Wie männlich ist die Wissenschaft - heute?
Geschlechterforscherin Karin Hausen verabschiedet sich von der
TU Berlin
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Noch einmal trafen sich die
Frauen- und Geschlechterforscherinnen Helga Nowotny (l.) und
Karin Hausen an der TU Berlin |
Das Bohren dicker Bretter ist immerhin vorangekommen", zieht
Karin Hausen ihr Fazit. "Immerhin" heißt zum Beispiel:
1960 waren 30 Prozent der Studierenden und ein Prozent der Professorenschaft
weiblich (FU Berlin). Heute sind schon rund elf Prozent des professoralen
Lehrkörpers Frauen und die Hälfte aller Studierenden.
"Es geht sehr langsam", sagt die Leiterin des TU-Zentrums
für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung
(ZIFG), "aber mit Ungeduld kommen wir nicht weiter." Prof.
Dr. Karin Hausen, die zum 31. März in den Ruhestand ging, stellt
fest, dass im Mittelbau Frauen und Männer mittlerweile statusgleich
zusammenarbeiten. Auch wird die Professorin heute auf Tagungen und
Kongressen nicht mehr für die Sekretärin gehalten.
"Wie männlich ist die Wissenschaft?", hatten Karin
Hausen und Helga Nowotny, die heute an der ETH Zürich lehrt,
1986 in ihrer berühmt gewordenen Untersuchung des Wissenschaftsbetriebes
gefragt. Jetzt trafen sie sich zu einem Forschungskolloquium an
der TU Berlin wieder und stellten fast 20 Jahre später die
gleiche Frage noch einmal: "Wie männlich ist die Wissenschaft
- heute?"
"Inhaltlich sind wichtige Impulse und neue Forschungsgebiete
durch die Frauenforschung entstanden, die Situation der Frauen ist
besser geworden", konstatierte Helga Nowotny. "Aber wir
müssen festhalten: Die Frauenförderung in Deutschland
hat vor allem personalpolitische und ökonomische Hintergründe:
Im Vergleich zu Japan und den USA hat Deutschland zu wenig Forschende.
Man will die Forschung für Frauen also attraktiver machen,
und zwar nicht um der Sache der Frauen willen."
Nüchtern sieht es auch Karin Hausen: Von Führungspositionen
und Expertentum werden Frauen nach wie vor gern fern gehalten. Das
Geschlechterverhältnis des Nationalen Ethikrates beträgt
zum Beispiel 25 Männer : 8 Frauen, der Rürup-Kommission
26:8, der Hartz-Kommission 10:1. Noch schlimmer ist es in der Wirtschaft.
Auch in wissenschaftlichen Sammelbänden gibt es heute immer
mindestens eine Alibifrau, doch die Bewilligungschancen von Anträgen
von Frauen bei der DFG
liegen deutlich niedriger als die von Männern. Auch bei der
Qualifizierung gibt es nach wie vor eklatante Unterschiede: An der
TU Berlin stammten 91 der 375 Dissertationen im Jahr 2002 von Frauen,
von 35 Habilitanden waren fünf weiblich. "Die Schnecke
bewegt sich langsam", sagen die Frauen im ZIFG, und Karin Hausen
wird zwar künftig nicht mehr lehren, aber sie wird weiter forschen
und weiter dicke Bretter bohren, damit die Schnecke sich weiterbewegt.
Patricia Pätzold
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