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Juni 2004
 
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DFG-Vizepräsident Prof. Dr. Helmut Schwarz über Provinzialität und zeitgemäße Anforderungen an die Nachwuchsförderung

 
  Helmut Schwarz

Eine aktuelle DFG-Studie belegt, dass die Abwanderung deutscher Wissenschaftler weniger dramatisch ist, als öffentlich wahrgenommen. TU intern sprach mit TU-Professor und DFG-Vizepräsident Helmut Schwarz über die Ergebnisse.

Herr Professor Schwarz, hat Deutschland ein Abwanderungsproblem oder nicht?

Quantitativ gesehen, ist die DFG-Studie beruhigend. Nur 15 Prozent derjenigen, die ihre DFG-Förderung für einen Auslandsaufenthalt nutzten, bleiben langfristig im Ausland. Die Frage ist, ob diese 15 Prozent die Besseren sind. Wir wissen es nicht. Ich selber sehe kein Problem darin, dass ein deutscher Wissenschaftler seine Karriere im Ausland fortsetzt. Sorge hätte ich nur, wenn es uns nicht gelänge, ähnlich viele Ausländer dafür zu interessieren, hier ihre wissenschaftliche Zukunft zu sehen. Leider stellen sich die meisten Universitäten, anders als die Max-Planck-Gesellschaft, noch nicht dem Wettbewerb um die kreativsten Köpfe. Sie suchen für die Besetzung einer Professur nicht wirklich weltweit. Wir müssen aber auch die Instrumente zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses schärfen.

Was heißt das konkret?

Das Emmy-Noether-Programm ist wesentlich attraktiver in der Ausstattung, in der Lehrbelastung, im wissenschaftlichen Ansehen als die Juniorprofessur. Aber diese Stipendiaten sind an der Universität Personen ohne Rechte. Wenn es den Universitäten gelänge, dieses Exzellenz-Programm für Nachwuchswissenschaftler im Ausland, ob deutsch oder nicht, so zu formen, dass sie in einer Art "tenure track"-Verfahren in der Hochschule eingebunden würden, dann wäre deren Sorge, in Deutschland keine Berufsaussichten zu sehen, behoben. Oder ein anderes Beispiel: Ein Heisenberg-Stipendiat darf laut Gesetz keine Doktoranden betreuen. Ein Juniorprofessor, ob fachlich besser oder schlechter, darf dies, nur weil er ein anderes Etikett hat. Absurd. Die DFG hat mit einer Hand voll Universitäten Musterverträge abgeschlossen, damit die Heisenberg- oder Emmy-Noether-Stipendiaten all das dürfen, was auch ein Juniorprofessor darf.

Sie sorgen sich weniger um den deutschen Nachwuchswissenschaftler, der nicht nach Deutschland kommt, als vielmehr um den exzellenten an sich ...

Ja, die Fokussierung auf den jungen deutschen Wissenschaftler ist provinziell. Wir sollten endlich anfangen, in einem europäischen Forschungsraum zu agieren, und dafür exzellente Wissenschaftler gewinnen, woher auch immer. Auf europäischer Ebene müssen Förderinstrumente eingerichtet werden, die uns mehr europäisch als national-patriotisch denken lassen. Die DFG wird deshalb ihre Exzellenz-Programme künftig für jeden öffnen - unabhängig von der Nationalität. Aber um Exzellenz zu erreichen sind noch andere Aspekte wichtig.

Welche?

Die Auswahl der Studierenden muss ureigenstes Recht der Universitäten sein, bei der Auswahl der Hochschullehrer muss absolute Strenge walten, und wir brauchen endlich eine leistungsgerechte Besoldung. Das jetzige System bietet keinen finanziellen Anreiz, nach Deutschland zu kommen.

Weder der Juniorprofessur noch dem Emmy-Noether-Programm gelingt es überzeugend, ausländische Wissenschaftler anzulocken. Woran liegt das?

Die Juniorprofessur ist wesentlich unattraktiver als eine Assistenzprofessur an einer guten amerikanischen Universität. Dort würde kein Assistenzprofessor auf einer Stelle arbeiten, die ihn zu sechs und mehr Lehrstunden verpflichtet, plus administrative Aufgaben. - Niemand, denn er muss sich primär über seine Forschungsleistung qualifizieren. Beim Emmy-Noether-Programm war es bislang ein Strukturproblem. Dort konnte sich nur bewerben, wer seinen Forschungs- und Lebensmittelpunkt bereits in Deutschland hatte. Das ändert die DFG nun.

Das Gespräch führte Sybille Nitsche

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