Schattenwirtschaft
Energiesparendes Konzept mit Regenwasser- und Pflanzenkühlung
in Adlershof
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An der Fassade des Modellgebäudes
ranken die noch jungen Pflanzen an Bambusstangen gen Himmel |
Blauregen, Clematis, wilder Wein und sogar Kiwis klettern aus 150
Fassadenkübeln an den Außen- und Innenhoffassaden des
vierstöckigen HU-Physikgebäudes auf dem Campus
Adlershof hoch. Sie werden geleitet und gehalten von dicken,
naturbelassenen Bambusstangen. Was aussieht wie ein gärtnerisches
Experiment, ist in Wahrheit ein einmaliges Ingenieurbauprojekt zur
Fassadenbegrünung, zur dezentralen Regenwasserbewirtschaftung
und zur Energieeffizienz. Das Modellvorhaben der Senatsverwaltung
für Stadtentwicklung wird wissenschaftlich begleitet und
umgesetzt vom TU-Institut für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung,
Fachgebiet
Wasserhaushalt und Kulturtechnik.
"Die Versiegelung von Stadtgebieten nimmt ständig zu,
sodass immer weniger Regenwasser auf natürlichem Wege abgeleitet
werden kann. Es müssen immer größere und teurere
Abwasserkanäle gebaut werden, damit sie nicht ständig
überlaufen", erklärt Projektleiter Marco Schmidt.
Damit wird das Thema "Stadtentwässerung" für
die Städteplaner immer interessanter. Denn im Extremfall führt
die Veränderung der Flächennutzung bei Starkregen zu Folgeschäden
wie 2002 in Dresden. Bundesweit beträgt der Freiflächenverbrauch
mehr als 120 Hektar, obwohl das Bevölkerungswachstum stagniert.
Das Fachgebiet unter Leitung von Professor Dr. Heiko Diestel hat
schon mehrere alternative Projekte in Berlin durchgeführt.
Das Gebäude auf dem Campus Adlershof vereint nun die Erfahrungen
der letzten Jahre. Es hat als eines der wenigen Gebäude bundesweit
keinerlei Regenwasserableitung. Durch ein ausgeklügeltes System
werden mit dem anfallenden Regenwasser, das in Zisternen aufgefangen
wird, die Schatten spendenden Pflanzen bewässert. Überschüssiges
Wasser wird im Innenhof in einen Teich geleitet, wo es natürlich
versickert. Das schattige, kühlende Grün an den Fassaden
reduziert die Wärmelast der einfallenden Sonnenstrahlen, die
sonst im Sommer abgeführt werden müsste, zum Beispiel
durch Klimaanlagen. Durch ihre Verdunstung kühlen die Pflanzen
gleichzeitig ihre Umgebung, ein zusätzlicher Effekt. Ein Teil
des Regenwassers wird in Kühlungsanlagen geleitet, die die
Klimatisierung der technischen Gebäudeteile gewährleisten.
Bei der so genannten adiabatischen Kühlung wird Wasser in den
Abluftstrom des Gebäudes versprüht und die Zuluft über
einen Wärmetauscher vorgekühlt.
"Das entlastet nicht nur die Umwelt, sondern senkt auch die
Betriebskosten", erklärt Schmidt, "denn bei der Verwendung
von Regenwasser anstelle von Trinkwasser in den Klimaanlagen kann
gleich dreifach gespart werden." Diese Energie sparende Art
der Regenwasserbewirtschaftung nennen die Wissenschaftler "Passive
Gebäudekühlung". Wichtiges Anliegen des Projektes
ist es auch, durch genaue Analysen Messdaten zur exakten Bestimmung
der Gesamtenergiebilanz zu gewinnen, um der passiven Kühlung
Eingang in die deutsche Baurechtsnovelle zu verschaffen.
Marco Schmidt: "Unsere Erfahrungen mit diesem Projekt sind
mittlerweile auch im Ausland sehr gefragt, da weltweit der Energieverbrauch
für die Klimatisierung von Gebäuden dramatisch steigt."
Patricia Pätzold
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