6/04
Juni 2004
 
TU intern
6/2004 als
pdf-Datei
(2,0 MB)
 Themenseiten 
Titel
Inhalt
Aktuell
Innenansichten
Lehre & Studium
Forschung
Alumni
Internationales
Menschen
Vermischtes
Impressum
TU-Homepage

Töne aus dem Kraftwerk

Edgard-Varèse-Professor Trevor Wishart experimentiert im elektronischen Studio mit neuen Klängen

Die Partitur der Klanginstallation: Gastprofessor Trevor Wishart (r.), hier mit Folkmar Hein, Leiter des elektronischen Studios

Nicht nur zur Entspannung seiner Hörer, nicht nur um die Schönheit der Natur zu imitieren, sondern vor allem als Klangexperiment komponiert der britische Musiker Trevor Wishart seine Stücke. Er tut dies nicht am Piano, sondern am Mischpult eines elektronischen Studios. Und er benutzt Töne, die es schon gibt: das Stampfen von Maschinen, das Zwitschern der Vögel oder die menschliche Stimme. Sie alle werden analysiert, verfremdet, verändert und neu zusammengemischt.

Der 58-Jährige, der für seine Kompositionen eigene Software-Tools entwickelt hat, hat derzeit die Edgard-Varèse-Gastprofessur für Computermusik an der TU Berlin inne. Die Professur wurde 2000 vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), vom damaligen Sender Freies Berlin (SFB) und der TU Berlin eingerichtet.

"Meine Eltern gaben ihr Bestes, um mich von dem Berufsziel ‚Musiker' fern zu halten", erzählt Wishart. "Ich spielte allerdings schon mit fünf Jahren Klavier, fing mit sieben an zu komponieren, bemühte mich, Chemie zu studieren, bin aber schon nach sechs Monaten wieder auf Musik umgeschwenkt." Nach dem Tod seines Vaters, eines Fabrikarbeiters in Leeds, gab Wishart 1969 das konventionelle Komponieren auf. Er begann mit aufgenommenen Tönen von Maschinen in Fabriken, Gießereien und Kraftwerken zu experimentieren. Der Klang wurde vielfältig elektronisch transformiert und das Ergebnis mit Schnipseln zeitgenössischer Klänge, zum Beispiel Nachrichten von der Mondlandung, gemischt. Heraus kamen die beiden ersten elektronischen Kompositionen "Machine" und "Machine 2".

Kein Stück war seither wie das andere. Trevor Wishart erhielt viele Preise für seine Ideen, beispielsweise auf dem "Gaudeamus Festival", der Linzer "Ars Electronica" oder dem Festival für elektronische Musik in Bourges. Er lehrt unter anderem in Australien, Kanada, den USA und vor allem im englischen York mit dem besten elektronischen Studio Großbritanniens. Seine "Sounds Fun"-Bücher erschienen sogar auf Japanisch, "On Sonic Art" (1984) und "Audible Design" (1994) gelten mittlerweile in der Branche als Klassiker. Insbesondere über die akustische Kunst, sein "audible design" und über verschiedene von ihm entwickelte Sound-Software wie "Sound Loom", klärt er auch die TU-Studierenden auf. "Die jungen Leute sollen lernen, dass der Computer nicht nur zum Rechnen da ist, sondern auch ein kreatives Musikinstrument sein kann. Um es zu spielen, braucht man allerdings Kenntnisse aus der Informatik", erklärt Wishart und er fügt schmunzelnd hinzu: "Ich selbst habe früher Mathematikbücher nur so aus Spaß gelesen." Er spielt ihnen vor aus "Two Women - Four Voiceprints", Sprachfetzen von Prinzessin Diana und Margret Thatcher, verfremdet, verzerrt und neu zusammengesetzt, oder aus "Imago", Klangmetamorphosen aus Meeresrauschen, Vogelzwitschern und menschlicher Stimme.

Folkmar Hein, Leiter des elektronischen Studios an der TU Berlin, ist stolz, Trevor Wishart hier zu haben: "Wenn sie ihn und andere beobachten, lernen unsere Studierenden hautnah das Ziel und den Effekt des Programmierens kennen."

Auf dem Festival "Inventionen" stellt Trevor Wishart im Juni als Weltpremiere sein neuestes Werk "Globalalia" vor. Er hat dafür Sprachabdrücke aus 26 Sprachen gesammelt, sie in 8000 Silben zerlegt, transformiert und aus diesem musikalischen Material sozusagen ein weltumspannendes Werk komponiert: Ein Experiment für die Ohren ist programmiert.

Patricia Pätzold

© TU-Pressestelle 6/2004 | TU intern | Impressum | Leserbriefe