Düsenjäger donnerten übers TEL-Haus
30 Jahre Kooperation mit Polen - Kontakte hielten auch in stürmischen
Zeiten
Am 1. Mai 2004 werden zehn osteuropäische Länder EU-Mitglieder.
Neue Möglichkeiten werden sich auch für die Hochschulen
eröffnen. Die TU Berlin pflegt - zum Teil schon recht lange
- diverse Kontakte zu osteuropäischen Universitäten. In
loser Folge wollen wir Ihnen an dieser Stelle einige vorstellen.
Zum Auftakt erzählen der emeritierte TU-Professor der Verfahrenstechnik
Heinz Brauer und Professor Michal Dylag, der die Verfahrenstechnik
an der Politechnika
Krakowska vertritt, TU intern die Geschichte der Kooperation
mit der Universität Krakau, die vor 30 Jahren begann und die
durch persönlichen Einsatz der Beteiligten auch stürmische
Zeiten überstand.
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Michal Dylag |
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Prof. Brauer: Im Jahr 1958 - ich war noch wissenschaftlicher
Mitarbeiter im Max-Planck-Institut für Strömungsforschung
in Göttingen - besuchte mich der polnische Professor Sawistowski
aus England. Wir hatten beide während des Krieges an den drei
Schlachten um Monte Cassino in Italien teilgenommen, wie sich herausstellte.
Ein stilles "Frontsoldaten"-Verstehen stellte sich sofort
zwischen uns ein. Er hatte nach dem Krieg nicht nach Polen zurückkehren
können und war am Imperial College of Science in England Professor
geworden. Diese Verbindung führte später zu weiteren Beziehungen
nach Polen.
Prof. Dylag: An einem Montag, dem 8. Oktober 1972, stellte
ich mich bei Professor Brauer als Humboldt-Stipendiat vor. Ich hatte
viel Respekt, denn er war damals bereits eine bekannte Größe
in der Verfahrenstechnik. Es berührte mich zutiefst, als er
mir bei einem längeren Gespräch zu verstehen gab, er werde
mich im Falle politischer Schwierigkeiten in meiner Heimat selbstverständlich
unterstützen. Immerhin befanden wir uns mitten im Kalten Krieg.
Über das Telefunkenhochhaus donnerten noch russische Düsenjäger.
Am nächsten Tag stand ich bereits im Labor.
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Heinz Brauer |
Prof. Brauer: Ich kannte die Schwierigkeiten auch von anderen
Stipendiaten aus osteuropäischen Staaten, aus Bulgarien oder
Rumänien. Immer vorausgesetzt, dass die wissenschaftliche Qualifikation
stimmt, läuft aber auch in der Wissenschaft vieles über
persönliches Verstehen, insbesondere bei Schwierigkeiten wie
hier bei den politischen Ost-West-Problemen. Nach seiner Rückkehr
nach Krakau - Michal Dylag war 24 Monate in Berlin geblieben, habilitierte
und wurde dann in Polen berufen - arrangierte er also ein Gespräch
mit dem Rektor der dortigen Technischen Universität.
Prof. Dylag: Ab sofort wurden alle zwei Jahre wechselseitig
Seminare veranstaltet. Im nächsten Jahr, 2004, findet bereits
das 15. statt, ein Jubiläum. Begutachtungen von Doktorarbeiten
fanden statt, Professor Brauer initiierte einen gemeinsamen, mittlerweile
seit elf Jahren laufenden Aufbaustudiengang "Umweltschutz",
zwei internationale Kongresse fanden statt. Ferner wurde die Politechnika
Krakowska in das von Prof. Brauer aufgebaute Europastudium eingeschlossen.
Prof. Brauer: Polnische Studierende können ihre Diplomarbeiten
hier schreiben, es gibt jetzt ein Doppeldiplomabkommen. Und noch
weitere europäische Verbindungen haben wir bewirkt: Wir Professoren
waren oft zu deutsch-polnischen Studentenhochzeiten eingeladen.
Das zeigte uns auch, dass wir erfolgreich waren. Zudem waren wir
stolz, dass unsere Absolventinnen und Absolventen immer sofort Anstellungen
bekamen.
Prof. Dylag: Das ganze Werk wäre auch nicht möglich
gewesen, wenn nicht alle amtierenden Präsidenten der Politechnika
Krakowska diese Kooperation mitgetragen hätten. Denn bis 1984
lief ja alles inoffiziell, ohne behördliche Genehmigung.
Prof. Brauer: Es hatten sich auch gute Kontakte zur polnischen
Militärmission ergeben, was vieles vereinfachte. Zum Beispiel
konnten wir leichter die für die Forschung benötigten
Geräte nach Polen schaffen, nämlich mit diplomatischer
Post.
Prof. Dylag: Meine Universität hat Professor Heinz
Brauer und seiner Frau, die für uns immer ein offenes Haus
hatte und auch selbst aktiv wurde (TU intern, April
2003), vieles zu verdanken. 1988 verlieh ihm die Universität
zu Krakau dafür die Ehrendoktorwürde sowie einige Jahre
später weitere Auszeichnungen.
Patricia Pätzold
Heute wird die Kooperation auf TU-Seite von Prof. Dr.-Ing. Günter
Wozny, Institut
für Prozess- und Anlagentechnik, weitergeführt.
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