Französische Lust an Formulierungen

Er mischte sich ein, in diese Universität, in diese Stadt, in unser Land

Für seine Universität setzte er nicht nur den Geist, sondern auch den Körper ein. Beim Präsidentenrudern der Berliner Universitäten im Jahr 2001 legte sich Hans-Jürgen Ewers in die Riemen

Präsident Ewers war keiner, der mit seiner Meinung hinter dem Berg hielt - und was er für richtig befand, das versuchte er durchzusetzen, und zwar mit einer fast französischen Lust an der Formulierung, an neuen Begriffen, an eleganten Sätzen. Hans-Jürgen Ewers war keiner, der einem Diskurs, ja einem Duell aus dem Weg ging - und er glaubte daran, dass Argumente Einstellungen, Verhalten, ja die Verhältnisse ändern können. Wenn Universität in ihrem Kern als Ort von Erkenntnis und Bildung nicht nur durch das Experiment, die Analyse, das Studium der Bücher und die Entwicklung von Projekten bestimmt ist, sondern durch den öffentlichen Diskurs geprägt wird - einst war der Universitätsdisput mit Pro und Contra ein zentrales Mittel der Wissenschaftsentwicklung -, dann war Ewers einer dieser so selten gewordenen sprachgewaltigen, disputfreudigen Universitätsbürger, die an die Wirkung des gesprochenen Worts glaubten. Es sollte zu seinem Vermächtnis gehören, es würde ihm Freude bereiten, wenn wir in der TU Berlin der Disputation, dem sachbezogenen Diskurs, auch der Frage nach dem Sinn heutigen Studierens, Lehrens und Forschens einen größeren, einen öffentlichen, einen institutionellen Raum geben würden.

Ewers vertrat oft Auffassungen, denen ich mich keinesfalls anschließen konnte. Das galt umgekehrt für ihn auch über manches, was ich im persönlichen oder im öffentlichen Gespräch vortrug. Was ich an ihm dabei schätzte, war seine Fähigkeit, zwischen dem Unterschied in der Sache und dem Respekt vor dem Gesprächspartner immer trennen zu können. Ich vergesse nicht, wie wir, anlässlich meines Sechzigsten, sehr lange unter vier Augen über unsere alten Kontroversen, über die viel größere Wichtigkeit der Achtung und der Anerkennung für andere (und voreinander) und ganz vorsichtig darüber gesprochen haben, dass ein wirklich "gutes Leben" nicht nur ist, wenn wir erreichen, was wir uns vorgenommen haben, sondern wenn wir begleitet werden von geliebten Menschen. Ich diesem Sinne hoffe ich, dass Hans-Jürgen Ewers ein "gutes Leben" hatte, trotz aller Leiden in den letzten Monaten seines Lebens.

Ewers hat sich eingemischt, in diese Universität, in diese Stadt, in unser Land. Er wollte verändern, er verwies mit spitzer Feder auf das ihm Kritikwürdige, und er hat manches damit erreicht, anderes nicht so, wie er wollte oder sich vorstellte. Nichts war ihm mehr abhold als Immobilismus und das Festhalten an alten Zöpfen. Die TU und das Land Berlin hätten sich glücklich schätzen können, wenn sie sich weiter mit ihm hätten auseinander setzen können. Er fehlt uns.

Prof. Dr. Ulf Preuss-Lausitz,
Fakultät I der TU Berlin


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