Wissenschaft bringt Geld und Arbeitsplätze nach Berlin
Erste Ideen zur Zukunft Berlins aus der Enquète-Kommission
|
Jürgen Kromphardt ist
Experte für Wirtschaftsfragen |
Der Wirtschaftswissenschaftler Jürgen Kromphardt lehrt
und forscht zur Wirtschaftstheorie an der TU Berlin. Anfang dieses
Jahres wurde er in die 19-köpfige Enquète-Kommission
"Eine Zukunft für Berlin" gewählt. Die vom
Berliner Senat eingesetzte Kommission soll Vorschläge erarbeiten,
wie die Krise der Hauptstadt zu bewältigen ist.
Herr Professor Kromphardt, gibt es bereits Vorschläge,
wie Berlin die Misere meistern kann, die ja auch die Wissenschaft
der Stadt stark schädigt?
Wir haben inzwischen in sieben Sitzungen sehr viele Themen durchgearbeitet.
Am Ende des Sommers wird unser erster offizieller Zwischenbericht
vorliegen. Auf zwei wesentliche Punkte konnten wir uns bisher einigen.
Erstens: Berlin kann aus seiner desaströsen finanziellen Situation
nicht aus eigener Kraft herauskommen. Ein Gutachten aus der Hochschule
für Verwaltungswissenschaft in Speyer weist nach, dass
die Pro-Kopf-Ausgaben einer Großstadt im Schnitt mindestens
zehn Prozent über dem Durchschnitt eines Flächenlandes
liegen müssen. Berlin liegt noch etwas höher. Das ist
also zu reduzieren. Dennoch: Selbst wenn der Bund einen Teil der
Zins- und anderen Altlasten - zum Beispiel aus der Wohnungsbauförderung
- übernähme, könnte Berlin bei einer weiteren Reduzierung
auf eben diese 110 Prozent Pro-Kopf-Ausgaben erst bis etwa 2017
zu einem ausgeglichenen Haushalt finden.
Zweitens: Es ist zwecklos, Berlin "kaputtzusparen". Was
Berlin attraktiv macht und das, was Arbeitsplätze schafft,
muss erhalten bleiben.
Und was ist das?
Insbesondere eben die Wissenschaft. Das Angebot an gut ausgebildeten
Absolventen, Gründungen neuer Unternehmen aus den Universitäten
heraus und auch die Kooperationen der Forschung mit der Wirtschaft
sind ein Aktivum des Wirtschaftsstandorts. Ebenso ist die Kulturlandschaft
in Berlin eine Attraktion für kreative Leute und schafft somit
Arbeitsplätze. Hier dürfen wir nicht unattraktiv werden.
Die Tendenz ist also eindeutig: Wissenschaft darf nicht weiter heruntergespart
werden und in der Kultur sollte man sehr vorsichtig sein.
Wie groß ist denn der Wirtschaftsfaktor Wissenschaft?
Es ist schwierig, das zu quantifizieren. Doch nachgewiesenermaßen
gibt es die genannten positiven Effekte. Dagegen gibt es Ausgaben,
zum Beispiel für manche Verwaltungen, die unternehmerische
Ansiedlungen abschrecken und damit im Endeffekt eine negative Gesamtwirkung
haben. Die Wissenschaft dagegen bringt Geld nach Berlin: durch Drittmitteleinwerbungen,
Unternehmensgründungen, das Geld der Studierenden. Anders sieht
es bei einigen Investitionsausgaben aus, die durch überregionale
Ausschreibungen nach außen fließen. Wir müssen
Ausgaben aussortieren, die Berlin nichts bringen.
Wieso kürzt der Senat trotzdem an der Wissenschaft?
Die Kommission kann keine Beschlüsse rückgängig
machen. Sie soll dafür sorgen, dass in Zukunft nicht mehr dort
gekürzt wird, wo es politisch am einfachsten geht, wo der Widerstand
am geringsten ist. Der Finanzsenator ist bei jeder unserer Sitzungen
dabei. Er diskutiert auch intensiv und sachgerecht mit und zeigt
das Interesse seitens der Politik, die unumgänglichen Sparmaßnahmen
in Bereichen zu ergreifen, die Berlin nichts bringen. Die Wissenschaft
gehört nicht dazu.
Aber irgendwo muss gespart werden. Was gibt es noch für
Möglichkeiten?
Diese Frage brachte uns auf das Thema "öffentliche Verwaltung".
Die Zweigleisigkeit von Bezirksämtern und zentraler Senatsverwaltung
führt zu mangelnder Beweglichkeit und Doppelarbeit. Dieses
wiederum ist bürgerunfreundlich, ansiedlungsfeindlich und führt
zu langen Bearbeitungszeiten. Hier müssen neue Anreizstrukturen
geschaffen werden. Beispielsweise ist die gängige Praxis, Führungskräfte
nicht nach Leistung zu bezahlen, sondern nach der Zahl der Untergebenen,
kontraproduktiv. Kaum ein leitender Beamte wird die Arbeit in seinem
Bereich effizienter mit weniger Personal gestalten, wenn er sich
gewissermaßen damit selbst bestraft. Dieses kann also nicht
zu einem Abbau führen. Eine sinnvolle Strategie scheinen dagegen
Zielvereinbarungen und terminierte Bearbeitungspläne zu sein.
Auch die TU Berlin hat im Verwaltungsbereich bereits gute Erfahrungen
mit Zielvereinbarungen gemacht.
Welche Zukunft sehen Sie für den Standortfaktor Wissenschaft
in einer gebeutelten Stadt wie Berlin?
Unsere Experten-Kommission soll vor allem Argumente finden, die
Haushaltsnotlage für die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht
zu begründen und für den Eigenbeitrag Berlins sinnvolle
Sparvorschläge zu machen. Wenn der Bund dann zur Entlastung
Berlins gebracht wird, ist gewissermaßen Land in Sicht. Dann
werden die positiven Beiträge der Wissenschaft ein weiteres
Kürzen in diesem Bereich verhindern. Wenn sich außerdem
die hier tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler positiv
über Berlin äußern, ziehen sie auch weiteres Potenzial
nach Berlin. Da kann man schon optimistisch sein.
Das Gespräch führte Patricia Pätzold
|