Die hohe Kunst des Technikjournalismus
Technisch-Literarische Gesellschaft e.V. feiert ihr 75-jähriges
Jubiläum - viele Experten kamen von der TH Berlin
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Siegfried Hartmann war der
erste Vorsitzende der TELI |
Nicht nur die Technische Universität Berlin wird dieses
Jahr 125, am 11. Januar 2004 beging auch eine andere technikverbundene
Institution ein Jubiläum: die "Technisch-Literarische
Gesellschaft" (TELI) wurde 75.
Damals nannte man in den großen Unternehmen jene Abteilungen
"literarisch", die eine technische Beschreibung der Produkte
lieferten und die meist auch die Pressearbeit initiierten. Die "literarische"
Textproduktion für das Alltagsleben unterschied sich also von
der edlen und abgehobenen "Dichtung". "Literarisch"
- das war Schreiben für den Lebensstil der Moderne.
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Auszug aus der
Gründungsurkunde von 1929 |
Am 11. Januar 1929 - Berlin befand sich als größte Industriestadt
zwischen Lissabon und Moskau auf dem Höhepunkt seiner wissenschaftlichen,
ökonomischen und kulturellen Entwicklung - gründeten 32
Technikjournalisten aus Zeitungsredaktionen und aus jenen literarischen
Abteilungen von Siemens, AEG oder Telefunken die "Technisch-Literarische
Gesellschaft". Zu den Gründungsmitgliedern gehörten
unter anderem Siegfried Hartmann, der eigentliche Spiritus Rector
der TELI und technischer Journalist bei der Deutschen Allgemeinen
Zeitung (DAZ), und Hans Dominik, Pionier der technischen Berichterstattung
in Berlin und Autor viel gelesener utopischer Romane. Anliegen dieser
Gruppe war es, die technische Berichterstattung in den Tageszeitungen
zu professionalisieren und unabhängiger vom Werbeteil zu machen.
Fortan galt es als unseriös, wenn ein Technikjournalist als
unmittelbar Beauftragter des Unternehmens über dessen Produkt
in der Presse berichtete und diese "Auftragsarbeit" nicht
klarstellte.
In Berlin konzentrierten sich damals Presse, Industrie und Ausstellungen.
Die TELI-Mitglieder waren meist Absolventen der TH, es gab gemeinsame
Veranstaltungen mit den Experten der Hochschule.
Mit Leidenschaft der technischen Aufklärung verbunden, richtete
der erste Vorsitzende der TELI, Siegfried Hartmann (1875-1935),
die ständige Rubrik "Kraft und Stoff" bei der DAZ
ein. Aber er beschäftigte sich auch mit Fragen der Verantwortung
des Technikers in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Deren Bewährungsprobe
stand in der Tat bald bevor. Als die Nazis 1933 an die Macht kamen,
hieß das Motto "Technik voran!" - und zwar bedingungslos.
Die Technikfaszination machte viele TELI-Mitglieder blind für
ihren Missbrauch zu Krieg und Verbrechen, und Hitler ließ
keine "redaktionelle Unabhängigkeit" mehr zu. Bereits
1933 mussten jüdische Mitglieder die TELI verlassen, 1944 wurde
sie zwangsweise aufgelöst.
Aus weit verstreuten Mitgliedern gründete sich die TELI 1952
neu, doch die Zeiten des großen Einflusses waren vorbei. Dennoch
pflegte sie institutionell und persönlich die Beziehungen zur
TU Berlin und es gingen viele bedeutende Technikjournalisten aus
ihr hervor. In der DDR galt sie als "bürgerlich",
Technikjournalismus sollte sich dort künftig an Arbeiterbewegung
und Sowjetunion orientieren.
Nach 1990 sorgte die Vereinigung der Technikjournalisten aus Ost
und West zu einer neuen Blüte der TELI in Berlin. Nach 75 Jahren
ist die TELI nun eine von vielen Journalistenvereinigungen.
Hans Christian Förster
www.teli.de
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