Töne aus dem Kraftwerk
Edgard-Varèse-Professor Trevor Wishart experimentiert
im elektronischen Studio mit neuen Klängen
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Die Partitur der Klanginstallation:
Gastprofessor Trevor Wishart (r.), hier mit Folkmar Hein, Leiter
des elektronischen Studios |
Nicht nur zur Entspannung seiner Hörer, nicht nur um die
Schönheit der Natur zu imitieren, sondern vor allem als Klangexperiment
komponiert der britische Musiker Trevor Wishart seine Stücke.
Er tut dies nicht am Piano, sondern am Mischpult eines elektronischen
Studios. Und er benutzt Töne, die es schon gibt: das Stampfen
von Maschinen, das Zwitschern der Vögel oder die menschliche
Stimme. Sie alle werden analysiert, verfremdet, verändert und
neu zusammengemischt.
Der 58-Jährige, der für seine Kompositionen eigene Software-Tools
entwickelt hat, hat derzeit die Edgard-Varèse-Gastprofessur
für Computermusik an der TU Berlin inne. Die Professur wurde
2000 vom Deutschen
Akademischen Austauschdienst (DAAD), vom damaligen Sender Freies
Berlin (SFB) und der TU Berlin eingerichtet.
"Meine Eltern gaben ihr Bestes, um mich von dem Berufsziel
Musiker' fern zu halten", erzählt Wishart. "Ich
spielte allerdings schon mit fünf Jahren Klavier, fing mit
sieben an zu komponieren, bemühte mich, Chemie zu studieren,
bin aber schon nach sechs Monaten wieder auf Musik umgeschwenkt."
Nach dem Tod seines Vaters, eines Fabrikarbeiters in Leeds, gab
Wishart 1969 das konventionelle Komponieren auf. Er begann mit aufgenommenen
Tönen von Maschinen in Fabriken, Gießereien und Kraftwerken
zu experimentieren. Der Klang wurde vielfältig elektronisch
transformiert und das Ergebnis mit Schnipseln zeitgenössischer
Klänge, zum Beispiel Nachrichten von der Mondlandung, gemischt.
Heraus kamen die beiden ersten elektronischen Kompositionen "Machine"
und "Machine 2".
Kein Stück war seither wie das andere. Trevor Wishart erhielt
viele Preise für seine Ideen, beispielsweise auf dem "Gaudeamus
Festival", der Linzer "Ars Electronica" oder dem
Festival für elektronische Musik in Bourges. Er lehrt unter
anderem in Australien, Kanada, den USA und vor allem im englischen
York mit dem besten elektronischen Studio Großbritanniens.
Seine "Sounds Fun"-Bücher erschienen sogar auf Japanisch,
"On Sonic Art" (1984) und "Audible Design" (1994)
gelten mittlerweile in der Branche als Klassiker. Insbesondere über
die akustische Kunst, sein "audible design" und über
verschiedene von ihm entwickelte Sound-Software wie "Sound
Loom", klärt er auch die TU-Studierenden auf. "Die
jungen Leute sollen lernen, dass der Computer nicht nur zum Rechnen
da ist, sondern auch ein kreatives Musikinstrument sein kann. Um
es zu spielen, braucht man allerdings Kenntnisse aus der Informatik",
erklärt Wishart und er fügt schmunzelnd hinzu: "Ich
selbst habe früher Mathematikbücher nur so aus Spaß
gelesen." Er spielt ihnen vor aus "Two Women - Four Voiceprints",
Sprachfetzen von Prinzessin Diana und Margret Thatcher, verfremdet,
verzerrt und neu zusammengesetzt, oder aus "Imago", Klangmetamorphosen
aus Meeresrauschen, Vogelzwitschern und menschlicher Stimme.
Folkmar Hein, Leiter des elektronischen Studios an der TU Berlin,
ist stolz, Trevor Wishart hier zu haben: "Wenn sie ihn und
andere beobachten, lernen unsere Studierenden hautnah das Ziel und
den Effekt des Programmierens kennen."
Auf dem Festival "Inventionen"
stellt Trevor Wishart im Juni als Weltpremiere sein neuestes Werk
"Globalalia" vor. Er hat dafür Sprachabdrücke
aus 26 Sprachen gesammelt, sie in 8000 Silben zerlegt, transformiert
und aus diesem musikalischen Material sozusagen ein weltumspannendes
Werk komponiert: Ein Experiment für die Ohren ist programmiert.
Patricia Pätzold
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