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Nr. 1, Januar 2004
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Jedem ein Volksklavier

Konsum und Konsumpolitik im Dritten Reich

 
  Werbeplakat für den Volksempfänger von 1933

Der Volksempfänger ist jedem ein Begriff, wurde das Gerät doch zum Symbol für die politische Indoktrination im Dritten Reich schlechthin. Aber der Volksempfänger ist nur eins von etwa 20 bis 25 so genannten Volksprodukten. Prof. Dr. Wolfgang König vom Institut für Philosophie, Wissenschaftstheorie, Wissenschafts- und Technikgeschichte an der TU Berlin hat erstmals in einem von der Fritz Thyssen-Stiftung geförderten Forschungsprojekt die nationalsozialistischen "Volksprodukte" zusammenhängend dargestellt und "Konsum, Konsumpolitik und Konsumpropaganda im Dritten Reich" untersucht. In diesem Jahr erscheinen seine Forschungsergebnisse als Buch.

Zwischen 1933 und 1939 ist nicht nur vom Volksempfänger und Volkswagen die Rede, es geistern Ideen von einem Volkskühlschrank und einem Volksklavier umher. Gleichwohl sind Volksprodukte keine Erfindung Hitlers und seines Propagandaministeriums. Sie sind "lange vor der nationalsozialistischen Zeit präsent", schreibt Professor König. Der Begriff implizierte, dass die Ware für jeden erschwinglich ist.

Mit der Machtergreifung Hitlers 1933 wurden Volksprodukte jedoch durch die nationalsozialistische Propaganda ideologisch aufgebläht. Der Kauf eines Volksempfängers war nun nicht mehr nur reiner Konsum. "Die Volksprodukte bekamen eine Doppelfunktion", sagt Professor König, "einerseits repräsentierten sie Planungen und Visionen einer spezifisch nationalsozialistischen Konsum- und Freizeitgesellschaft, andererseits standen sie im Dienst der nationalsozialistischen Ideologie, waren Elemente der Propaganda, mit denen die Nationalsozialisten der Bevölkerung eine spätere Wohlstandsgesellschaft versprachen, um ihr den tatsächlichen Konsumverzicht zu Gunsten der Aufrüstung akzeptabel zu machen." 1939 erklärte Hitler "'ausreichenden eigenen Wirtschaftsraum' zur Voraussetzung für das Volkswagenprojekt".

Das Programm der Volksprodukte war aber nicht nur Propaganda, sondern auch Politik. Zur Vorstellung der Nationalsozialisten von einer rassisch einzigartigen und überlegenen arischen Volksgemeinschaft gehörte auch die von einem hohen Kultur- und damit auch Konsumniveau. Der Konsum von Luxusgütern galt als "entscheidende Grundlage der völkischen Lebenskraft" und war ein Merkmal des erdachten nationalsozialistischen Menschenbildes. Wolfgang König kommt zu dem Ergebnis, dass die Versorgung der Bevölkerung mit gehobenen Konsumgütern nicht umgesetzt werden konnte. Das "Scheitern rührt daher", schreibt er, "weil sich Autarkie, Aufrüstung und Expansion als vorrangige Politikziele und eine massive staatliche Konsumförderung nicht gleichzeitig verfolgen ließen."

Sybille Nitsche

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