7-9/04
Juli 2004
 
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Kraftwerk mit Fließbandproduktion

Georg Klingenberg schuf auch den VW der Jahrhundertwende

 
  Das Bronzeporträt Klingenbergs von Fritz Klimsch am Ehrengrab auf dem Dreifaltigkeitskirchhof in Berlin-Kreuzberg

Lange war unklar, ob der am 28.11.1870 in Hamburg geborene Sohn des Architekten Ludwig Klingenberg als Pionier der Motorisierung oder der Elektrifizierung Berlins berühmt werden sollte. Mit Fantasie und Draufgängertum schuf das vielseitige Technikgenie zunächst den "Klingenberg-Wagen", ein Fünf-PS-Mobil mit wassergekühltem Einzylinder-Viertaktmotor, der zum "VW" der Jahrhundertwende wurde. Als Assistent an der TH Berlin erprobte er mit seinem Lehrer, Professor Adolf Slaby, die neu entdeckten Röntgenstrahlen und assistierte ihm beim Aufbau eines elektrotechnischen Laboratoriums wie bei Vorträgen für den technikbegeisterten Kaiser Wilhelm II. Nach Promotion und Habilitation über elektrische Fernleitungen arbeitete Klingenbergs bis 1909 als Hochschullehrer an der TH Berlin. Sein "K-Wagen" - hergestellt ab 1901 in der Neuen Automobil-Gesellschaft (NAG), einer Tochter der AEG - wurde berühmt und brachte dem Konstrukteur einige Patente ein. Seine Vorlesungen über Energieerzeugung und -verteilung, die Modernisierungs-Technologie des 20. Jahrhunderts, verbanden Technikwissenschaft und Wirtschaft. All das leistete er noch vor Vollendung seines 33. Lebensjahres. 1902 wurde Emil Rathenau auf den jungen Technikpionier aufmerksam und machte ihn zum AEG-Direktor. Ab jetzt setzte er theoretische und praktische Meilensteine in der Stromerzeugung und -verteilung.

Klingenberg begründete und förderte eine eigenständige Theorie des Kraftwerksbaus. Für ihn war das Kraftwerk eine "Elektrizitäts-Fabrik" mit Fließbandproduktion. Er konzipierte rund siebzig Elektrizitätswerke und gab ein zweibändiges Standardwerk über den "Bau großer Elektrizitätswerke" (1913/20) heraus. Er schlug eine zentralisierte Energieversorgung unter Mitwirkung des Staates vor, warnte aber vor einer "künstlichen Überspannung des Zentralisationsgedankens". Als Mann der Industrie bevorzugte er aufgrund der günstigeren Lohn- und Leitungsstruktur private vor kommunalen Kraftwerken. Nach Klingenbergs Plänen entstand ab 1925 das Großkraftwerk Berlin-Rummelsburg, das damals größte und modernste Elektrizitätswerk Europas mit Kohlestaubfeuerung. Es setzte Maßstäbe für die Verbindung von Industriearchitektur mit Landschaftsgestaltung. Sein technischer Wirkungsgrad wurde durch die Einbindung in Energieverbund- und Fernwärmesystem noch weiter gesteigert. Die Umwelttechnik allerdings steckte noch in den Kinderschuhen. Der Ruß beherrschte jahrzehntelang die angrenzenden Siedlungsgebiete. 1918 erhielt Klingenberg den Ehrendoktor der TH Berlin und wurde Mitglied der Bauakademie. Er leitete 1924 die deutsche Delegation auf der Londoner Weltkraftkonferenz. Klingenberg starb - erst 55-jährig - am 7.Dezember 1925 in Berlin.

Hans Christian Förster

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