Kraftwerk mit Fließbandproduktion
Georg Klingenberg schuf auch den VW der Jahrhundertwende
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Das Bronzeporträt
Klingenbergs von Fritz Klimsch am Ehrengrab auf dem Dreifaltigkeitskirchhof
in Berlin-Kreuzberg |
Lange war unklar, ob der am 28.11.1870 in Hamburg geborene Sohn
des Architekten Ludwig Klingenberg als Pionier der Motorisierung
oder der Elektrifizierung Berlins berühmt werden sollte. Mit
Fantasie und Draufgängertum schuf das vielseitige Technikgenie
zunächst den "Klingenberg-Wagen", ein Fünf-PS-Mobil
mit wassergekühltem Einzylinder-Viertaktmotor, der zum "VW"
der Jahrhundertwende wurde. Als Assistent an der TH Berlin erprobte
er mit seinem Lehrer, Professor Adolf Slaby, die neu entdeckten
Röntgenstrahlen und assistierte ihm beim Aufbau eines elektrotechnischen
Laboratoriums wie bei Vorträgen für den technikbegeisterten
Kaiser Wilhelm II. Nach Promotion und Habilitation über elektrische
Fernleitungen arbeitete Klingenbergs bis 1909 als Hochschullehrer
an der TH Berlin. Sein "K-Wagen" - hergestellt ab 1901
in der Neuen Automobil-Gesellschaft (NAG), einer Tochter der AEG
- wurde berühmt und brachte dem Konstrukteur einige Patente
ein. Seine Vorlesungen über Energieerzeugung und -verteilung,
die Modernisierungs-Technologie des 20. Jahrhunderts, verbanden
Technikwissenschaft und Wirtschaft. All das leistete er noch vor
Vollendung seines 33. Lebensjahres. 1902 wurde Emil Rathenau auf
den jungen Technikpionier aufmerksam und machte ihn zum AEG-Direktor.
Ab jetzt setzte er theoretische und praktische Meilensteine in der
Stromerzeugung und -verteilung.
Klingenberg begründete und förderte eine eigenständige
Theorie des Kraftwerksbaus. Für ihn war das Kraftwerk eine
"Elektrizitäts-Fabrik" mit Fließbandproduktion.
Er konzipierte rund siebzig Elektrizitätswerke und gab ein
zweibändiges Standardwerk über den "Bau großer
Elektrizitätswerke" (1913/20) heraus. Er schlug eine zentralisierte
Energieversorgung unter Mitwirkung des Staates vor, warnte aber
vor einer "künstlichen Überspannung des Zentralisationsgedankens".
Als Mann der Industrie bevorzugte er aufgrund der günstigeren
Lohn- und Leitungsstruktur private vor kommunalen Kraftwerken. Nach
Klingenbergs Plänen entstand ab 1925 das Großkraftwerk
Berlin-Rummelsburg, das damals größte und modernste Elektrizitätswerk
Europas mit Kohlestaubfeuerung. Es setzte Maßstäbe für
die Verbindung von Industriearchitektur mit Landschaftsgestaltung.
Sein technischer Wirkungsgrad wurde durch die Einbindung in Energieverbund-
und Fernwärmesystem noch weiter gesteigert. Die Umwelttechnik
allerdings steckte noch in den Kinderschuhen. Der Ruß beherrschte
jahrzehntelang die angrenzenden Siedlungsgebiete. 1918 erhielt Klingenberg
den Ehrendoktor der TH Berlin und wurde Mitglied der Bauakademie.
Er leitete 1924 die deutsche Delegation auf der Londoner Weltkraftkonferenz.
Klingenberg starb - erst 55-jährig - am 7.Dezember 1925 in
Berlin.
Hans Christian Förster
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