Künstliche Gewitter in Preußens Arkadien
Auch der Kaiser ließ sich von Adolf Slaby belehren
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Adolf Slabys Grabstätte
auf dem Luisenkirchhof II in Charlottenburg |
Viele bedeutende Persönlichkeiten, deren Lebensleistung
mit der Technischen Universität Berlin oder einer ihrer Vorgängereinrichtungen
in Verbindung steht, haben ihre letzte Ruhestätte in Berlin
gefunden. In loser Folge stellen wir hier einige Orte des Andenkens
vor. Dabei sollen Geschichte und Geschichten über bekannte
und weniger bekannte Naturwissenschaftler, Techniker und Wissenschaftsmanager
erzählt werden, die in ihrer Zeit zum Ruf Berlins als einer
Metropole der Kultur, des Wissens und der Ingenieurkunst beigetragen
haben. Prof. Dr. Adolf Slaby (1849-1913) eröffnet den Reigen.
Am 6. April vor 90 Jahren starb Adolf Slaby, ein Pionier der Funktechnik.
Als Hochschullehrer der TH Berlin engagierte er sich für die
Gleichstellung der technischen Hochschulen mit den Universitäten,
die 1899 das Promotionsrecht erhielten, und für die gebührende
gesellschaftliche Anerkennung der Ingenieure.
Slaby, 1849 als Sohn eines Buchbinders in Berlin geboren, studierte
an der Gewerbeakademie Mathematik und Maschinenbau. Seinen Lebensunterhalt
aber verdiente er sich als Hauslehrer im Hause des Maschinenfabrikanten
Louis Schwartzkopff. Fasziniert von den Erfindungen Werner von Siemens'
wandte er sich, nachdem er 1873 in Jena promoviert, später
in Potsdam Mathematik und Mechanik gelehrt und sich 1876 habilitiert
hatte, der neuen Fachrichtung "Elektrotechnik" zu.
Ab 1883 baute Slaby als neuer Ordentlicher Professor an der TH
Berlin den ersten Lehrstuhl für Elektrotechnik auf. Theoretische
Reflexion verband er stets mit praktischem Experimentieren, was
ihn zur Gründung des elektrotechnischen Laboratoriums an der
TH veranlasste. Dort machte er viele Ingenieurgenerationen mit der
Elektrotechnik und ihrer Anwendung vertraut. Dreißig Jahre
lang beeindruckte er seine Zeitgenossen als passionierter Hochschullehrer
und genialer Experimentator. Auch der technikbegeisterte Kaiser
hatte ein Faible für den Professor und ließ sich gern
von ihm belehren.
Dennoch war es die drahtlose Telegrafie, die "Funkentelegrafie",
wie man damals sagte, die Slaby legendär machte. Wie jede gute
Legende begann auch diese allerdings mit einem Fiasko. Slaby wollte
seine funktechnischen Versuche wegen Erfolglosigkeit gerade beenden,
als er im Juni 1897 Zeuge eines erfolgreichen funktelegrafischen
Experiments in England wurde. Dem jungen Ingenieur Marconi gelang
es, über mehrere Kilometer hinweg Morsezeichen drahtlos zu
senden und zu empfangen. Das stachelte Slabys Forscherehrgeiz neu
an. Zunächst versuchte er eine drahtlose Funkstrecke zwischen
der TH und einer 500 m entfernten Fabrik herzustellen. Das Vorhaben
glückte. Da Slabys Funkversuch aber mit Funken - also einem
künstlichen Gewitter - verbunden war, fielen in der Gegend
alle Telefonverbindungen aus. Außerdem erfuhr Slaby, dass
Marconi im Juli 1897 eine 16-Kilometer-Strecke funktechnisch überbrückt
hatte. Das war Weltrekord! Sollte er resignieren?
Wieder kam Slaby der Zufall zu Hilfe. Als er dem Kaiser über
seine Funkversuche berichtete, entschied Wilhelm II., die Sache
müsse jetzt mit Hochdruck fortgesetzt werden. Als Übungsgelände
stellte er das Havelufer bei Potsdam und die umliegenden Königlichen
Gärten zur Verfügung. Das preußische Arkadien sollte
nun Tatort einer Aufholjagd werden. Im August gelang es Slaby und
seinen Helfern, vom Turm der Sacrower Heilandskirche über eine
Distanz von 1,6 km eine drahtlose Funkverbindung herzustellen, und
im Herbst 1897 übertrafen sie Marconis Weltrekord mit einer
neuen Distanz von 21 km, von Rangsdorf bis zum Tempelhofer Feld.
Adolf Slaby starb nur ein Jahr nach seiner Emeritierung. Sein Grab
befindet sich auf dem Luisenkirchhof II in Berlin-Charlottenburg.
Hans Christian Förster
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