"An den Hochschulen ist vieles optimierbar"

Finanzsenator Dr. Thilo Sarrazin sieht Chance zur Entwicklung effizienterer Strukturen


Thilo Sarrazin
Senator für Finanzen

Herr Sarrazin, Sie wollen 500 Millionen Euro Personalkosten im Berliner Haushalt sparen. Sind nicht die Universitäten von den Sparvorgaben doppelt betroffen? Schon in den Jahren nach dem Fall der Mauer mussten sich plötzlich drei Unis den Etat von bisher zweien teilen. Allein die TU Berlin hat in den letzten zehn Jahren mehr als 1100 Stellen abgebaut. Von den ehemals rund 600 Professorenstellen sind momentan noch 390 besetzt. Der akademische Mittelbau kann nur noch 80 Prozent der vorhandenen Stellen besetzen. Nun müssen die Angestellten des öffentlichen Dienstes den Gürtel vermutlich enger schnallen als ihre Kollegen im Bundesgebiet. Bei den anderen Universitäten sieht es nicht anders aus. Das schadet der Attraktivität der Hochschulen für hoch qualifizierte Arbeitskräfte, insbesondere im wissenschaftlichen Bereich, und führt auch zu Mindereinnahmen für die Stadt. Wie fließt das in Ihre Kalkulation ein?

Angesichts eines Schuldenbergs von über 47 Milliarden Euro, der quasi minütlich wächst, müssen wir in allen Bereichen Ausgabenkürzungen vornehmen. Ein Beispiel: Vergangenes Jahr hatte Berlin eigene Steuereinnahmen von rund 8,1 Milliarden Euro. Aber schon allein das unmittelbare Personal des Landes, also ohne die an den Hochschulen Beschäftigten, kostet 7,3 Milliarden Euro! Davon ist noch kein Buch für eine Universität angeschafft, kein Institut ausgestattet oder renoviert und kein öffentliches Verkehrsmittel finanziert worden, von anderen notwendigen Ausgaben ganz zu schweigen. Vor diesem Hintergrund hatte der Senat den Gewerkschaften ein attraktives Angebot unterbreitet, das im Prinzip einen befristeten Verzicht auf Tarifsteigerungen bei entsprechender Arbeitszeitverkürzung vorsah. Da sich die Gewerkschaften außerstande sahen, mit dem Land einen Solidarpakt abzuschließen, ist der Senat nun gezwungen, einseitige Maßnahmen zu ergreifen. Die Attraktivität Berliner Hochschulen wird hierdurch nicht geschmälert, die Stadt verliert auf diese Weise keine Einnahmen.

Nach dem Niedergang als Industriehauptstadt will man Berlin als Wissenschaftsstadt vermarkten. Die Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit ihren fachlichen Kapazitäten bieten alle Voraussetzungen für dieses Vorhaben. Kommen Sie mit Ihren Sparvorgaben nicht in Konflikt mit Ihrem Wirtschaftssenator Harald Wolf?

Ich kann Ihre erste Aussage nur bestätigen. Die Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit ihren fachlichen Kapazitäten bieten alle Voraussetzungen, Berlin als Wissenschaftsstadt zu vermarkten. Dafür sind die zur Verfügung gestellten Mittel aber mehr als auskömmlich. Entsprechend gibt es im Hochschulbereich Optimierungsmöglichkeiten. Wir begreifen die Finanzprobleme des Landes daher auch als Chance zur Entwicklung effizienterer und attraktiverer Strukturen. Die Hochschulen werden sich nämlich künftig verstärkt dem nationalen und internationalen Konkurrenzdruck stellen müssen. Was den Haushaltskonsolidierungskurs anbelangt, so ist sich der Senat einig, dass Berlin nur durch diszipliniertes Finanzverhalten die Chance auf Handlungsfähigkeit wiedererlangt.

Das Beamtentum ist in die Diskussion geraten. Neben den Lehrern sollten auch Universitätsprofessoren nicht verbeamtet sein. Wie schnell würde sich denn die Herausnahme dieser Gruppen aus dem Beamtentum finanziell, besonders im Berliner Haushalt, bemerkbar machen?

Nicht nur Berlin steht vor gewaltigen Aufgaben, die gesamte Republik befindet sich in einer Umbruchphase. Reformen sind notwendig, damit das Land wieder erfolgreicher wird. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, alle Möglichkeiten zu diskutieren. Dazu gehört auch die Frage, in welchen Bereichen das Beamtentum unabdingbar ist oder wo flexiblere Lösungen Verbesserungen auch im oben genannten Sinne der Konkurrenzfähigkeit bringen. Hier ginge es mehr um eine Diskussion, die sich mit Strukturveränderungen befasst. Eine unmittelbare Auswirkung auf den Berliner Haushalt kann so also nicht beantwortet werden.

Herr Senator, vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Patricia Pätzold


© TU-Pressestelle 2-3/2003 | TU intern | Impressum | Leserbriefe