"Mathematik wurde bei uns vernachlässigt"
Forschungsförderung in Russland - auch die Industrie soll
jetzt helfen
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Im virtuellen Portal des "Matheons"
lassen sich die russischen Wissenschaftler von Mathematiker
Dr. Peter Brinkmann (r.) die Anwendung der Mathematik in 3-D
zeigen: Vitali Konov (l.) mit weiteren hochrangigen Mitgliedern
der russischen Forschungsförderung |
Das DFG-Forschungszentrum "Mathematik für Schlüsseltechnologien
,Matheon'", das seinen Sitz an der TU Berlin hat, wächst
nicht nur als Forschungseinrichtung, sondern auch im internationalen
Ansehen. Es hat mittlerweile 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
in rund 60 Projekten und empfängt viele Besucher. Sie interessieren
sich nicht nur für die Mathematik, sondern auch für die
Möglichkeiten und die Bedeutung solcher so genannter "Exzellenz-Cluster".
Aus Russland informierten sich kürzlich eine Delegation des
Ausschusses für Wissenschaft und Bildung der "Duma",
des russischen Parlaments, sowie eine Delegation der russischen
Stiftung für Grundlagenforschung (Russian Foundation for Basic
Research - RFBR) auf Einladung der Deutschen
Forschungsgemeinschaft (DFG). TU intern sprach mit Professor
Dr. Vitali I. Konov, Direktor des Physikalischen Instituts der Russischen
Akademie der Wissenschaften und Vize-Präsident der RFBR.
Professor Konov, was können Sie aus dem Besuch im "Matheon"
der TU Berlin konkret mitnehmen und wie können Sie es in Ihrem
Land anwenden?
Der Ausbau der Mathematik ist bei uns in den letzten Jahren etwas
vernachlässigt worden, wie wir zu Recht kritisiert wurden.
Hier konnten wir anhand vieler anschaulicher Beispiele erleben,
wie komplexe mathematische Modelle helfen können, praktische
Probleme zu lösen. Die Konzentration und Kombination vieler
Forscher mit verschiedenen Schwerpunkten in einem Zentrum ist eine
gute Idee. Im Stadium unserer Entwicklung ist das für uns allerdings
derzeit keine Option. Dazu fehlt einfach das Geld. Der Trend geht
in Russland derzeit sogar eher in die entgegengesetzte Richtung.
Politisch gewollt ist weniger der Aufbau neuer Forschungszentren,
sondern die Optimierung vorhandener Ressourcen. Unser nächstes
Ziel ist es, möglichst viel Geld in individuelle Forschung
zu stecken.
Welche Möglichkeiten gibt es, Forschung durch andere als
Regierungskassen zu fördern?
Geld von außen würde unserer Forschung gut tun, besonders
der Grundlagenforschung. Unsere Hochtechnologie-Industrie ist allerdings
nicht in der Lage, andere als anwendungsorientierte Forschung zu
unterstützen. Wir diskutieren zurzeit, wie wir das verbessern
können. Es gibt allerdings auch wenige positive Beispiele:
Die Firma, die die Nobelpreis-Medaillen produziert, gibt jährlich
10,2 Millionen Dollar. Wir hoffen, dass das Schule macht.
Junge Forscher bei uns verabschieden sich häufig in die
USA, weil sie dort bessere Bedingungen vorfinden. Wie kann man in
Russland dem "brain drain" entgegenwirken?
Bei uns verabschieden sich die Forscher in Richtung Deutschland
(lacht). Natürlich ist das für uns ein ernstes Problem.
Insbesondere bei den Wissenschaftlern im mittleren Alter klafft
eine große Lücke. Nicht alle, die die Wissenschaft verlassen,
gehen ins Ausland. Viele suchen auch im außeruniversitären
Sektor, in der Wirtschaft ihr Glück. Das können wir nicht
genau verfolgen. Fest steht: Sie gehen der Wissenschaft verloren.
Wir diskutieren derzeit mit der DFG, welche Programme wir auflegen
können, um einen besseren Austausch für junge Wissenschaftler
zu finden und außerdem zu gewährleisten, dass sie mit
ihren neuen Erfahrungen und Erkenntnissen dann auch in die Heimat
zurückkommen. Nebenbei bemerkt hat Russland bereits mit Deutschland
den besten Austausch überhaupt.
Welche Prioritäten würden Sie für neue Kooperationen
mit der deutschen Forschung setzen?
Die Mathematik wäre in der Tat ein interessantes Feld. Per
definitionem fördert unsere Organisation allerdings die Grundlagenforschung
auf allen Gebieten, daher setzen wir keine Prioritäten. Einziges
Kriterium für die Unterstützung der Forschungsinitiativen
ist für uns die Qualität.
Das Gespräch führte Patricia Pätzold
www.matheon.de
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