Verwundet, vertrieben und geehrt: Nobelpreisträger Gustav
Hertz
Der Physiker verband angewandte Forschung genial mit Grundlagen
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Das Grab von Gustav Hertz
auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg |
Er war der einzige von neun namhaften, von den Nazis aus ihren
Ämtern vertriebenen Wissenschaftlern der TH Berlin, der Diktatur
und Krieg in der Reichshauptstadt überlebte. Nach 1945 verschwand
er zusammen mit anderen deutschen Wissenschaftlern - quasi als "wissenschaftliches
Beutegut" - für einige Jahre in der UdSSR. Heute trägt
der Nachwuchspreis für Naturwissenschaftler den Namen des Physikers
Gustav Hertz.
Das beginnende 20. Jahrhundert brachte eine Revolution der Physik,
an der auch der junge Hertz, geboren 1887 und Neffe des berühmten
Physikers Heinrich Hertz, teilhaben sollte. Er studierte Mathematik
und Physik in Göttingen, München und schließlich
in Berlin, wo er 1911 bei Professor Heinrich Ruben promovierte.
Der junge, theoretisch und experimentell begabte Hertz wurde Assistent
am Physikalischen Institut der Berliner Universität. Dort lernte
er James Franck kennen, mit dem zusammen er 1913 den berühmten
Franck-Hertz-Versuch durchführte. Für dieses experimentelle
Elektronenstoßverfahren, das wichtige Grundannahmen des Bohr'schen
Atommodells bestätigte, erhielten die beiden später, 1926,
den Nobelpreis.
Nach Fronteinsatz, Verwundung, Habilitation 1917 sowie einer Tätigkeit
am damals modernsten Laboratorium von Philips in Eindhoven (1920-26)
erfolgte ein Ruf erst nach Halle und 1927 an die TH Berlin, wo soeben
der Neubau des physikalischen Instituts entstand. Hertz arbeitete
an der Isotopentrennung. An seinen Kolloquien nahmen auch Physiker
aus der Berliner Industrie teil. Hertz verstand es, angewandte und
Grundlagenforschung eng zu verbinden und auch noch als Hochschullehrer
zu glänzen. Er lehrte seine Schüler Unerbittlichkeit gegen
das Wegdiskutieren von gedanklichen Schwierigkeiten und die Fähigkeit,
abstrahierendes Wissen mit den Erfordernissen der Praxis zu verbinden.
1934 verweigerte Hertz, inzwischen von den Nazis zum "Halbjuden"
gestempelt, den Eid auf Hitler und legte sein Ordinariat nieder.
Bei der Firma Siemens baute er mit vier jungen Ingenieuren ein Forschungslaboratorium
auf und realisierte zwischen 1935 und 1945 wichtige Projekte zur
Halbleitertechnik, zu Ultraschall und Photoeffekt.
1945 kam Hertz "auf Einladung der Sowjetregierung" -
wie es beschönigend hieß - in die UdSSR. Wegen seiner
Kenntnisse über Isotopentrennung arbeitete Hertz als Institutsdirektor
mit weiteren deutschen "Spezialisten" in der sowjetischen
Atomforschung. Ein 1992 erschienenes Buch nähert sich dieser
wenig erforschten Materie. 1954 kehrte Hertz nach Deutschland zurück,
an die Leipziger Universität. 1957 solidarisierte er sich mit
Heisenbergs "Göttinger Appell" gegen atomare Bewaffnungspläne.
Hoch geehrt und als Mitglied vieler Akademien starb Gustav Hertz
88-jährig am 30.10.1975 in Berlin. Seine letzte Ruhe fand er
im Hertz'schen Familiengrab auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg.
Hans Christian Förster
Die Spezialisten. Deutsche Naturwissenschaftler
und Techniker in der Sowjetunion nach 1945. Dietz-Verlag, Berlin
1992, ISBN 3-320-01788-8 |
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