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Nr. 4, April 2003
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Die Zeit im Alltag

Auf den Spuren der Beleuchtungsgeschichte seit der Ming-Zeit

Chinesischer Scherenschnitt

Zeit im Alltag" ist im Fachgebiet Volkskunde/Europäische Ethnologie seit langem Thema. Zahlreiche Studien zeigen, dass Veränderungen der Zeitorientierung und der Alltagsrhythmen hoch komplizierte und vielseitige Prozesse waren und sind. Bislang gibt es keine vergleichbaren Studien über den chinesischen Kulturraum. Insbesondere gibt es noch keine Forschungen aus der Perspektive der Alltagstechniken. Dieses Teilprojekt versucht einen neuen Blick: Eine Einführung in die "Zeit im Alltag der Chinesen".

Aus technikhistorischer Sicht sind Zeitmessungs- und Beleuchtungstechniken zwei wesentliche die Zeitorientierung und die Tag-Nacht-Einteilung der Menschen (zirkadiane Rhythmik) bestimmende Elemente. Während moderne Zeitmessungstechniken, vertreten durch private Uhren, von Anfang an und dauerhaft im sozialen Verhältnis eine hohe symbolische Bedeutung gewinnen, dringen innovative Beleuchtungstechniken tief in das praktische Alltagsleben der Menschen ein. Sie strukturieren die zeitliche und räumliche Wahrnehmung sowie den Tagesablauf der Menschen um. Die aufgrund knapper Lichtquellen gebildete "Zwangsgemeinschaft" (Garnert 1997) wird abgelöst. Aus kulturhistorischer Perspektive muss durch den nun möglichen Eingriff in die Grenze zwischen Licht und Dunkel der Begriff der "Veränderlichkeit der Zeit" neu betrachtet werden. Die Auswirkungen werden schließlich in der Ideegeschichte einer Gesellschaft reflektiert.

Im Rahmen dieses Teilprojekts sind für 2003 in China zwei empirische Feldforschungen mit den Schwerpunkten Objektdokumentation, Archivrecherche und Interviews mit Zeitzeugen vorgesehen. Die Untersuchungen werden in Dingxian, einem 206 Kilometer südlich von Beijing gelegenen typischen ländlichen Gebiet, durchgeführt. Dort wurden bereits in den 20er- und 30er-Jahren unter der Leitung von Ching-Han Li und Sidney D. Gamble ausführliche soziologische Studien durchgeführt. Sie ermöglichen, ergänzt durch eigene Feldforschungen, das Nachzeichnen der lokalen Geschichte der Beleuchtungstechniken in Dingxian über einen Zeitraum von immerhin fast 100 Jahren. Den folgenden Fragestellungen wird speziell nachgegangen:

Lässt sich die Behauptung Jan Garnerts, dass "for an ethnologist, the main, and in the long term the only really significant change in lighting technology came with electric light", verallgemeinern? War elektrisches Licht eine Weichen stellende Technik für die chinesische Gesellschaft? Welche Zeitorientierung und welches Zeitbewusstsein wurden durch die Verbreitung des elektrischen Lichts verursacht? Inwiefern werden einzelne Bereiche des Alltags, etwa Wohngewohnheiten und Erzähltraditionen, durch die Beleuchtungstechniken beeinflusst?

Wu Xiujie

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