Arbeitstreffen in der Kaffeeküche
Als Humboldt-Stipendiat an einer amerikanischen Spitzenuniversität
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Die Aufsehen erregende Skyline
von Columbus bildete die Kulisse für Rainer Mautz' Studien
an der Ohio State University |
Als frisch promovierter Geodät machte ich mich im Januar
2002 mit einem Forschungsstipendium der Alexander
von Humboldt-Stiftung für zwei Jahre auf den Weg in die
Vereinigten Staaten, an die Ohio-
State University (OSU). Mit knapp 60000 eingeschriebenen Studenten
und 34000 Angestellten ist sie eine der größten Universitäten
der Welt. Zwischen den 863 Universitätsgebäuden kommt
man sich zunächst verloren vor, von der "kleinen"
TU Berlin kommend, mit nur rund 100 Gebäuden, einem Achtel
des Budgets, einem Fünftel des Personals und halb so vielen
Studierenden. Wir Geodäten vermessen die Erdoberfläche
und ihre Objekte bezogen auf das Erdschwerefeld.
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Rainer Mautz |
An der OSU besteht die engere geodätische Arbeitsgruppe aus
drei Professoren, fünf Forschern - meist Stipendiaten - und
zwanzig graduierten Studierenden. Als Neuling wollte ich das System
der Neuen Welt kennen lernen und die mir bekannte Berliner Struktur
aus dem Kopf verbannen. Doch es kam anders.
Mein Professor ließ mich erst einmal von meinen Erfahrungen
in der Arbeitsgruppe am Institut
für Geodäsie und Geoinformationstechnik erzählen.
Als ich unsere Berliner Arbeitstreffen in der Kaffeeküche erwähnte,
musste ich davon genauer berichten. Regelmäßige Arbeitstreffen
gab es bei ihm nicht. Ein jeder forschte bislang weitgehend für
sich im stillen Kämmerlein und lieferte dann die Resultate
an ihn als Koordinationsstelle ab, was ihn überlastete. Nach
dem Berliner Vorbild sollte ich von nun an ein wöchentliches
Treffen organisieren. Im Basement wurde spontan ein Raum dafür
hergerichtet, und per E-Mail wurden alle eingeladen. Der revolutionäre
Charakter des Treffens wurde sofort klar: Die meisten kannten sich
untereinander nicht. Der Dienstagnachmittag wurde zum Gruppentreffen
mit Kurzvorträgen und Diskussionen über aufgetretene Probleme.
Heute - zwei Jahre später - sind diese Treffen am geodätischen
Institut der OSU zu einer wichtigen Institution geworden. Nicht
alles ist eben "Made in USA".
Wie kam ich zu dem begehrten Stipendium? In meiner Dissertationsschrift
wurde ein neues Verfahren zur Frequenzanalyse abgehandelt. Die gebräuchlichen
Spektralverfahren verwenden künstliche Frequenzen mit ganzzahligen
Frequenzverhältnissen. Erstmals gelang nun die exakte Rekonstruktion
beliebiger Frequenzen in Zeitreihen; diese orientieren sich an der
physikalischen Realität der Daten und müssen nicht im
Voraus bekannt sein. Das Interesse an der Arbeit schlug größere
Wellen. Mein zukünftiger Gastgeber Professor Burkhard Schaffrin
aus den USA wies mich dann auf die Alexander von Humboldt-Stiftung
hin, die meinen Antrag ohne Probleme bewilligte.
Die Geodäsie an der OSU zeichnet sich unter anderem durch
Spitzenforschung in der Altimetrie aus. Die Satellitendaten werden
hierbei von systematischen Fehlern befreit und dann Meereshöhen
oder Veränderungen des Landeises berechnet, die wiederum Indikatoren
für den globalen und regionalen Meeresanstieg sind. Mein neues
Verfahren war von großer Bedeutung bei der Eliminierung von
periodischen Störeinflüssen wie beispielsweise der Ozeangezeiten.
Die amerikanische Geodäsie am OSU ist sehr praktisch ausgerichtet.
Es gilt, möglichst schnell fertige Produkte an die Anwender
zu liefern. An der TU Berlin steht die Entwicklung der Methodik
im Vordergrund - auch hier sei dem Team der Berliner Kaffeerunde
gedankt: Nichts ist so praktisch wie eine gute Theorie.
Nach zwei Jahren Stipendiatenzeit und hervorragender gegenseitiger
Ergänzung wird unsere Kooperation nun weitergehen. Schon für
diesen Sommer hat sich Professor Schaffrin aus den USA zu einem
Arbeitsbesuch an unserem Institut an der TU Berlin angesagt.
Dr.-Ing. Rainer Mautz
www.geodesy.tu-berlin.de
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