"Der Ferne Osten wird Deutschland sehr bald auch in der Wissenschaft
Konkurrenz machen"
Erstmalig beruft China einen ausländischen Dekan: TU-Professor
Ulrich Steinmüller
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Ein Teil des Campus in Hangzhou.
Die Gebäude gehören zu der Fakultät, in der Ulrich
Steinmüller als Dekan wirkt |
Seit rund acht Jahren können Studierende in China ihre Fächer
selbst auswählen. Bislang bestimmte die Partei, was gebraucht
wird und wer es studiert. Doch mit der Umstrukturierung der Staats-
zur privaten Wirtschaft sollte auch die Wissenschaft verbessert
und internationalisiert werden. Insbesondere Sprachen sollten für
die Chinesen das Tor zur Welt bilden. Sie suchten Hilfe in den USA,
in Kanada, in Australien, in Österreich, in China selbst. In
Deutschland wurden sie fündig: Erstmalig in ihrer Geschichte
vertrauten sie einem ausländischen Professor das Amt eines
Dekans einer chinesischen Universität an. Prof. Dr. Ulrich
Steinmüller, Prodekan der Fakultät I, Geisteswissenschaften,
der TU Berlin, Fachgebiet
Linguistik, Fachdidaktik, Deutsch als Fremdsprache, wurde zum
Dean of the College "Foreign Languages" der Zhejiang
Universität in Hangzhou. Das Experiment läuft seit
einem halben Jahr.
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Ulrich Steinmüller |
"Auch für Deutschland ist dies eine Premiere, ein interessantes
Experiment", erzählt Ulrich Steinmüller. "Es
soll zunächst für zwei Jahre laufen." Professor Steinmüller
hält sich nun jedes Jahr einige Monate in Hangzhou auf, während
der hiesigen vorlesungsfreien Zeit. Ansonsten hat er an der chinesischen
Universität nicht weniger als sechs Stellvertreter. "Nur
drei davon sind freilich Wissenschaftler", lächelt Steinmüller,
"die anderen stellt die Partei. Wie überall im öffentlichen
Leben beobachten sie die gesellschaftspolitischen Aspekte."
Der deutsche Professor hat weniger Lehrverpflichtungen als vielmehr
Managementaufgaben: Verbesserung der Ausbildungsqualität, Anhebung
des Forschungsniveaus und Internationalisierung der Fakultät
sind die Ziele.
Die Beschäftigung mit Fremdsprachen wird in China nicht als
Bildungselement, sondern sehr funktional gesehen. Vorrangig ist
die Frage: Wie nützlich ist deren Beherrschung für das
Wachstum der Volkswirtschaft? Unabhängig von ihrem Fach müssen
chinesische Studierende nebenher zwei Fremdsprachen lernen. Deutsch
steht dabei recht hoch im Kurs. Ulrich Steinmüllers Engagement
in China ist daran nicht ganz unschuldig, denn die Berufung kam
nicht von ungefähr. Schon seit 18 Jahren hat er Kontakt zu
China. Zunächst standen die Ingenieurbereiche im Zentrum der
Aktivitäten. Doch bald wünschten die Chinesen auch Unterstützung
in der sprachlichen Ausbildung. Zusammen mit der Zentraleinrichtung
Moderne Sprachen der TU Berlin (ZEMS) und gefördert vom
DAAD begann Ulrich Steinmüller ein deutsches Sprachzentrum
in Hangzhou aufzubauen. Die TU Berlin schickte regelmäßig
sowohl Sprachdozenten als auch Ingenieure. Aus dieser Zusammenarbeit
sind inzwischen sechs Doktorarbeiten, eine Reihe Magisterarbeiten
sowie einige Lehrwerke für den speziellen Deutschunterricht
hervorgegangen. "Das vielfältige Netzwerk der Chinesen
kommt auch der TU Berlin zugute. Wir schicken derzeit sowohl Wissenschaftler
als auch Studierende dorthin. Die jahrelange Unterstützung
und Zusammenarbeit ist zu einem fruchtbaren Austausch geworden."
Bei aller Freude über die Arbeit in einem expandierenden und
gut ausgestatteten Bereich, der von der Politik ernst genommen wird,
sorgt sich Ulrich Steinmüller, und zwar um Deutschland: "Mit
einem ungeheuren Finanzierungsaufwand werden in China wissenschaftliche
Ressourcen aktiviert, die uns sehr bald Konkurrenz machen werden.
Bei uns wird Wissenschaft abgebaut, dort wird sie aufgebaut."
Patricia Pätzold
http://fk1-tu-berlin.de/daf.asp
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