In den Argumenten der Gegner leben sie weiter
Die Bücherverbrennung ist so alt wie das Buch selbst -
Konferenz am 8. Mai
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Buchverbrennung auf Weisung
des dominikanischen Inquisitors in einer Handschriftenillustration
aus dem 14. Jh. |
Am 10. Mai dieses Jahres werden siebzig Jahre seit der Bücherverbrennung
in Berlin und anderen deutschen Städten vergangen sein. Mit
der Bücherverbrennung warb das damals noch wenig sattelfeste
NS-Regime um Zustimmung bei jenen, die (noch) keine Unterstützer
des Nationalsozialismus waren, aber feste Vorstellungen von dem
hatten, was als Kultur und Geist zu gelten habe - und was nicht.
Doch die Geschichte der Bücherverbrennungen ist womöglich
so alt wie das Buch selbst; davon zeugen die anhaltende Unruhe,
die das geschriebene und gedruckte Wort auslöste, und die Versuche,
mittels Verboten, Verbannungen und Verbrennungen die Hegemonie über
die Geisteswelt zu behaupten.
Ob tatsächlich 415/411 vor Chr. in Athen die Schriften des
götterskeptischen Philosophen Protagoras verbrannt wurden,
gilt in der Forschung als unsicher. Die neutestamentarische Apostelgeschichte
berichtet, einige neu gewonnene Gläubige in Ephesus hätten
ihre "Zauber"-Schriften freiwillig zur Verbrennung gebracht
- "also mächtig wuchs das Wort des Herrn und nahm überhand"
(Apg. 19, 19-20). Kein Zauberer, sondern ein Verteidiger der klassischen
griechisch-römischen Geisteswelt gegen die Christen war der
Neoplatoniker Celsus (2. Jahrhundert), dessen Werk alsbald der "damnatio
memoriae" anheim fiel, aber aus der Gegenschrift des Origenes
rekonstruierbar ist. Vielleicht war Celsus' Schrift noch in der
Sammlung klassischer Literatur erhalten, die mit der Bibliothek
in Alexandria 641 in Flammen aufging und an deren Tradition ein
2002 eröffneter grandioser Neubau anknüpfen will. Der
Kalif Omar (586-644) hatte dem örtlichen Statthalter die Brandlegung
befohlen, denn "wenn ihr Inhalt sich mit dem Buch Allahs vereinbaren
lässt, so können wir auf sie verzichten ... Enthalten
sie dagegen Dinge, die vom Buch Allahs abweichen, dann gibt es erst
recht keinen Grund, sie aufzubewahren. Schreite also zur Tat und
vernichte sie."
So wie das hier gesagt ist, ahnen wir den Verlust, der damals tatsächlich
folgte. Das gilt auch für die Verbrennung des Talmud und anderer
jüdischer Schriften, 1242 auf königliche Weisung in Paris
(und danach bis in die Neuzeit hinein zu immer neuen Gelegenheiten).
Die Geschichte der Bücherverbrennungen ist allerdings der Ambivalenzen
voll. Luthers öffentliche Verbrennung der ihm geltenden päpstlichen
Bannbulle, 1520 vor den Toren Wittenbergs, war als Akt der Befreiung
inszeniert, aber die gleichzeitige Verbrennung theologischer und
kirchenrechtlicher Texte auch ein Zerstören von Traditionen.
Bücherverbrennungen haben, so lässt sich knapp zusammenfassen,
Traditionen ermöglicht, indem sie anderes ausschieden, und
sie haben Traditionen zerstören wollen. Doch sie waren nie
erfolgreich. Schon das früheste Beispiel einer Bücherverbrennung
im lateinisch-europäischen Mittelalter belegt dies: Gottschalk
von Orbais, originell und exzentrisch, wurde 848/49 zum Widerruf
seiner Lehren verurteilt. Seine Schriften wurden verbrannt, ihr
Autor starb nach langen Jahren der Klosterhaft, aber die Inhalte
seiner Schriften haben sich, teilweise in den Argumenten seiner
Gegner, erhalten. Dass das Bücherbrennen den Gedanken nicht
wirklich etwas anhaben kann, dürften auch die Nationalsozialisten
geahnt haben. Was dann tatsächlich beabsichtigt war, ist eine
der Fragen, die eine eintägige Konferenz, veranstaltet vom
Zentrum für Antisemitismusforschung der TU-Berlin, am 8. Mai,
10.00-16.30 Uhr im Literaturhaus Fasanenstraße behandelt.
Dr. Johannes Heil,
Zentrum für Antisemitismusforschung
www.tu-berlin.de/~zfa
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