Sein Respekt vor dem Anderen ließ persönliche Gegnerschaft nicht zu

Ich lernte Hans-Jürgen Ewers während meiner ersten Präsidentschaft als hochschulpolitisch sehr ambitionierten Kollegen kennen. Es war damals für unsere Universität ein Gewinn, dass Herr Ewers bereit war, als Vorsitzender der Kommission für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs zur Verfügung zu stehen. Er hat diese Kommission in den folgenden Jahren sehr geprägt und war der Universitätsleitung stets ein loyaler und zugleich kritischer Ratgeber. Er bestach immer durch seine intellektuelle Kraft, seine gedankliche Radikalität und nicht zuletzt die Fähigkeit, in der Diskussion seine Argumente überzeugend zu vertreten. Beeindruckend war schon seinerzeit seine feste Vorstellung von einer leistungsbezogenen Universität, die sich auch als Dienstleistungszentrum verstehen sollte und die nach dem Vorstandsmodell der Industrie zu führen sei. Diese Sicht der Dinge galt Ende der achtziger Jahre als radikal und forderte nachgerade Kritik heraus. Sie ist bis heute nicht unumstritten und hat dennoch vieles gedanklich in Fluss gebracht. Er hat mich seinerzeit bei der Strukturreform unserer Universität unterstützt und mich in meiner Überzeugung für diesen notwendigen Schritt bestärkt. Er konnte diese Reform in seiner Amtszeit weiterführen und abschließen.

Mit dem Weggang von Herrn Ewers nach Münster endeten zunächst unsere regelmäßigen Begegnungen. Mit seiner Rückkehr nach Berlin gab es wieder vielfältige Kontakte. So haben wir seinerzeit mit einigen wenigen Kollegen den Forschungs- und Anwendungsverbund Verkehr gegründet. Wir haben gemeinsam und zusammen mit Anderen im Strategiekreis "Verkehr und Mobilität in Berlin und Brandenburg" des Regierenden Bürgermeisters die Interessen der Verkehrsträger hochgehalten und die wichtige Funktion der Hochschulen in diesem Verbund vertreten. Ab 1992 war Herr Ewers Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Bundesministeriums für Verkehr, dem ich ebenfalls angehörte. Hier haben wir uns bis zuletzt getroffen und natürlich auch unterschiedliche Meinungen zu Themen wie Transrapid und Subventionierung der Luftfahrt ausgetauscht. In den Beratungen des Beirats bestach Herr Ewers immer wieder durch seine große Sachkenntnis in der Verkehrs-, Infrastruktur- und Umweltpolitik. Auch seine ordnungspolitische Grundüberzeugung prägte die Arbeit im Beirat maßgeblich. Bei allen diesen Begegnungen mit Herrn Ewers gab es trotz aller Radikalität der Diskussionen, der Kompromisslosigkeit in der Sache nie eine persönliche Verstimmung. Seine liebenswürdige und humorvolle Art, sein Respekt vor dem Anderen und nicht zuletzt seine Klugheit ließen es einfach nicht zu, politische, wissenschaftliche oder sonstige Meinungsverschiedenheiten zu einer persönlichen Gegnerschaft werden zu lassen.

Mit seiner Wahl zum Präsidenten der TU Berlin im Jahre 1997 erfüllte sich für Hans-Jürgen Ewers der Wunsch, Verantwortung für unsere Universität an führender Stelle zu übernehmen. Trotz aller unterschiedlichen Einschätzungen, die eine Persönlichkeit wie die Herrn Ewers hervorrufen musste, war für die meisten unbestritten, dass er mit intellektueller Lebendigkeit, stringenter gedanklicher Klarheit, Kompromisslosigkeit bei der Verteidigung seiner Überzeugung und vor allem seiner visionären Vorstellung von einer leistungsfähigen Universität ein kompetenter und machtbewusster Präsident sein würde. Es war auch allen bewusst, dass er durchaus nicht immer ein bequemer Präsident sein würde.

Die Mitglieder der Universität haben Hans-Jürgen Ewers so bis zu seinem krankheitsbedingten Rücktritt im Januar dieses Jahres erlebt.

Dieser Rücktritt auf dem letzten Neujahrsempfang war charakteristisch für ihn. Von der Krankheit gezeichnet, vollzog er diesen Schritt mit aller Konsequenz, ohne jedoch zu resignieren.

Wir, die Teilnehmer des Empfangs konnten spüren, wie entschlossen er war, gegen seine Krankheit anzukämpfen. Er hat diesen Kampf dennoch verloren.

Die Technische Universität hat einen ihrer Besten verloren.

Unser Mitgefühl gilt vor allem seiner Familie.

Prof. Dr.-Ing. M. Fricke,
Institut für Luft- und Raumfahrt


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