Hinweise zur Selbstentfesselung
DFG-Vizepräsident Prof. Dr. Helmut Schwarz über Provinzialität
und zeitgemäße Anforderungen an die Nachwuchsförderung
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Helmut Schwarz |
Eine aktuelle DFG-Studie
belegt, dass die Abwanderung deutscher Wissenschaftler weniger dramatisch
ist, als öffentlich wahrgenommen. TU intern sprach mit TU-Professor
und DFG-Vizepräsident Helmut Schwarz über die Ergebnisse.
Herr Professor Schwarz, hat Deutschland ein Abwanderungsproblem
oder nicht?
Quantitativ gesehen, ist die DFG-Studie beruhigend. Nur 15 Prozent
derjenigen, die ihre DFG-Förderung für einen Auslandsaufenthalt
nutzten, bleiben langfristig im Ausland. Die Frage ist, ob diese
15 Prozent die Besseren sind. Wir wissen es nicht. Ich selber sehe
kein Problem darin, dass ein deutscher Wissenschaftler seine Karriere
im Ausland fortsetzt. Sorge hätte ich nur, wenn es uns nicht
gelänge, ähnlich viele Ausländer dafür zu interessieren,
hier ihre wissenschaftliche Zukunft zu sehen. Leider stellen sich
die meisten Universitäten, anders als die Max-Planck-Gesellschaft,
noch nicht dem Wettbewerb um die kreativsten Köpfe. Sie suchen
für die Besetzung einer Professur nicht wirklich weltweit.
Wir müssen aber auch die Instrumente zur Förderung des
wissenschaftlichen Nachwuchses schärfen.
Was heißt das konkret?
Das Emmy-Noether-Programm
ist wesentlich attraktiver in der Ausstattung, in der Lehrbelastung,
im wissenschaftlichen Ansehen als die Juniorprofessur. Aber diese
Stipendiaten sind an der Universität Personen ohne Rechte.
Wenn es den Universitäten gelänge, dieses Exzellenz-Programm
für Nachwuchswissenschaftler im Ausland, ob deutsch oder nicht,
so zu formen, dass sie in einer Art "tenure track"-Verfahren
in der Hochschule eingebunden würden, dann wäre deren
Sorge, in Deutschland keine Berufsaussichten zu sehen, behoben.
Oder ein anderes Beispiel: Ein Heisenberg-Stipendiat darf laut Gesetz
keine Doktoranden betreuen. Ein Juniorprofessor, ob fachlich besser
oder schlechter, darf dies, nur weil er ein anderes Etikett hat.
Absurd. Die DFG hat mit einer Hand voll Universitäten Musterverträge
abgeschlossen, damit die Heisenberg- oder Emmy-Noether-Stipendiaten
all das dürfen, was auch ein Juniorprofessor darf.
Sie sorgen sich weniger um den deutschen Nachwuchswissenschaftler,
der nicht nach Deutschland kommt, als vielmehr um den exzellenten
an sich ...
Ja, die Fokussierung auf den jungen deutschen Wissenschaftler ist
provinziell. Wir sollten endlich anfangen, in einem europäischen
Forschungsraum zu agieren, und dafür exzellente Wissenschaftler
gewinnen, woher auch immer. Auf europäischer Ebene müssen
Förderinstrumente eingerichtet werden, die uns mehr europäisch
als national-patriotisch denken lassen. Die DFG wird deshalb ihre
Exzellenz-Programme künftig für jeden öffnen - unabhängig
von der Nationalität. Aber um Exzellenz zu erreichen sind noch
andere Aspekte wichtig.
Welche?
Die Auswahl der Studierenden muss ureigenstes Recht der Universitäten
sein, bei der Auswahl der Hochschullehrer muss absolute Strenge
walten, und wir brauchen endlich eine leistungsgerechte Besoldung.
Das jetzige System bietet keinen finanziellen Anreiz, nach Deutschland
zu kommen.
Weder der Juniorprofessur noch dem Emmy-Noether-Programm gelingt
es überzeugend, ausländische Wissenschaftler anzulocken.
Woran liegt das?
Die Juniorprofessur ist wesentlich unattraktiver als eine Assistenzprofessur
an einer guten amerikanischen Universität. Dort würde
kein Assistenzprofessor auf einer Stelle arbeiten, die ihn zu sechs
und mehr Lehrstunden verpflichtet, plus administrative Aufgaben.
- Niemand, denn er muss sich primär über seine Forschungsleistung
qualifizieren. Beim Emmy-Noether-Programm war es bislang ein Strukturproblem.
Dort konnte sich nur bewerben, wer seinen Forschungs- und Lebensmittelpunkt
bereits in Deutschland hatte. Das ändert die DFG nun.
Das Gespräch führte Sybille Nitsche
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