Surfen im Knast
TU-Wissenschaftler wollen die Grenzenlosigkeit des Internets
mit den Grenzen einer Haftanstalt verbinden
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Die "Gefängnis-Lehrerinnen
und -Lehrer" werden an der TU Berlin in Online-Schulungen
für ihre neue Aufgabe fit gemacht |
Als TU-Professor Wilfried Hendricks vor gut drei Jahren vom
Brandenburger Justizministerium gefragt wurde, ob er eine Idee hätte,
wie das Internet als Lernmittel in den Strafvollzug zu bringen sei,
war der Experte für E-Learning erst einmal überfragt.
Doch schon 18 Monate später war daraus ein durch das Bundesministerium
für Arbeit und Sozialordnung aus Mitteln des Europäischen
Sozialfonds gefördertes Forschungs- und Entwicklungsprojekt
geworden: "E-Learning im Strafvollzug", kurz "e-LiS".
Sechs Bundesländer sind daran beteiligt: Berlin, Brandenburg,
Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein.
Darüber hinaus kooperiert das Projekt europaweit.
In Brandenburg zum Beispiel wird das Projekt mit 917000 Euro finanziert
und vom Institut
für Bildung in der Informationsgesellschaft (IBI) gemanagt.
Das Institut ist durch Kooperationsvereinbarungen mit der TU Berlin
an der Universität angesiedelt und in den Bereichen der Qualitätsprüfung
von Bildungssoftware sowie der Forschung und Entwicklung innovativer
Konzepte für multimediales Lernen aktiv. Der Erziehungswissenschaftler
Prof. Dr. Hendricks vom Institut
für Berufliche Bildung und Arbeitslehre an der TU Berlin
leitet das Institut.
Neben der Durchführung von "e-LiS" in acht Brandenburger
Haftanstalten bewertet das Institut zudem das gesamte Projekt in
den sechs Bundesländern. So werden zum Beispiel die Anstaltsleitungen,
die Lehrenden, aber auch die Gefangenen befragt, was sie vom Einzug
des Computers in den Strafvollzug halten.
",e-LiS' richtet sich an Randgruppen der Gesellschaft, an
jene, die ohnehin Bildungsdefizite haben und bislang erfolglos in
der theoretischen Wissensaneignung waren", sagt Professor Hendricks.
Ziel sei es, lernschwache Strafgefangene - Jugendliche, Frauen und
Männer - während ihrer Haftzeit mit dem Medium Computer
als Instrument der Wissensaneignung so zu fördern, dass sie
bei Entlassung den sich rasant verändernden Anforderungen des
modernen Arbeitsmarktes in Ansätzen gewachsen sind und somit
eine Chance haben, sich in die Gesellschaft wieder zu integrieren.
"Wenn die Reintegration der Häftlinge politisch gewollt
ist, dann müssen sich auch die Haftanstalten den veränderten
Wirklichkeiten auf dem Arbeitsmarkt stellen. Deshalb ist ,e-LiS'
ein Versuch, den Weg zurück in die Gesellschaft zu unterstützen,
indem die Häftlinge lernen, mit dem Computer zu lernen",
so Hendricks.
Um dies zu erreichen, müssen alle Lehrkräfte in den Haftanstalten
sowohl über ein fundiertes technisches Wissen als auch über
die nötige didaktische Kompetenz im Umgang mit neuen Medien
verfügen. Außerdem sollen sie dazu befähigt werden,
multimediale Unterrichtsmaterialien selbst zu entwickeln und zielgruppengerecht
im Unterricht zu nutzen.
Ein Schwerpunkt des "e-LiS"-Projektes ist deshalb die
Schulung der Lehrer selbst. Das Brandenburger Justizministerium
hatte sich nicht von ungefähr an das IBI gewandt, beruht doch
dessen Sachverstand auf der Zusammenarbeit von Erziehungs-, Sozial-
und Kommunikationswissenschaftlern, Informatikern und Designern.
Seit anderthalb Jahren werden die "Gefängnis-Lehrer"
vom IBI in Online- und Präsenzschulungen an der TU Berlin für
ihre neue Aufgabe fit gemacht.
Ein anderer Schwerpunkt ist die Entwicklung einer eigenen technologischen
Infrastruktur für web-basierte E-Learning-Konzepte im Strafvollzug.
"Wenn wir für die Häftlinge mehr Medienkompetenz
wollen, müssen sie den Umgang mit dem Internet trainieren.
Für uns Wissenschaftler wird es die Herausforderung werden,
wie unter sicherheitsrelevanten Aspekten ein Internetzugang möglich
sein wird", sagt Professor Hendricks. Schließlich darf
das Internet im Knast nicht zum Ausgangspunkt von Straftaten werden.
Mit der Universität Bremen arbeitet das IBI an diesem Problem.
Sybille Nitsche
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