Stadtstaaten sind für große Reformen besonders geeignet
Hamburger Expertenkommission legte Empfehlungen zur Umstrukturierung
der Hochschulen vor
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Klaus von Dohnanyi |
Ein Schock für Hamburg: Im CHE-Ranking von 2002 war die
vornehme Hansestadt unter den 16 Bundesländern das Schlusslicht.
Doch Trübsalblasen ist nicht Hamburgs Sache. Elf hochkarätige
Experten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft setzten sich zusammen
und berieten die desolate Situation der städtischen Hochschullandschaft.
Unter dem Vorsitz des ehemaligen Bundesbildungsministers und Hamburger
Bürgermeisters Dr. Klaus von Dohnanyi brachten sie ein 122
Seiten langes Papier zustande, das die Hochschulen Hamburgs vollständig
umkrempeln soll: Schlanker, effektiver, moderner. Und das zum gleichen
Preis. Denn auch Hamburg hat nichts zu verschenken. Es gibt für
die Universitäten und Fachhochschulen ein bis 2005 zugesichertes
Budget. Das soll nicht überschritten werden. Wie das? Grundidee
ist ein hochschulübergreifender Neuausrichtungsprozess, der
die Weichen stellen soll für ein innovatives, zukunftsorientiertes
und vor allem wettbewerbsfähiges Hochschulsystem. Die wesentlichen
Punkte: 1. flächendeckende Umstellung auf das Bachelor-/Master-System,
um die Betreuungssituation vor allem im Masterstudiengang zu verbessern.
2. Umschichtungen innerhalb der Fächergruppen, orientiert am
gesellschaftlichen Bedarf von Rechts-, Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften
zu Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- und Erziehungswissenschaften
sowie Medizin. 3. Forschung und Lehre sollen im gesamten Stadtstaat
zu 13 etwa gleich großen "schools" mit je einem
grundständigen Studium und einem interdisziplinären Forschungsschwerpunkt
umorganisiert werden. Eines ist jedenfalls sicher. Die Umsetzung
wird in der gesamten Republik mit Spannung beobachtet werden. TU
intern fragte Klaus von Dohnanyi, wie Hamburg das schaffen kann.
pp
Herr von Dohnanyi, welches sind die Hauptpunkte der Hamburger
Empfehlungen?
Das Studium soll klarer in Stufen (Konsekutiv) geordnet werden
(Bachelor/ Master); die Betreuung der Studierenden soll im ersten
Studienabschnitt um 40 Prozent verbessert werden; die Hochschulen
sollen ihre Studierenden selber auswählen; die Zahl der Studienabbrecher
soll wesentlich gesenkt werden. Und: Das alles soll im Rahmen bestehender
Finanzplanung möglich werden.
Wer entscheidet letztlich über die Durchführung der
Ideen, und wie groß sind die Chancen, dass positiv über
die Empfehlungen entschieden wird?
Über die Strukturen entscheidet die Politik, über die
Inhalte die Universitäten.
Inzwischen hat der Hamburger Wissenschaftssenator, Dr. Jörg
Dräger, mit den Hochschulen Gespräche geführt. Wie
stehen in Hamburg die Akademischen Senate zu den Ideen?
Diese Frage kann Herr Dräger besser beantworten. Ich höre
nichts grundsätzlich Negatives.
Welche Punkte werden am schwierigsten umzusetzen sein?
Schwierig werden sicher die neuen Abgrenzungen zwischen und die
Zusammenlegungen von Hochschulen oder Teilen derselben.
Die Orientierung der Ausbildung am gesellschaftlichen Bedarf
trägt sicherlich zur Optimierung der finanziellen Investitionen
bei. Doch der Bedarf ändert sich oft recht abrupt. Wie können
Hochschulen dann noch reagieren? Besteht nicht die Gefahr, dass
man nach einem gewissen Zeitraum wieder am Bedarf vorbei "produziert"?
Prognosen über den Bedarf sind immer unsicher. Doch in jeder
Stellenplanung, in jeder Berufungsentscheidung steckt immer auch
eine Kapazitäts-Bedarfs-Planung. Man muss hier die Offenheit
für Veränderungen mit der Bereitschaft zur Entscheidung
paaren.
Können Sie sich vorstellen, ein ähnliches Modell auch
auf die Berliner Hochschullandschaft mit ihren insgesamt achtzehn
Universitäten, Kunsthochschulen und Fachhochschulen anzuwenden?
Ja, unbedingt. Gerade der Stadtstaat, seine umfassende Kompetenz
verbunden mit der regionalen Verdichtung des gesamten Hochschulsystems,
ist für große Reformansätze besonders geeignet.
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