Aufmerksamkeit ist die knappste Ressource
Norbert Bolz ist neu berufener Professor für das Fachgebiet
Medienwissenschaft
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Von Essen nach
Berlin: Norbert Bolz |
Moderne Medientechniken entwickeln sich immer schneller. "Der
Zwang zur Anpassung an die Technik überfordert die Menschen.
Deshalb brauchen sie eine Art menschlichen Ausgleich." Norbert
Bolz leitet seit dem Wintersemester das Fachgebiet
Medienwissenschaften an der TU Berlin, das den Studiengang Medienberatung
anbietet.
Nach seiner Theorie sind die alten Medien dem Menschen angepasster
als die neuen. Denn ein Buch suggeriert allein schon durch seine
Form Sinn, Überschaubarkeit und Begreifbarkeit - Qualitäten,
die das Internet niemals bieten könnte. Dem Medienwissenschaftler
geht es nicht um eine moralische Bewertung von Medien, sondern um
eine Bestandsaufnahme. Sein Fokus liegt auf Struktur, und systemtheoretische
Fragen interessieren ihn, nicht Inhalt oder Technikentwicklung.
"Wie muss man zum Beispiel heute eine politische Sendung gestalten,
damit sie die Leute interessiert? Wie hält man die Zuschauer
bei der Stange? Wie lang sollen die Bildsequenzen sein?", umschreibt
er Fragestellungen, die auch für seine Studierenden als spätere
Medienberater wichtig werden können. Denn schließlich
soll die Nachricht beim Empfänger ankommen, und Aufmerksamkeit
ist inzwischen die knappste Ressource des medial überfluteten
Menschen.
Norbert Bolz studierte Philosophie, Germanistik, Anglistik und
Religionswissenschaften und habilitierte bei den Religionsphilosophen
an der FU Berlin. Zuletzt war er Professor für Kommunikationstheorie
am Institut für Kunst- und Designwissenschaft der Universität
GH Essen. Als Norbert Bolz seine wissenschaftliche Laufbahn begann,
steckten die Medienwissenschaften noch in den Anfängen. Inzwischen
ist die Geschichte der Medien gut dokumentiert: von Telefon, Telegrafie
über Radar und andere technische Stützen der Kommunikation.
"Die Medientheorie aber befindet sich immer noch im Embryonalstadium."
Norbert Bolz wird in diesem Bereich, mit besonderen Schwerpunkten
auf den neuen, computergestützten Medien und den Telekommunikationsmedien,
in Zusammenarbeit mit Technikphilosophen, Kultur- und Kommunikationswissenschaftlern
innerhalb der TU Berlin zusammenarbeiten und auch bestehende Kooperationen
und Kontakte mit den Universitäten Potsdam und Babelsberg oder
der Humboldt-Universität zu Berlin nutzen.
Medienwissenschaften spannen ihr Netz weit. Für Norbert Bolz
ist darin auch Platz für Trend- und Zukunftsforschung und für
die computergestützte Simulation sozialer Systeme. "Wie
sich eine Kultur entwickelt, das lässt sich an der Entwicklung
neuer Medien ablesen", ist er überzeugt.
Heike Krohn
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