Impulse für Berlin

Initiative "an morgen denken" legt Leitlinien vor
Teil 2: Leitlinien für ein neues Berliner Hochschulgesetz (BerlHG) und künftige Hochschulverträge

Die Initiative "an morgen denken", ein Zusammenschluss von Entscheidungsträgern der Berliner Wirtschaft und Wissenschaft, hat sich mit zwei Positionspapieren in die öffentliche Diskussion um die Standortentwicklung der Hauptstadt eingemischt. In der Dezember-Ausgabe der TU intern stellten wir die Leitlinien zur Entwicklung des Wirtschafts- und Wissenschaftsstandortes vor. Hier lesen Sie die wichtigsten Auszüge aus dem zweiten Papier: Die Initiative stellt fest, dass die Leistungsfähigkeit der Universitäten und Fachhochschulen eine wichtige Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit des Wissenschaftsstandorts ist. Die Hochschulen brauchen neue Handlungs- und Gestaltungsspielräume, um im Wettbewerb um Köpfe und Finanzmittel bestehen zu können. Die Politik müsse diese Spielräume gewähren und damit die Modernisierung der Hochschulen vorantreiben. Die Initiative "an morgen denken" fordert vom Gesetzgeber, in diesem Sinn das Berliner Hochschulgesetz (BerlHG) rasch zu novellieren und zugleich den Einfluss des Landes Berlin auf die Rahmengesetzgebung verstärkt zu nutzen. Das Landeshochschulgesetz soll an den Leitlinien einer konsequenten Entstaatlichung, der Einnahmendiversifizierung aller Institutionen, der Gewährung interner Organisationsfreiheit und einer umfassenden Dienstleistungsorientierung der Hochschulen ausgerichtet werden.

Leitlinien für ein neues Berliner Hochschulgesetz (BerlHG) und künftige Hochschulverträge

1 Die anstehende Novellierung des Hochschulgesetzes muss zum Ziel haben, die Chancen der Berliner Hochschulen im Wettbewerb um Wissenschaftler, Studierende und Finanzmittel zu erhöhen. Effiziente Strukturen und mehr Raum für Eigeninitiative und Engagement der Hochschulen sind dafür Grundvoraussetzungen. (...)

2 (...) Kompetenzen, die nach dem Hochschulrahmengesetz nicht notwendigerweise beim Land liegen, sollten den Hochschulen übertragen werden. Die Steuerung der Hochschulen durch das Land erfolgt über Hochschulverträge, in denen Ziel- und Leistungsvereinbarungen, Finanzzuweisungen und Controllingmechanismen festgelegt werden.

3 Neue Handlungs- und Gestaltungsspielräume der Hochschule werden dazu beitragen, bisher nicht ausgeschöpfte Leistungspotenziale zu wecken. Eine effiziente Verwaltung und klare Leitungsstrukturen, sachorientierte Mitwirkungsmöglichkeiten und vom Land garantierte Planungssicherheit sind hierfür wichtige Rahmenbedingungen. (...)

Neudefinition des Verhältnisses von Staat und Hochschule

4 Ziele
Das novellierte Hochschulgesetz definiert als Kernaufgaben der Hochschulen Lehre und Forschung sowie bei den Universitäten zusätzlich die Heranbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Im Hochschulgesetz wird zudem das Instrument der Hochschulverträge verankert. Es bedingt den Rückzug des Landes aus der Detailsteuerung der Hochschulen. (...)

5 Hochschulverträge
Alle über das Hochschulgesetz hinausgehenden gesellschaftlichen Ziele (zum Beispiel Wissenstransfer) und Zielvorgaben in Bezug auf fachliche Schwerpunkte (zum Beispiel Ausbau der Lebenswissenschaften) werden in Hochschulverträgen festgelegt. (...) Die Verträge werden zwischen der Senatsfachverwaltung und den Hochschulleitungen ausgehandelt.
(...)

6 Entwicklungsplanung
Die Hochschulentwicklungsplanung liegt bei den Hochschulen. Sie ist die Grundlage für die mit dem Land abzuschließenden Hochschulverträge und die damit verbundenen Zielvereinbarungen. Die Forschungsfreiheit der Wissenschaftler und die Entscheidungsautonomie der Studierenden bei ihrer Berufswahl stellen bei der Entwicklungsplanung wichtige Rahmenbedingungen dar.

7 Rechtsform
Das Hochschulgesetz sollte für die Berliner Hochschulen unterschiedliche Rechtsformen zulassen. Damit können Erfahrungen anderer Bundesländer, beispielsweise bei der Umwandlung staatlicher Hochschulen in Stiftungen, für Berlin genutzt werden.

Finanzierung der Hochschulen und Mittelverteilung

Die staatliche Finanzierung der Hochschulen ruht künftig auf drei Grundlagen. (...) Das Gesamtbudget für den Hochschulbereich muss dabei die Finanzierung von mindestens 85000 Studienplätzen sicherstellen.

8 Grundfinanzierung
Basis der Förderung der Hochschulen ist eine leistungsunabhängige Grundfinanzierung, die zwischen den Hochschulen und der Senatsfachverwaltung ausgehandelt wird. Die Höhe der Grundfinanzierung sollte den Hochschulen über einen Zeitraum von acht bis zehn Jahren vertraglich zugesichert werden. (...)

9 Leistungsabhängige Förderung
Daneben steht die leistungsabhängige Finanzierung der Forschung, des Studienangebots und von Maßnahmen zur Umsetzung gesellschaftlicher Ziele in den Hochschulen, beispielsweise der Internationalisierung. (...) Grundlage sollten hier Zusatzverträge zwischen dem Land und den Hochschulen sein. (...)

10 Studienkonten und Studienentgelte
Die Finanzierung des Lehrbetriebs sollte an der tatsächlichen Nachfrage der Studierenden ausgerichtet werden, beispielsweise nach einem Studienkonten-Modell: Studierende erhalten dafür ein Studienkonto mit einem Guthaben an Semesterwochenstunden. (...) Zur Finanzierung sollten die Hochschulen darüber hinaus in die Lage versetzt werden, Studienentgelte erheben zu dürfen. Zugleich müssen Vorkehrungen getroffen werden, die eine soziale Diskriminierung verhindern.

11 Einnahmendiversifizierung
Das novellierte BerlHG hat die Voraussetzungen für einen gezielten Vermögensaufbau der Hochschulen zu schaffen. Ziel ist die langfristige Erschließung zusätzlicher Finanzierungsquellen (...). Hochschulen sollten zudem Stiftungen und Schenkungen unternehmerisch verwalten können. (...)

12 Gebäude- und Flächenmanagement
Die von den Hochschulen genutzten Flächen im Eigentum der öffentlichen Hand werden den Hochschulen übertragen. Werden Hochschulimmobilien verkauft, hat das Land ein Vorkaufsrecht. Die Hochschulen sorgen für Transparenz gegenüber dem Land. (...) Effizienzgewinne durch ein verbessertes Gebäude- und Flächenmanagement verbleiben in den Hochschulen. (...)

13 Mittelzuweisung
Die Feststellung des Hochschulhaushaltes erfolgt durch ein Hochschulorgan. Es erfolgt eine globale Mittelzuweisung des Landes. Zwischen den Ausgabenarten ist eine umfassende gegenseitige Deckungsfähigkeit zu garantieren. Mittel sind übertragbar, und die Rücklagenbildung ist möglich. Auf Stellenpläne wird verzichtet. Soweit sie für die Anstellung von Beamten unverzichtbar sind, legen die Hochschulen die Stellenpläne fest.

Vertragscontrolling und Rechtsaufsicht

14 Vertragscontrolling
Die Aufgabe der Senatsfachverwaltung besteht im Wesentlichen im Controlling der Hochschulverträge. Hierzu legen die Hochschulen bis Ende April jeden Jahres einen Rechenschaftsbericht vor. (...)

15 In der Senatsfachverwaltung sind die organisatorischen Voraussetzungen für ein effizientes Vertragscontrolling zu schaffen. (...)

16 Rechtsaufsicht
(...) ist auf das unbedingt Notwendige zu reduzieren. (...) ist sicherzustellen, dass die Rechtsaufsicht und die damit verbundenen Verfahren nicht zu einer inhaltlichen Steuerung der Hochschulen missbraucht werden.

Innere Organisation der Hochschulen

17 Satzungsrecht
Die Hochschulen entscheiden frei über ihre innere Organisation. Damit finden die positiven Erfahrungen mit der so genannten Experimentierklausel ihren Niederschlag im Gesetz. (...)

18 Grundmodell
Das novellierte BerlHG sollte ein beispielhaftes Grundmodell (...) bereithalten. Dieses sichert (...) die Selbststeuerungsfähigkeit der Hochschule.

19 Hochschulleitung
Die Hochschulleitung erhält (...) eine doppelte Legitimation durch die Einbindung eines Aufsichtsgremiums (zum Beispiel Kuratorium in alter oder neuer Form) und des verfassungsgebenden Hochschulgremiums (zum Beispiel Konzil, Großer Senat). Bei der Hochschulleitung liegen alle operativen Entscheidungen, sie ist zuständig für die Stellen- und Mittelvergabe. (...)

20 Fakultäts-/Fachbereichsebene
(...) Dekane (...) erhalten eine doppelte Legitimität durch die Einbindung der Fakultät beziehungsweise des Fachbereichs und der Hochschulleitung. (...)

21 Studierendenschaft
Die Studierenden sollten über die Form einer gestuften Repräsentanz, ausgehend von der Fakultäts- beziehungsweise Fachbereichsebene, in den Hochschulgremien vertreten sein. (...)

22 Hochschulmedizin
Moderne Hochschulklinika gleichen großen Dienstleistungsunternehmen. (...) Medizinische Forschung und Lehre bleiben weitgehend öffentliche Aufgaben, während die Krankenversorgung privatwirtschaftlich zu organisieren ist. Eine entsprechend getrennte Rechnungslegung sorgt für eine verursachungsgerechte Kostenzuteilung. (...)

Organisation der Wissenschaft, Personal

23 Lehre und Studium
(...) Die Qualität neuer Studienangebote wird durch Akkreditierung gesichert, die Genehmigung durch die Senatsfachverwaltung entfällt.

24 Hochschulzugang
Die Hochschulen erhalten das Recht, ihre Studierenden selbst auszuwählen. Sie legen die Auswahlkriterien selbst fest. (...)

25 Dienstherrenfunktion
Die Hochschule ist Dienstherr und Arbeitgeber. Als solche haben die Hochschulen das Recht, sich von einem selbst ausgewählten Arbeitgeberverband vertreten zu lassen. (...)

26 Berufungen
(...) Den Hochschulen ist daher das Recht einzuräumen, Professoren selbst zu berufen. Die Ruferteilung sollte durch den Präsidenten erfolgen. (...)

Qualitätsentwicklung und Dienstleistungsorientierung

(...)
27 Kontinuierliche Qualitätssicherung
(...) Hierzu gehört der Aufbau eines akademischen Controllings, die Evaluierung von Lehre, Nachwuchsförderung und wissenschaftlicher Weiterbildung sowie die Definition und Anpassung von internen Leistungsindikatoren.

28 Interne Steuerung
Effiziente Abläufe innerhalb der Hochschulen werden sichergestellt durch eine konsequente Zusammenführung von Verantwortung und Zuständigkeit, die Einführung einer Kosten- und Leistungsrechnung, den Abschluss von Zielvereinbarungen zwischen der Leitungsebene und den wissenschaftlichen Einheiten sowie der Verwaltung und durch den Aufbau eines Berichtswesens. Mit der Leistungsbewertung muss sich eine Leistungshonorierung verbinden.

29 Serviceorientierung
Effiziente Organisationsstrukturen müssen sich in einem Mentalitätswechsel (...) spiegeln. Die umfassende Serviceorientierung wird durch entsprechende Anreizsysteme gestärkt.

Bundesweite Abstimmungen

30 Studienkonten
(...). In Bezug auf ein Studienkontenmodell ist eine bundesweit vergleichbare Regelung anzustreben, um über die gegenseitige Anerkennung der Studienkonten einen Wettbewerb der Bundesländer um die Studierenden zu ermöglichen.

31 Hochschulrahmengesetz
(...) Hier sollte Berlin eine aktive Rolle einnehmen.

32 Stiftungsrecht
(...) Vereinfachungen sollen für Hochschulen und Forschungseinrichtungen insbesondere im Bereich der Mehrwertsteuer, gegebenenfalls auch im Bereich der Körperschaftssteuer geschaffen werden.

Den Gesamttext finden Sie im Internet:
www.an-morgen-denken.de

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