Chemie und Kunst - Schwestern im Geist
In den Restaurierungswerkstätten des Louvre erhielten TU-Studierende
Anregungen für neue Forschungsideen
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Mit dem Teilchenbeschleuniger
wird die Statue der Göttin Ishtar im Louvre untersucht |
Die roten Augen einer 4000 Jahre alten Statue sind nicht aus Glas,
sondern aus Rubin. Diese These konnte jetzt bewiesen werden. Aus
dieser unscheinbaren Information ergeben sich für Kunsthistoriker
viele neue Erkenntnisse. Solche Erkenntnisse sind heute nur durch
interdisziplinäre Zusammenarbeit möglich. Ohne die Fragen
der Kunsthistoriker zu kennen, können Chemiker keine Antworten
geben und umgekehrt. Eine vorbildliche Zusammenarbeit fanden TU-Kunstgeschichtsstudierende
während einer Exkursion nach Paris in den Restaurierungswerkstätten
des Louvre.
Die Restaurierungswerkstatt eines Museums will zuerst Kunstwerke
in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzen. Was aber
war der ursprüngliche Zustand? Welches Rot wurde verwendet?
Welcher Stein? Welche Glasur?
1998 wurde das Zentrum zur Forschung und Restaurierung der Museen
von Frankreich (Centre
de recherche et de restauration des Musées de France)
gegründet. Es befindet sich in hochmodernen Räumen unter
dem Louvre in Paris. Dort wurden den Studierenden modernste Techniken
zur Erforschung der Kunstobjekte im Louvre vorgestellt. Dabei wurde
deutlich, wo die Schnittstellen von Chemie und Kunst sind und wie
die Chemie zur Identität eines Kunstwerkes beitragen kann.
Mit AGLAE (Accelerateur Grand Louvre d'Analyse Elementaire), einem
Teilchenbeschleuniger, können zum Beispiel chemische Analysen
durchgeführt werden. AGLAE arbeitet mit der PIXE-Methode: Das
Material wird mit Partikeln beschossen und sendet daraufhin Röntgenstrahlen
aus, die wiederum aufgefangen werden. Die so erhaltenen Daten geben
mithilfe von Vergleichsmaterialien Aufschluss über die Zusammensetzung
der Substanz, die analysiert werden soll. Durch die punktuelle Anwendung
wird das Kunstobjekt nicht beschädigt.
Über die Statue mit den Rubinaugen kann man folgern, dass
eine Gottheit dargestellt ist, denn Rubin ist kostbar. Am Fundort
gibt es jedoch keine Rubinvorkommen. Es müssen also zusätzlich
bisher unbekannte Handelsbeziehungen existiert haben. Der geochemische
Vergleich mit anderen Rubinproben enthüllte schließlich,
woher die Rubine stammen. Mithilfe von AGLAE und durch die interdisziplinäre
Zusammenarbeit konnte somit die frühe Verbindung von drei Zivilisationen
nachgewiesen werden: Aus Mesopotamien stammt das Bild einer Frau
als Fruchtbarkeitssymbol, aus Griechenland die realistische Darstellung
des Körpers und aus Asien stammen die Rubine. AGLAE ist bis
heute der einzige Teilchenbeschleuniger in einem Museum. Der Louvre
leistet damit Pionierarbeit und zeigt die zukünftige immense
Bedeutung der Zusammenarbeit von Geistes- und Naturwissenschaften.
Die weiteren Stationen dieser im Rahmen des Hauptseminars "Tempel
der Kunst" von Prof. Dr. Benedicte Savoy und Prof. Dr. Adrian
von Buttlar durchgeführten Exkursion waren ebenfalls von der
Verknüpfung der Wissenschaften geprägt. Wir besichtigten
das Fotoarchiv des Musée d'Orsay. Einblick in aufwändige
Restaurierungstechniken wurden auch im Abguss-Museum der Nationaldenkmäler
Frankreichs offenbar. Es befindet sich noch im Bau. Ein umfangreiches
Programm zur Museumsarchitektur und Sammlungsgeschichte, zu den
Schnittstellen von Kunst, Wissenschaft und Museum bot die Besichtigung
des Musée des arts et métiers, eines der frühesten
öffentlichen Technikmuseen Europas. Ein ehemaliger TU-Dozent,
Dr. Gregor Wedekind, hatte außerdem einen Besuch im Deutschen
Forum für Kunstgeschichte in Paris arrangiert, sodass die Studierenden
sicherlich genügend Anregung für viele neue Forschungsideen
erhielten.
Sabine Skott,
Studentin
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