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"Wissenschaft ist kein Luxus, sondern pure Notwendigkeit"

Interview mit Hans-Gerhard Husung, Berlins neuem Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung

 
  Hans-Gerhard Husung, Berlins neuer Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung

Acht Monate war der Posten des Staatssekretärs für Wissenschaft und Forschung in Berlin verwaist. Dr. Hans-Gerhard Husung, Sozialdemokrat und ehemaliger Präsident der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg, übernahm nun das vakante Amt. TU intern sprach mit ihm über seine Vorhaben und Ziele.

Herr Husung, Ihr Vorgänger trat zurück aus Protest gegen den Sparkurs des Senats. Warum haben Sie den Posten des Staatssekretärs angenommen? Die finanzielle Situation ist ja nicht besser geworden.

Der Reichtum Berlins an klugen Köpfen und exzellenten Einrichtungen im Hochschulbereich und in der außeruniversitären Forschung hat mich motiviert, über das Angebot positiv nachzudenken. Irgendwann kam auch die Einschätzung: Bangemachen gilt nicht.

Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?

Ich würde gern gemeinsam mit den Hochschulen Antworten entwickeln auf die Frage, wo sollen Wissenschaft und Forschung im Jahre 2010 in der Stadt stehen. Die Antwort auf diese Frage muss uns leiten, wenn wir über Hochschulverträge verhandeln, denn sie sollen bis 2009 Gültigkeit haben. Es muss uns gelingen, die enorme Leistungskraft der Hochschulen bei den Bürgerinnen und Bürgern so zu verankern, dass alle davon überzeugt sind, dass Wissenschaft kein Luxus ist, sondern pure Notwendigkeit für diese Stadt und für ihren künftigen Wohlstand.

Und wo muss die Wissenschaft in Berlin im Jahre 2010 stehen?

Sie muss in einem noch stärkeren Maße ihre veränderte gesellschaftliche und wirtschaftliche Funktion anerkennen - nämlich Inkubator und Treiber von Innovationsprozessen sowie Bildungs- und Ausbildungsstätte für 40 % eines Altersjahrgangs zu sein. In noch stärkerem Maße müssen Ergebnisse von Wissenschaft dazu beitragen, Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern. Eine kurzschlüssige Reduzierung von Wissenschaft auf ausschließlich materielle Wertschöpfungsketten meine ich damit aber nicht. Das möchte ich betonen. Ich schließe ausdrücklich die Geistes- und Kulturwissenschaften ein. Das kulturelle Kapital, das durch Wissenschaft bereichert und gefördert und durch Teilhabe gestaltet wird, ist in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen. Gerade in einer Metropole wie Berlin haben Geistes- und Kulturwissenschaften eine enorme Bedeutung für das Image der Stadt. Eine Hauptstadt ohne ein reiches Reservoir an interkultureller Kompetenz kann ich mir nicht vorstellen. Gerade die Geistes- und Kulturwissenschaften können für Berlin viel beitragen, sie müssen ihre Bereitschaft dazu noch stärker zeigen.

Wie weit kann in der Berliner Wissenschafts- und Hochschullandschaft angesichts der Herausforderungen noch gespart werden? Ist mit Ihnen noch mehr sparen drin?

Ich gehe davon aus, dass die jetzt vertraglich abgesicherten Planungsbudgets halten. Diese Budgets werden unvermeidlich dazu führen, dass man in den Hochschulen nicht mehr alles das wird machen können, was man bisher getan hat. Die Vielfalt im Sinne von Doppelangeboten, das ist wahr, muss planvoll überdacht werden, profilierte Schwerpunktsetzungen und übergreifende Verbünde sind notwendig, die die vorhandenen Potenziale zur Entfaltung bringen. Aber Planungsbudgets in dieser Größenordnung verhindern nicht per se Qualität, wie das CHE-Forschungsranking zeigt. Exzellenz unter restriktiven Rahmenbedingungen ist möglich. Das möchte ich aber nicht als Aufforderung zu weiterer Askese verstanden wissen wollen..

Ist es etwas, was Sie sich nicht zu denken verbieten, aus drei Berliner Universitäten zwei zu machen?

Abstraktes Denken finde ich immer eine reizvolle intellektuelle Herausforderung. In der Position, in der ich mich beruflich befinde, muss ich aber an die Umsetzbarkeit und an das Naheliegende denken, und da gehört das im Moment nicht dazu. Wenn Sie aber die Frage stellten, ob die Volluniversität ein dauerhaftes Leitbild sein kann, dann würde ich zu bedenken geben, dass die Hochschulrektorenkonferenz den notwendigen Abschied von der Volluniversität im traditionellen Sinn vor einiger Zeit festgestellt hat. Es lohnt sich also, über diese Frage nachzudenken. Es gibt durchaus international sehr wettbewerbsfähige Hochschulsysteme, die sich als integriertes Gesamtsystem verstehen und die "Voll-Universität" in einer Weise realisieren, wie es eine einzelne Hochschule allein kaum könnte.

Wird es bei den verteilten Sparsummen auf die drei Universitäten bleiben?

Ich habe mir in den letzten Tagen die Berechnungsgrundlagen noch einmal vergegenwärtigt, die die Basis für diese Festlegungen waren. Sie sind sehr plausibel. Und im Übrigen gilt: Pacta sunt servanda - Verträge müssen eingehalten werden.

Das Gespräch führte Sybille Nitsche

 

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