Credit Points statt Studiengebühren?
Wissenschaftssenator Flierl stößt mit seinem Studienkontenmodell
auf Kritik
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Wissenschaftssenator Thomas
Flierl (PDS) |
An den 17 Hochschulen Berlins gab es im Wintersemester 2002/3
fast 22000 Studierende ab dem 16. Hochschulsemester und rund 12500
mit 20 oder mehr Semestern. Das ist weit mehr als die doppelte Regelstudienzeit.
Das ist unbefriedigend, teuer und bereitet den Verantwortlichen
Kopfzerbrechen. Schon seit dem Sommer 2003 laboriert daher Wissenschaftssenator
Thomas Flierl an einem Studienkontenmodell, das er als politische
Alternative zu Studiengebühren und als Instrument gewertet
wissen möchte, mit dem Studierende auf die Hochschulpolitik
Einfluss nehmen können. Anfang Dezember lüftete er nun
das Geheimnis und stellte sein Modell, basierend auf einem Gutachten
des Forschungsinstituts
für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS), den Hochschulen
vor. Auf große Begeisterung stieß er nicht.
360 Credit Points sollen Studierende am Anfang ihres Fachstudiums
erhalten. Zum Erreichen der Bachelor-Urkunde - das Modell orientiert
sich an den neuen Abschlüssen - verbrauchten sich 180 Credit
Points, für einen Master-Abschluss würden weitere 120
Points benötigt. Die Points werden jeweils abgebucht, verschiedene
Studienverläufe könnten damit berücksichtigt werden,
da sich die Abbuchung nach der Nachfrage richtet. Sind die Credit
Points aufgebraucht, müsse man allerdings nachkaufen, wenn
man weitere Veranstaltungen besuchen möchte. Sind noch welche
übrig, können diese für kostenlose Weiterbildung
genutzt werden. "Das Modell vermeidet soziale Verzerrungen
und ermöglicht eine individuelle Studien- und Lebensplanung",
findet Senator Flierl. Für hochschulpolitisches Engagement
soll es auch noch Bonus-Points geben. Gleichzeitig erhofft sich
der Senator auch eine effizientere Budgetausnutzung der Hochschulen.
Die Mittel sollen den Hochschulen nämlich entsprechend der
Nachfrage nach bestimmten Studiengängen und Veranstaltungen
zugewiesen werden.
Doch der Wind bläst dem ohnehin schon von Studierendenprotesten
und den Querelen um den Posten des Wissenschaftsstaatssekretärs
gebeutelten Senator von vorne ins Gesicht.
"Dieses Modell ist untauglich, die Situation zu verbessern",
sagt die hochschulpolitische Sprecherin der Grünen, Lisa Paus.
Ein Globalbudget für die Hochschulen könne es damit nicht
mehr geben, also stünden auch die Hochschulverträge wieder
zur Diskussion. Selbst der Wissenschaftsexperte der PDS, Benjamin
Hoff, lehnt den Vorschlag seines Senators ab.
Die Hochschulen selbst fürchten um Studienangebote, die zwar
gesellschaftlich gewünscht, aber momentan nicht nachgefragt
sind, wie es beispielsweise einige Jahre bei der Informatik der
Fall war. Diese würden bei der Orientierung an der Nachfrage
über kurz oder lang nicht mehr finanziert und wegfallen. Auch
für die Kunsthochschulen sei der Effizienzbegriff geradezu
absurd. Die Studierenden kämen um Gebühren für ein
grundständiges Studium nur herum, wenn es ohne Umweg oder Ergänzung
stattfindet. Mithin könne sogar der Hochschulstandort ernsthaft
gefährdet werden. Das Thema ist noch lange nicht ausdiskutiert.
Die PDS will Flierls Studienkonten auf ihrem Landesparteitag im
Februar 2004 zum Thema machen.
Patricia Pätzold
Mehr Studierende für Studiengebühren?
Über die Hälfte der Studierenden würde Studiengebühren
von rund 500 Euro pro Semester unter bestimmten Bedingungen
akzeptieren. Das behaupten der Stifterverband
für die Deutsche Wissenschaft und das Centrum
für Hochschulentwicklung (CHE) aufgrund einer Studie,
die in ihrem Auftrag vom Marktforschungsinstitut
"forsa" durchgeführt und veröffentlicht
wurde. Das Geld müsste allerdings den Hochschulen direkt
zugute kommen und außerdem erst nach Beendigung des
Studiums und Einstieg ins Berufsleben zahlbar sein. Abgefragt
wurde allerdings nur die Zustimmung zu verschiedenen Varianten
von Studiengebühren. Der Studentendachverband fzs warf
dem CHE daraufhin Betrug vor. Der Stifterverband nahm die
Studie zum Anlass, die Abschaffung des erst im letzten Jahr
eingeführten bundesweiten Verbots für Studiengebühren
zu fordern.
tui
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