Extrem erfolgreiche Insekten als Quelle der ForschungFunctional Insect Science - ein neues internationales Graduiertenkolleg mit Beteiligung der TU Berlin
Die DFG hat das neue Graduiertenkolleg "Functional Insect Science" genehmigt, an dem die Universität Potsdam als Sprecherhochschule sowie die drei großen Berliner Universitäten FU, HU und TU Berlin beteiligt sind. In diesem Kolleg sollen die unterschiedlichen Arbeitsmethoden von dreizehn Arbeitsgruppen zusammengeführt werden, die im Berliner Raum an Insekten forschen. Im Kolleg wird Doktorandinnen und Doktoranden ein multidisziplinäres Forschungs- und Studienprogramm geboten, in dem verschiedene Ebenen der Systemanalyse zusammengeführt werden. Alle Dissertationsvorhaben werden von zwei Arbeitsgruppen betreut, die sich in ihren experimentellen Strategien unterscheiden. Damit haben die Stipendiaten im Gegensatz zu herkömmlichen Dissertationen die Möglichkeit, sich in mehreren Einzeldisziplinen zu qualifizieren. Das Kolleg richtet sich auch an Studierende aus dem Ausland, deshalb ist die Arbeitssprache Englisch. Eine Erweiterung zu einem internationalen Graduiertenkolleg ist beabsichtigt. Für die Öffentlichkeit ist es nicht unmittelbar einsichtig, warum gerade an Insekten biologische Grundlagenforschung erfolgreich betrieben wird. Der Grund dafür liegt in der einmaligen Biodiversität der Insekten, die es den Forschern erlaubt, gerade an dieser Tiergruppe grundlegende Funktionsmechanismen aufzudecken, die für alle Lebewesen gültig sind. Insekten waren in der Evolution extrem erfolgreich. Sie sind die weltweit artenreichste Tiergruppe, der es gelungen ist, sich an viele unterschiedliche Lebensräume anzupassen. Dazu mussten die Insekten in der Evolution raffinierte Lösungen zum Überleben entwickeln. Diese Funktionsbausteine sind zu einer wertvollen Quelle für die biologische Grundlagenforschung geworden, denn an ihnen lassen sich allgemeine Prinzipien der Organisation von komplexen Vorgängen von einzelnen Signalmolekülen bis zur Verhaltensebene studieren. Die neuronalen Vorgänge beim Lernen und der Gedächtnisbildung sind ein Beispiel für die Prozesse, die sich an Insekten besonders gut analysieren lassen. So können Bienen extrem schnell die spezifischen Signale einer natürlichen Futterquelle lernen, die sie für die Ernährung der Kolonie nutzen. Die Assoziation einer Farbe oder eines Duftes mit einer Belohnung wird in weniger als einer Sekunde gelernt und mindestens einen Tag lang gespeichert. Bienen sind damit in ihrer Lerngeschwindigkeit Säugetieren eindeutig überlegen, die zum Lernen einer ähnlichen Aufgabe sehr viel mehr Belohnungen benötigen. Die molekularen Mechanismen der Gedächtnisbildung, die bei Insekten ganz ähnlich wie bei Säugetieren funktionieren, können deshalb an Bienen besonders gut analysiert werden. Mit der Fruchtfliege Drosophila können andererseits die Effekte von Genmutationen auf Lernen und Gedächtnis gezielt untersucht werden. Die Kombination von Experimenten mit Bienen und Fliegen ist deshalb ein Erfolg versprechender Weg, mit Insekten grundlegende Probleme der Neurobiologie zu lösen. Die Arbeitsgruppe von Prof. Joachim Erber vom Institut für Ökologie der Technischen Universität wird die physiologischen Grundlagen der Arbeitsteilung bei sozialen Insekten analysieren. Kolonien sozialer Insekten können einige Dutzend bis zu mehreren Millionen Individuen umfassen. In einem solchen Insektenstaat ist die Arbeitsteilung sehr gut organisiert. Es gibt Einzeltiere, die Brutfürsorge betreiben, andere Tiere bewachen die Kolonie oder sammeln Futter zur Ernährung der Nachkommen. Wir wissen inzwischen, dass individuelle Unterschiede in der sensorischen Empfindlichkeit mit der Übernahme von unterschiedlichen Aufgaben verbunden sind. Die sensorische Empfindlichkeit wiederum wird von Transmittern im Nervensystem und von Signalmolekülen in Neuronen gesteuert. Die Steuerung dieser molekularen Mechanismen und ihre Wirkung auf komplexes Verhalten sollen analysiert werden. Zur Überprüfung von Arbeitshypothesen wird auch bei diesen Arbeiten die Fruchtfliege verwendet, weil es viele Mutanten für spezifische Signalmoleküle gibt. Wir erwarten, dass wir damit grundlegende Strategien zur Arbeitsteilung in kooperativen Systemen aufklären können, die auch für technische Systeme von Bedeutung sein können. Prof. J. Erber,
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