Gesundheitssysteme effizient managen
Internationale Studie: vier Länder im Vergleich
Unzählige Kommissionen haben sich mit der zukünftigen
Finanzierung der Gesundheitsausgaben auseinander gesetzt und sind
teilweise zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen gekommen.
Patentrezepte gibt es offenbar nicht.
Nun haben die TU-Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Klaus-Dirk
Henke und Dr. Jonas Schreyögg im Auftrag der International
Social Security Association (ISSA) die Maßnahmen anderer
Länder mit ähnlichen Problemen untersucht. Die Studie
wollte innovative Ansätze einzelner Länder zur nachhaltigen
Finanzierung von Gesundheitsleistungen identifizieren. Dazu wurden
die gesetzlichen Krankenversicherungen in den Niederlanden, Frankreich,
Japan und in Deutschland systematisch miteinander verglichen. Das
Ergebnis der englischsprachigen Studie erscheint in Buchform im
Laufe des Sommers.
In allen Ländern zahlen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen
prozentualen Beitrag in eine gesetzliche Krankenversicherung ein,
doch dann variieren Organisation und Finanzierung deutlich.
In den Niederlanden wurde bereits vor 30 Jahren eine Teilung der
Krankenversicherung vorgenommen. Eine umfassende Pflegeversicherung
finanziert auch langfristige Krankenhausaufenthalte. Das Management
dieser Pflegeversicherung wird regelmäßig in 31 Regionen
alle fünf Jahre ausgeschrieben, sodass sich Krankenkassen bei
den Länderregierungen für diese Konzession bewerben können.
In der Regel wird die Kasse ausgewählt, die mit den geringsten
Kosten die gegebenen Qualitätsstandards bereitstellt. Alle
Bürger einer Region sind bei dieser Krankenkasse pflichtversichert.
Für die normale Gesundheitsversorgung wählen die Bürger,
ähnlich wie in Deutschland, eine der verschiedenen konkurrierenden
Krankenkassen. Diese tragen jedoch, anders als in Deutschland, ein
wesentlich höheres finanzielles Risiko, während der Beitragssatz
für alle identisch ist.
Frankreich vertraut auf ein stärker reguliertes und staatliches
Gesundheitssystem. Die Bürger werden nach Berufstätigkeit,
ähnlich wie früher in Deutschland, einer bestimmten Krankenkasse
zugeteilt. Ein wichtiger Unterschied zu Deutschland ist der Kreis
der Pflichtversicherten und der Umfang der Bemessungsgrundlage für
die Krankenkassenbeiträge. Alle Bürger sind in diesem
System zwangsversichert, und für die Berechnung des Beitrags
werden auch Einkünfte wie Mieterträge und Kapitaleinkünfte
herangezogen.
Die gesetzliche Krankenversicherung Japans ähnelt aufgrund
ihres stärker regulierten Charakters am ehesten dem französischen
System. Besonders hervorzuheben ist das System der sozial gestaffelten
Selbstbeteiligung mit den damit verbundenen positiven ökonomischen
Anreizen. Für nahezu alle Gesundheitsleistungen müssen
die Bürger Japans einen bestimmten Anteil aus der eigenen Tasche
zahlen. Dieser richtet sich nach dem jeweiligen Einkommen, sodass
kein Bürger über die Maßen belastet wird.
Insgesamt ist auffällig, dass alle drei Länder, bei ähnlicher
Lebenserwartung und hohen Qualitätsstandards, geringere Gesundheitsausgaben
pro Kopf aufweisen als Deutschland. Während die Deutschen mittlerweile
pro Kopf und Jahr rund 2700 Euro für Gesundheitsleistungen
ausgeben, liegen die Ausgaben der anderen Länder bei rund 2400
Euro oder knapp darunter. Aus diesen und anderen Gründen schließen
die Autoren, dass interessante und erfolgreiche Ansätze aus
Frankreich, Japan und den Niederlanden in stärkerem Maße
in die gesundheitspolitische Diskussion einbezogen werden sollten.
Diese müssen dann ergänzt werden um den Vergleich mit
den steuerfinanzierten Systemen Skandinaviens und Englands.
Als übergreifende zukünftige Herausforderungen werden
schließlich der verstärkte Einsatz einer ganzheitlichen
und patientenorientierten integrierten Versorgung thematisiert,
die Prioritätensetzung im Gesundheitswesen, neue Wege einer
nachhaltigen Finanzierung sowie die Zukunft der Wohlfahrtsstaaten
in Europa.
Prof. Dr. Klaus-Dirk Henke,
Dr. Jonas Schreyögg
http://finance.ww.tu-berlin.de
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