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"Da liegt Musike drin"

Des Architekten Hans Poelzigs unverwechselbare Handschrift - Orte der Erinnerung

Rosen umranken heute das Grab von Hans Poelzig auf dem Alten Friedhof in Wannsee

Als Berliner war der Architekt, Maler und Hochschullehrer Hans Poelzig nüchternen Sinnes. Statt "Herr Professor" ließ er sich "Meister" nennen. Er verstand sich öffentlichkeitswirksam zu inszenieren, war ein unermüdlicher Arbeiter, und seine Stimme war laut und entschieden. Er formulierte rhetorisch spitz, knapp und präzise. Solche Talente waren einem Stararchitekten und Hochschullehrer im Berlin der ausgehenden Zwanzigerjahre sehr nützlich ... und sehr gefährlich.

Nach seinem Architekturstudium an der TH Berlin, nachhaltig geprägt durch den Baukunstprofessor Karl Schäfer, begann Hans Poelzig seine Karriere 1894 aber zunächst in der "Provinz". Er wurde Lehrer für Stilkunde an der Breslauer Akademie für Kunst und Kunstgewerbe und 1903 ihr Direktor, später war er Stadtbaurat in Dresden. Die Architektur befand sich in einem revolutionären Umbruch: Der Historismus wurde vom Jugendstil abgelöst, dieser bald vom Expressionismus, von der Neuen Sachlichkeit und vom Bauhaus. Schließlich - nach 1933 - dominierte der NS-Monumentalstil. Poelzigs unverwechselbare Handschrift jedoch mied alle Extreme und Doktrinen, verband die Moderne mit der Tradition. Er legte Wert auf ein am täglichen Leben orientiertes Bauen und hütete sich, eine bestimmte Form zu empfehlen. Mit dem Deutschen Werkbund, der Handwerk und industrielle Massenproduktion zu verbinden suchte, teilte Poelzig die Orientierung auf das Gute, Solide und Schöne für jedermann. Einer Industrialisierung des Bauens stand er jedoch skeptisch gegenüber, ebenso wie dem Prinzipienfanatismus der Moderne.

Der Auftrag, der ihn 1920 populär machte, kam von Max Reinhard: Der Umbau des Großen Schauspielhauses zum "Theater der Fünftausend" nahe der Friedrichstraße mit der expressionistischen Stalaktitenkuppel wurde eine Sensation und ihr Architekt Berliner Stadtgespräch. Dieses neue Großtheater galt als "Gebilde der Revolution" und "Symbol der Demokratie". 1923 erfolgte seine Berufung zum Professor an die Architekturfakultät der TH Berlin, neben der Stuttgarter Hochschule die bedeutendste Lehranstalt der Weimarer Republik. Als ungewöhnlich moderner Lehrer unterwies er seine Studenten, ihre Projekte vorzustellen, zu verkaufen und sich gegenseitig sachlich zu kritisieren. Mit einem Lächeln sollten sie kritische Schläge austeilen und einstecken. Lob verteilte Poelzig spärlich. Gefiel ihm ein Projekt, sagte er: "Da liegt Musike drin."

Mit vielen heute noch erhaltenen Gebäuden prägte Poelzig architektonisch das Berlin seiner Zeit: Das Kino "Capitol" am Zoo, das "Haus des Rundfunks" in der Masurenallee, das Berliner Messegelände, das Kino Babylon und ein Teil der Häuser um den Bülow- (heute: Rosa-Luxemburg-)Platz. Nach 1933 vertrieben die Nazis Poelzig aus seinem Amt an der TH Berlin. Er erwog eine Übersiedlung in die Türkei. Am 14. Juni 1936 starb Hans Poelzig in Berlin und fand seine letzte Ruhe auf dem Alten Friedhof in Berlin-Wannsee.

Hans Christian Förster

Lesetipp: Die am 4. Juli 1931 von Hans Poelzig gehaltene Rede "Der Architekt" vor dem Bund Deutscher Architekten. Dieses Werk ist nach den Worten von Theodor Heuss Poelzigs Vermächtnis. Seine Rede ist ein Dokument, das kritisch zu lesen sich auch 2004 noch lohnt. Man staunt immer, wie klug die Leute schon einmal waren.

hcf

Hans Poelzig: Der Architekt (Berlin: Architextbook-Verlag Düttmann, 1986)

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