TU intern
5/2003 als
pdf-Datei
(1,4 MB)
Nr. 5, Mai 2003
 Themenseiten 
Titel
Inhalt
Aktuell
Lange Nacht der
Wissenschaften
Lehre & Studium
Forschung
50 Jahre DNA
Internationales
Menschen
Vermischtes
Leserbriefe
Impressum
TU-Homepage

Düsenjäger donnerten übers TEL-Haus

30 Jahre Kooperation mit Polen - Kontakte hielten auch in stürmischen Zeiten

Am 1. Mai 2004 werden zehn osteuropäische Länder EU-Mitglieder. Neue Möglichkeiten werden sich auch für die Hochschulen eröffnen. Die TU Berlin pflegt - zum Teil schon recht lange - diverse Kontakte zu osteuropäischen Universitäten. In loser Folge wollen wir Ihnen an dieser Stelle einige vorstellen. Zum Auftakt erzählen der emeritierte TU-Professor der Verfahrenstechnik Heinz Brauer und Professor Michal Dylag, der die Verfahrenstechnik an der Politechnika Krakowska vertritt, TU intern die Geschichte der Kooperation mit der Universität Krakau, die vor 30 Jahren begann und die durch persönlichen Einsatz der Beteiligten auch stürmische Zeiten überstand.

 
Michal Dylag  

Prof. Brauer: Im Jahr 1958 - ich war noch wissenschaftlicher Mitarbeiter im Max-Planck-Institut für Strömungsforschung in Göttingen - besuchte mich der polnische Professor Sawistowski aus England. Wir hatten beide während des Krieges an den drei Schlachten um Monte Cassino in Italien teilgenommen, wie sich herausstellte. Ein stilles "Frontsoldaten"-Verstehen stellte sich sofort zwischen uns ein. Er hatte nach dem Krieg nicht nach Polen zurückkehren können und war am Imperial College of Science in England Professor geworden. Diese Verbindung führte später zu weiteren Beziehungen nach Polen.

Prof. Dylag: An einem Montag, dem 8. Oktober 1972, stellte ich mich bei Professor Brauer als Humboldt-Stipendiat vor. Ich hatte viel Respekt, denn er war damals bereits eine bekannte Größe in der Verfahrenstechnik. Es berührte mich zutiefst, als er mir bei einem längeren Gespräch zu verstehen gab, er werde mich im Falle politischer Schwierigkeiten in meiner Heimat selbstverständlich unterstützen. Immerhin befanden wir uns mitten im Kalten Krieg. Über das Telefunkenhochhaus donnerten noch russische Düsenjäger. Am nächsten Tag stand ich bereits im Labor.

 
  Heinz Brauer

Prof. Brauer: Ich kannte die Schwierigkeiten auch von anderen Stipendiaten aus osteuropäischen Staaten, aus Bulgarien oder Rumänien. Immer vorausgesetzt, dass die wissenschaftliche Qualifikation stimmt, läuft aber auch in der Wissenschaft vieles über persönliches Verstehen, insbesondere bei Schwierigkeiten wie hier bei den politischen Ost-West-Problemen. Nach seiner Rückkehr nach Krakau - Michal Dylag war 24 Monate in Berlin geblieben, habilitierte und wurde dann in Polen berufen - arrangierte er also ein Gespräch mit dem Rektor der dortigen Technischen Universität.

Prof. Dylag: Ab sofort wurden alle zwei Jahre wechselseitig Seminare veranstaltet. Im nächsten Jahr, 2004, findet bereits das 15. statt, ein Jubiläum. Begutachtungen von Doktorarbeiten fanden statt, Professor Brauer initiierte einen gemeinsamen, mittlerweile seit elf Jahren laufenden Aufbaustudiengang "Umweltschutz", zwei internationale Kongresse fanden statt. Ferner wurde die Politechnika Krakowska in das von Prof. Brauer aufgebaute Europastudium eingeschlossen.

Prof. Brauer: Polnische Studierende können ihre Diplomarbeiten hier schreiben, es gibt jetzt ein Doppeldiplomabkommen. Und noch weitere europäische Verbindungen haben wir bewirkt: Wir Professoren waren oft zu deutsch-polnischen Studentenhochzeiten eingeladen. Das zeigte uns auch, dass wir erfolgreich waren. Zudem waren wir stolz, dass unsere Absolventinnen und Absolventen immer sofort Anstellungen bekamen.

Prof. Dylag: Das ganze Werk wäre auch nicht möglich gewesen, wenn nicht alle amtierenden Präsidenten der Politechnika Krakowska diese Kooperation mitgetragen hätten. Denn bis 1984 lief ja alles inoffiziell, ohne behördliche Genehmigung.

Prof. Brauer: Es hatten sich auch gute Kontakte zur polnischen Militärmission ergeben, was vieles vereinfachte. Zum Beispiel konnten wir leichter die für die Forschung benötigten Geräte nach Polen schaffen, nämlich mit diplomatischer Post.

Prof. Dylag: Meine Universität hat Professor Heinz Brauer und seiner Frau, die für uns immer ein offenes Haus hatte und auch selbst aktiv wurde (TU intern, April 2003), vieles zu verdanken. 1988 verlieh ihm die Universität zu Krakau dafür die Ehrendoktorwürde sowie einige Jahre später weitere Auszeichnungen.

Patricia Pätzold

Heute wird die Kooperation auf TU-Seite von Prof. Dr.-Ing. Günter Wozny, Institut für Prozess- und Anlagentechnik, weitergeführt.

© TU-Pressestelle 5/2003 | TU intern | Impressum | Leserbriefe