Jedem ein Volksklavier
Konsum und Konsumpolitik im Dritten Reich
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Werbeplakat
für den Volksempfänger von 1933 |
Der Volksempfänger ist jedem ein Begriff, wurde das Gerät
doch zum Symbol für die politische Indoktrination im Dritten
Reich schlechthin. Aber der Volksempfänger ist nur eins von
etwa 20 bis 25 so genannten Volksprodukten. Prof. Dr. Wolfgang König
vom Institut
für Philosophie, Wissenschaftstheorie, Wissenschafts- und Technikgeschichte
an der TU Berlin hat erstmals in einem von der Fritz Thyssen-Stiftung
geförderten Forschungsprojekt die nationalsozialistischen "Volksprodukte"
zusammenhängend dargestellt und "Konsum, Konsumpolitik
und Konsumpropaganda im Dritten Reich" untersucht. In diesem
Jahr erscheinen seine Forschungsergebnisse als Buch.
Zwischen 1933 und 1939 ist nicht nur vom Volksempfänger und
Volkswagen die Rede, es geistern Ideen von einem Volkskühlschrank
und einem Volksklavier umher. Gleichwohl sind Volksprodukte keine
Erfindung Hitlers und seines Propagandaministeriums. Sie sind "lange
vor der nationalsozialistischen Zeit präsent", schreibt
Professor König. Der Begriff implizierte, dass die Ware für
jeden erschwinglich ist.
Mit der Machtergreifung Hitlers 1933 wurden Volksprodukte jedoch
durch die nationalsozialistische Propaganda ideologisch aufgebläht.
Der Kauf eines Volksempfängers war nun nicht mehr nur reiner
Konsum. "Die Volksprodukte bekamen eine Doppelfunktion",
sagt Professor König, "einerseits repräsentierten
sie Planungen und Visionen einer spezifisch nationalsozialistischen
Konsum- und Freizeitgesellschaft, andererseits standen sie im Dienst
der nationalsozialistischen Ideologie, waren Elemente der Propaganda,
mit denen die Nationalsozialisten der Bevölkerung eine spätere
Wohlstandsgesellschaft versprachen, um ihr den tatsächlichen
Konsumverzicht zu Gunsten der Aufrüstung akzeptabel zu machen."
1939 erklärte Hitler "'ausreichenden eigenen Wirtschaftsraum'
zur Voraussetzung für das Volkswagenprojekt".
Das Programm der Volksprodukte war aber nicht nur Propaganda, sondern
auch Politik. Zur Vorstellung der Nationalsozialisten von einer
rassisch einzigartigen und überlegenen arischen Volksgemeinschaft
gehörte auch die von einem hohen Kultur- und damit auch Konsumniveau.
Der Konsum von Luxusgütern galt als "entscheidende Grundlage
der völkischen Lebenskraft" und war ein Merkmal des erdachten
nationalsozialistischen Menschenbildes. Wolfgang König kommt
zu dem Ergebnis, dass die Versorgung der Bevölkerung mit gehobenen
Konsumgütern nicht umgesetzt werden konnte. Das "Scheitern
rührt daher", schreibt er, "weil sich Autarkie, Aufrüstung
und Expansion als vorrangige Politikziele und eine massive staatliche
Konsumförderung nicht gleichzeitig verfolgen ließen."
Sybille Nitsche
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