr geringem Sauerstoffanteil in Verbindung mit den bis zu 300 Grad heißen Hydrothermal-Bedingungen seien eine hervorragende Entstehungsgrundlage für Bakterien gewesen, die wiederum eine gute Nahrungsquelle für die ersten fortschrittlicheren Lebewesen gewesen seien. "Nur am Meeresboden existierten damals diese Bedingungen, da aufgrund einer verheerenden Eiszeit vor rund 600 Millionen Jahren der Erdball vermutlich komplett von einer bis zu Hunderten von Metern dicken Eisschicht überzogen war", glaubt Erdtmann. Die vollständige Vergletscherung der Erde, auch "Snowball Earth" genannt, ließ erste "Vorläufer" der kambrischen Meerestierchen nur in der dunklen Tiefsee im Umfeld solcher Hydrothermalquellen "überwintern". In dem deutsch-chinesischen Forschungsprojekt "The Cambrian Bio-Radiation Event: A multidisciplinary Approach to Bio-Earth-System Evolution", das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der chinesischen National Science Foundation für drei Jahre mit drei Millionen Euro gefördert wird, soll die Hypothese der TU-Geologen weiter untersucht werden. Daran beteiligt sind unter der Federführung von Professor Erdtmann sechzehn deutsche und chinesische Geowissenschaftler. Wer sich einen weitergehenden Eindruck von den Funden auf der Jangtse-Plattform und den "Ursprüngen des Lebens" verschaffen will, kann sich auch in der neuesten Ausgabe des "Geo-Magazins" informieren. Christian Hohlfeld |
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