Die Zeit im Alltag
Auf den Spuren der Beleuchtungsgeschichte seit der Ming-Zeit
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Chinesischer Scherenschnitt
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Zeit im Alltag" ist im Fachgebiet Volkskunde/Europäische
Ethnologie seit langem Thema. Zahlreiche Studien zeigen, dass Veränderungen
der Zeitorientierung und der Alltagsrhythmen hoch komplizierte und
vielseitige Prozesse waren und sind. Bislang gibt es keine vergleichbaren
Studien über den chinesischen Kulturraum. Insbesondere gibt es
noch keine Forschungen aus der Perspektive der Alltagstechniken. Dieses
Teilprojekt versucht einen neuen Blick: Eine Einführung in die
"Zeit im Alltag der Chinesen".
Aus technikhistorischer Sicht sind Zeitmessungs- und Beleuchtungstechniken
zwei wesentliche die Zeitorientierung und die Tag-Nacht-Einteilung
der Menschen (zirkadiane Rhythmik) bestimmende Elemente. Während
moderne Zeitmessungstechniken, vertreten durch private Uhren, von
Anfang an und dauerhaft im sozialen Verhältnis eine hohe symbolische
Bedeutung gewinnen, dringen innovative Beleuchtungstechniken tief
in das praktische Alltagsleben der Menschen ein. Sie strukturieren
die zeitliche und räumliche Wahrnehmung sowie den Tagesablauf
der Menschen um. Die aufgrund knapper Lichtquellen gebildete "Zwangsgemeinschaft"
(Garnert 1997) wird abgelöst. Aus kulturhistorischer Perspektive
muss durch den nun möglichen Eingriff in die Grenze zwischen
Licht und Dunkel der Begriff der "Veränderlichkeit der
Zeit" neu betrachtet werden. Die Auswirkungen werden schließlich
in der Ideegeschichte einer Gesellschaft reflektiert.
Im Rahmen dieses Teilprojekts sind für 2003 in China zwei
empirische Feldforschungen mit den Schwerpunkten Objektdokumentation,
Archivrecherche und Interviews mit Zeitzeugen vorgesehen. Die Untersuchungen
werden in Dingxian, einem 206 Kilometer südlich von Beijing
gelegenen typischen ländlichen Gebiet, durchgeführt. Dort
wurden bereits in den 20er- und 30er-Jahren unter der Leitung von
Ching-Han Li und Sidney D. Gamble ausführliche soziologische
Studien durchgeführt. Sie ermöglichen, ergänzt durch
eigene Feldforschungen, das Nachzeichnen der lokalen Geschichte
der Beleuchtungstechniken in Dingxian über einen Zeitraum von
immerhin fast 100 Jahren. Den folgenden Fragestellungen wird speziell
nachgegangen:
Lässt sich die Behauptung Jan Garnerts, dass "for an
ethnologist, the main, and in the long term the only really significant
change in lighting technology came with electric light", verallgemeinern?
War elektrisches Licht eine Weichen stellende Technik für die
chinesische Gesellschaft? Welche Zeitorientierung und welches Zeitbewusstsein
wurden durch die Verbreitung des elektrischen Lichts verursacht?
Inwiefern werden einzelne Bereiche des Alltags, etwa Wohngewohnheiten
und Erzähltraditionen, durch die Beleuchtungstechniken beeinflusst?
Wu Xiujie
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