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Nr. 2-3, Februar/März 2004
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Fünf ziemlich verrückte Alte

Interview mit der österreichischen Schriftstellerin Doris Mayer, die zu dem SENTHA-Forschungsprojekt einen Roman schrieb

 
  Doris Mayer wurde 1958 geboren. Sie studierte Schauspiel, stand in zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen vor der Kamera und in Wien auf der Bühne. Seit 1997 arbeitet sie als freischaffende Autorin. Bisher erschienen von ihr unter anderem die Romane "Machalan" und "VaterMorgana"

Forschungsberichte finden selten den Weg in die Öffentlichkeit. Meist werden sie nur von der Fachwelt wahrgenommen. Dies könnte sich nun ändern. Die am Forschungsprojekt SENTHA beteiligten Designer der Universität der Künste in Berlin hatten die Idee, einen solchen Abschlussbericht einmal anders zu präsentieren als in der herkömmlichen Art. Das Forschungsthema "Seniorengerechte Technik im häuslichen Alltag" sollte Inhalt eines Romans werden. Die österreichische Schriftstellerin Doris Mayer ließ sich auf das Experiment ein und schrieb "Knesebeckstraße oder: Einmal Kuba und zurück", eine Geschichte über fünf ziemlich verrückte alte Menschen in Berlin, die kein Geld haben, aber Geld brauchen, um einem Freund zu helfen, und die deshalb versuchen, auf geraden und krummen Wegen welches aufzutreiben.

Frau Mayer, was hat Sie an dieser Idee gereizt, zu einem Forschungsbericht einen Roman zu schreiben?

... das noch nie Ausprobierte. Ich habe Neuland betreten. Das ist ein schönes Gefühl. Außerdem wollte ich schon längst eine Geschichte über alte Menschen schreiben.

Im Buchhandel wird der Forschungsbericht zusammen mit Ihrem Roman zu kaufen sein?

Ja, wobei noch nicht entschieden ist, ob alles in einem Band gedruckt wird oder ob Bericht und Roman als Einzelwerke zusammen in einem Schuber sind.

Warum interessiert Sie das Thema alte Menschen?

Zu meiner Großmutter hatte ich eine sehr innige, mich prägende Beziehung. Sie lebte zuletzt in einem Altersheim. Dort ist sie erwischt worden, wie sie mit einem Mann Arm in Arm im Bett lag. Es war ein mittlerer Skandal. Ich aber fand das klasse von ihr, sich die eigenen Gefühle nicht zu verwehren. Warum soll es für Ältere nicht erlaubt sein, Zärtlichkeiten auszutauschen? Ich habe durch sie gelernt, mit alten Menschen umzugehen. Sie sind mir vertraut und nicht fremd. Zwar habe ich Angst vor Krankheiten, aber nicht vor dem Älterwerden. Im Sommer 2002 war ich in Berlin, um für einen Berlin-Roman zu recherchieren, und darin sollten alte Menschen die Hauptrolle spielen. Durch Zufall lernte ich Professor Friesdorf von der TU Berlin kennen, der mich fragte, ob ich mir vorstellen könnte, einen Roman über alte Menschen zu schreiben.

Ihre fünf Roman-Helden haben Computer, nutzen E-Mail und Handy und die Segnungen der Moderne sogar für kleine Gaunereien. Sie leben in einer WG und schrecken auch nicht davor zurück, sich mit einer Reality-Show im Internet zu produzieren, um an Geld zu kommen. Charlotte und Oskar, Emma, Isolde und Ricardo sind ziemlich ausgeflippt und haben überhaupt nichts mit dem landläufigen Bild von älteren Menschen zu tun, die die Jüngeren mit ihren Lebensweisheiten beglücken. Die Hauptheldin Charlotte ist sogar eine unverbesserliche Zockerin, die mit ihren 77 Jahren noch über Mauern klettert.

Meine Mutter ist 71 Jahre und nutzt alle Techniken der neuen Medien. Mich haben die kecken, offenen, neugierigen, wachen Menschen interessiert, die mir auch in dem Seniorenbeirat von SENTHA begegnet sind. So kann man auch sein, wenn man wie Oskar im Rollstuhl sitzt und Herzprobleme hat. Ich wollte dieses Bild demontieren, dass angeblich mit Alten nichts mehr anzufangen ist, dass sie nutzlos und nur noch eine Last sind.

Aber bedienen Sie damit nicht genau den Jugendlichkeitswahn dieser Gesellschaft, dass alles jung und fit zu sein hat, auch die Alten, wenn man für die Gesellschaft überhaupt noch von Interesse sein soll?

Nein, wieso? Oskar sitzt im Rollstuhl, und meine "Alten" haben Falten und stehen dazu. Ich habe die älteren Menschen so dargestellt, wie sie eben auch sind - voller Lebensmut, deren Leben mit dem Alter nicht aufhört, die Wünsche und Sehnsüchte haben.

Die Fragen stellte Sybille Nitsche

 

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