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Nr. 4, April 2003
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Westliches Artefakt

Als die Chinesen das Radfahren lernten

 
  Die Technik des Fahrradfahrens in der Bildkunst

Das Fahrrad gehört - ebenso wie beispielsweise die Haushaltsnähmaschine - zweifellos in die Gruppe jener "unauffälligen" industriellen Gegenstände, deren Bedeutung für das Haushalts- und Alltagsleben um die Wende zum 20. Jahrhundert sich erst auf den zweiten Blick offenbart. Mit der breiten Nutzung dieser "Maschinen" erweiterten sich die Handlungs-, Produktions- und im Fall des Fahrrads die Kommunikationsspielräume vor allem der großstädtischen Bevölkerung. Sie trugen damit in je eigener Weise zur kulturellen und wirtschaftlichen Moderne bei. Während solche Zusammenhänge für die westliche Hemisphäre - auch für das Fahrrad - mittlerweile reges wissenschaftliches Interesse finden und sich in zahlreichen Publikationen niederschlagen, bleibt China ein stark unterrepräsentiertes Feld in der Geschichte der Alltagstechniken. Unsere Kenntnisse zu allen Aspekten des Fahrrads in China sind spärlich oder ungesichert.

Das Dissertationsprojekt "Die Aneignung des Radfahrens in China um die Jahrhundertwende" widmet sich den Jahren 1880 bis 1920, einem Zeitraum, in dem das Radfahren in China noch weitestgehend als eine "fremde", westliche Modernität und Urbanität ausdrückende Technik der Fortbewegung aufgefasst wurde. Chinesischsprachige Quellen, vor allem Zeitschriftenbeiträge über das Verkehrsgeschehen, über soziale und medizinisch-körperliche Aspekte des Radfahrens stellen das wichtigste Forschungsmaterial. Darüber hinaus werden chinesische Archivalien zur Verkehrs- und Unternehmensgeschichte erschlossen.

Mit dem Forschungsvorhaben werden erstmals zentrale Aspekte der kulturellen Aneignung des Fahrrads und Radfahrens in China untersucht, die auf Parallelen, aber auch Unterschiede zur Entwicklung in Westeuropa, in den USA und im asiatischen Nachbarland Japan überprüft werden können.

Zunächst werden die Etappen nachgezeichnet, entlang deren sich das Fahrrad vom Freizeit- und Prestigeobjekt einiger weniger zum alltäglichen Verkehrsmittel entwickelte. Aus kulturgeschichtlicher Perspektive wird auf dieser Grundlage die Frage verfolgt, auf welche Anknüpfungspunkte oder Anfangswiderstände das Fahrrad speziell in der chinesischen Gesellschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts traf. Es geht dabei zum einen um die kulturspezifischen Hindernisse (in der Bewegungs- und Mobilitätskultur, im öffentlichen Freizeitverhalten), gegen die sich das Fahrrad als nicht nur technisch neues, sondern auch originär westliches Artefakt durchsetzen musste. Zum anderen muss man das Fahrrad in China als Vehikel der Modernisierung und der Emanzipation sehen, mit dem schicht- und geschlechterspezifische Tabus aufgebrochen wurden und das westlich-moderne Lebensart öffentlich demonstrierte.

Amir Moghaddass Esfehani

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