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November 2004
 
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"Mathematik wurde bei uns vernachlässigt"

Forschungsförderung in Russland - auch die Industrie soll jetzt helfen

Im virtuellen Portal des "Matheons" lassen sich die russischen Wissenschaftler von Mathematiker Dr. Peter Brinkmann (r.) die Anwendung der Mathematik in 3-D zeigen: Vitali Konov (l.) mit weiteren hochrangigen Mitgliedern der russischen Forschungsförderung

Das DFG-Forschungszentrum "Mathematik für Schlüsseltechnologien ,Matheon'", das seinen Sitz an der TU Berlin hat, wächst nicht nur als Forschungseinrichtung, sondern auch im internationalen Ansehen. Es hat mittlerweile 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in rund 60 Projekten und empfängt viele Besucher. Sie interessieren sich nicht nur für die Mathematik, sondern auch für die Möglichkeiten und die Bedeutung solcher so genannter "Exzellenz-Cluster". Aus Russland informierten sich kürzlich eine Delegation des Ausschusses für Wissenschaft und Bildung der "Duma", des russischen Parlaments, sowie eine Delegation der russischen Stiftung für Grundlagenforschung (Russian Foundation for Basic Research - RFBR) auf Einladung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). TU intern sprach mit Professor Dr. Vitali I. Konov, Direktor des Physikalischen Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften und Vize-Präsident der RFBR.

Professor Konov, was können Sie aus dem Besuch im "Matheon" der TU Berlin konkret mitnehmen und wie können Sie es in Ihrem Land anwenden?

Der Ausbau der Mathematik ist bei uns in den letzten Jahren etwas vernachlässigt worden, wie wir zu Recht kritisiert wurden. Hier konnten wir anhand vieler anschaulicher Beispiele erleben, wie komplexe mathematische Modelle helfen können, praktische Probleme zu lösen. Die Konzentration und Kombination vieler Forscher mit verschiedenen Schwerpunkten in einem Zentrum ist eine gute Idee. Im Stadium unserer Entwicklung ist das für uns allerdings derzeit keine Option. Dazu fehlt einfach das Geld. Der Trend geht in Russland derzeit sogar eher in die entgegengesetzte Richtung. Politisch gewollt ist weniger der Aufbau neuer Forschungszentren, sondern die Optimierung vorhandener Ressourcen. Unser nächstes Ziel ist es, möglichst viel Geld in individuelle Forschung zu stecken.

Welche Möglichkeiten gibt es, Forschung durch andere als Regierungskassen zu fördern?

Geld von außen würde unserer Forschung gut tun, besonders der Grundlagenforschung. Unsere Hochtechnologie-Industrie ist allerdings nicht in der Lage, andere als anwendungsorientierte Forschung zu unterstützen. Wir diskutieren zurzeit, wie wir das verbessern können. Es gibt allerdings auch wenige positive Beispiele: Die Firma, die die Nobelpreis-Medaillen produziert, gibt jährlich 10,2 Millionen Dollar. Wir hoffen, dass das Schule macht.

Junge Forscher bei uns verabschieden sich häufig in die USA, weil sie dort bessere Bedingungen vorfinden. Wie kann man in Russland dem "brain drain" entgegenwirken?

Bei uns verabschieden sich die Forscher in Richtung Deutschland (lacht). Natürlich ist das für uns ein ernstes Problem. Insbesondere bei den Wissenschaftlern im mittleren Alter klafft eine große Lücke. Nicht alle, die die Wissenschaft verlassen, gehen ins Ausland. Viele suchen auch im außeruniversitären Sektor, in der Wirtschaft ihr Glück. Das können wir nicht genau verfolgen. Fest steht: Sie gehen der Wissenschaft verloren. Wir diskutieren derzeit mit der DFG, welche Programme wir auflegen können, um einen besseren Austausch für junge Wissenschaftler zu finden und außerdem zu gewährleisten, dass sie mit ihren neuen Erfahrungen und Erkenntnissen dann auch in die Heimat zurückkommen. Nebenbei bemerkt hat Russland bereits mit Deutschland den besten Austausch überhaupt.

Welche Prioritäten würden Sie für neue Kooperationen mit der deutschen Forschung setzen?

Die Mathematik wäre in der Tat ein interessantes Feld. Per definitionem fördert unsere Organisation allerdings die Grundlagenforschung auf allen Gebieten, daher setzen wir keine Prioritäten. Einziges Kriterium für die Unterstützung der Forschungsinitiativen ist für uns die Qualität.

Das Gespräch führte Patricia Pätzold

www.matheon.de

 

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