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Nr. 1, Januar 2004
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"Der Ferne Osten wird Deutschland sehr bald auch in der Wissenschaft Konkurrenz machen"

Erstmalig beruft China einen ausländischen Dekan: TU-Professor Ulrich Steinmüller

Ein Teil des Campus in Hangzhou. Die Gebäude gehören zu der Fakultät, in der Ulrich Steinmüller als Dekan wirkt

Seit rund acht Jahren können Studierende in China ihre Fächer selbst auswählen. Bislang bestimmte die Partei, was gebraucht wird und wer es studiert. Doch mit der Umstrukturierung der Staats- zur privaten Wirtschaft sollte auch die Wissenschaft verbessert und internationalisiert werden. Insbesondere Sprachen sollten für die Chinesen das Tor zur Welt bilden. Sie suchten Hilfe in den USA, in Kanada, in Australien, in Österreich, in China selbst. In Deutschland wurden sie fündig: Erstmalig in ihrer Geschichte vertrauten sie einem ausländischen Professor das Amt eines Dekans einer chinesischen Universität an. Prof. Dr. Ulrich Steinmüller, Prodekan der Fakultät I, Geisteswissenschaften, der TU Berlin, Fachgebiet Linguistik, Fachdidaktik, Deutsch als Fremdsprache, wurde zum Dean of the College "Foreign Languages" der Zhejiang Universität in Hangzhou. Das Experiment läuft seit einem halben Jahr.

 
  Ulrich Steinmüller

"Auch für Deutschland ist dies eine Premiere, ein interessantes Experiment", erzählt Ulrich Steinmüller. "Es soll zunächst für zwei Jahre laufen." Professor Steinmüller hält sich nun jedes Jahr einige Monate in Hangzhou auf, während der hiesigen vorlesungsfreien Zeit. Ansonsten hat er an der chinesischen Universität nicht weniger als sechs Stellvertreter. "Nur drei davon sind freilich Wissenschaftler", lächelt Steinmüller, "die anderen stellt die Partei. Wie überall im öffentlichen Leben beobachten sie die gesellschaftspolitischen Aspekte."

Der deutsche Professor hat weniger Lehrverpflichtungen als vielmehr Managementaufgaben: Verbesserung der Ausbildungsqualität, Anhebung des Forschungsniveaus und Internationalisierung der Fakultät sind die Ziele.

Die Beschäftigung mit Fremdsprachen wird in China nicht als Bildungselement, sondern sehr funktional gesehen. Vorrangig ist die Frage: Wie nützlich ist deren Beherrschung für das Wachstum der Volkswirtschaft? Unabhängig von ihrem Fach müssen chinesische Studierende nebenher zwei Fremdsprachen lernen. Deutsch steht dabei recht hoch im Kurs. Ulrich Steinmüllers Engagement in China ist daran nicht ganz unschuldig, denn die Berufung kam nicht von ungefähr. Schon seit 18 Jahren hat er Kontakt zu China. Zunächst standen die Ingenieurbereiche im Zentrum der Aktivitäten. Doch bald wünschten die Chinesen auch Unterstützung in der sprachlichen Ausbildung. Zusammen mit der Zentraleinrichtung Moderne Sprachen der TU Berlin (ZEMS) und gefördert vom DAAD begann Ulrich Steinmüller ein deutsches Sprachzentrum in Hangzhou aufzubauen. Die TU Berlin schickte regelmäßig sowohl Sprachdozenten als auch Ingenieure. Aus dieser Zusammenarbeit sind inzwischen sechs Doktorarbeiten, eine Reihe Magisterarbeiten sowie einige Lehrwerke für den speziellen Deutschunterricht hervorgegangen. "Das vielfältige Netzwerk der Chinesen kommt auch der TU Berlin zugute. Wir schicken derzeit sowohl Wissenschaftler als auch Studierende dorthin. Die jahrelange Unterstützung und Zusammenarbeit ist zu einem fruchtbaren Austausch geworden." Bei aller Freude über die Arbeit in einem expandierenden und gut ausgestatteten Bereich, der von der Politik ernst genommen wird, sorgt sich Ulrich Steinmüller, und zwar um Deutschland: "Mit einem ungeheuren Finanzierungsaufwand werden in China wissenschaftliche Ressourcen aktiviert, die uns sehr bald Konkurrenz machen werden. Bei uns wird Wissenschaft abgebaut, dort wird sie aufgebaut."

Patricia Pätzold

http://fk1-tu-berlin.de/daf.asp

 

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