Campus unter Palmen
Die TU Berlin prüft Chancen und Risiken einer deutschen
technischen Universität auf der iranischen Halbinsel Kish
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So planen die Iraner das Leben
auf der Halbinsel Kish. Der Flughafen und andere Baulichkeiten
sind bereits vorhanden.
Foto: flower of the east AG, Zürich |
Mit dem Iran, mit Persien, wird eine sehr alte Kultur assoziiert,
die bereits in den Zeiten des klassischen Altertums in regem Austausch
mit der hellenistischen Kultur stand und sich auch im Islam bis
in die Gegenwart weiterentwickelte: Der Dichter Mohammed Schams
ed-Din mit dem Beinamen "Hafis", der von 1326 bis 1390
in Schiras lebte, wurde von Goethe respektvoll der "heilige
Hafis" genannt. Und wer kennt nicht die herrlichen persischen
Miniaturen?
Aber Iran ist auch ein modernes, junges Land. In den vergangenen
20 Jahren hat sich die Bevölkerung verdreifacht. Mit 17 Millionen
Schülerinnen und Schülern, das sind mehr als ein Viertel
der Gesamtbevölkerung, hat es eine der jüngsten Bevölkerungen
der Welt. Zurzeit werden in Iran 4,5 Millionen Studierende ausgebildet.
Jährlich bewerben sich zwei Millionen Schulabgänger um
einen Studienplatz - aufgenommen werden an den staatlichen Universitäten
jedoch nur 160000, an den privaten noch einmal so viele. Iranische
Studienbewerber wandern daher massiv ins Ausland ab, vor allem ins
benachbarte Dubai, und gehen damit zum Teil der einheimischen Wirtschaft
verloren.
Gleichzeitig verfolgt der Iran ehrgeizige wirtschaftliche Entwicklungsziele.
Zwar ist das Land reich an Bodenschätzen: die fünftgrößten
Vorräte der Welt an Erdöl, die zweitgrößten
an Erdgas, sowie viele Erze und Mineralien. Exportiert werden vor
allem Erdöl, Erdgas und petrochemische Produkte, aber auch
Teppiche und Baumwolle. Die Ausfuhr von Produkten nichtpetrochemischen
Ursprungs soll in den nächsten Jahren massiv gesteigert werden.
Das erfordert deutlich mehr hoch qualifizierte Arbeitskräfte,
vor allem auf den natur- und ingenieurwissenschaftlichen Feldern,
als das Land derzeit in seinen Universitäten ausbilden kann.
In der jüngsten Vergangenheit wurde das iranische Bildungssystem
zahlreichen Reformen unterzogen, um die Ausbildungskapazitäten
deutlich zu erhöhen und damit die Abwanderung von intellektuellem
Potenzial ins Ausland zu reduzieren. Ein Ziel der Reformen ist es
aber auch, Frauen eine bessere Ausbildungs- und Entwicklungsmöglichkeit
zu schaffen. Heute sind bereits 52 Prozent der Studierenden weiblich.
Vor diesem Hintergrund ist das Angebot des persönlichen Beraters
des iranischen Staatspräsidenten und zugleich Leiters aller
iranischen Freihandelszonen an die Technische Universität Berlin
zu sehen, auf der Insel Kish eine deutsche technische Universität
aufzubauen. Die deutsche Seite solle dabei völlig frei in der
Wahl des Lehrangebots sein.
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Kish liegt in einem moderaten
Klima am Persischen Golf gegenüber der arabischen Halbinsel
Karte: flower of the east AG, Zürich |
Die im Persischen Golf gelegene Insel Kish ist als eine von sechs
iranischen Freihandelszonen zweifellos ein attraktiver Ort für
eine ausländische Universitätsgründung. Kish kann
ohne Visum besucht werden. Auf dem Flughafen starten täglich
sechs internationale Flüge, vor allem nach Dubai und Bahrain.
58 Hotels und 11 Shopping-Malls empfangen die Gäste, 24 weitere
Hotels sind im Bau. Mehrere deutsche Unternehmen sind dabei engagiert.
Die Insel gilt als ein Ort, an dem sich iranische Familien erholen,
deren Alltag noch immer durch strenge religiöse Vorschriften
geprägt ist. Zusätzlich zu Tourismus und Shopping sollen
Wissenschaft und umweltfreundliche Industriezweige auf Kish ausgebaut
werden. Eine kleine iranische Universität gibt es bereits.
Die Gründung einer deutschen, technischen Universität
im Iran erscheint sinnvoll. Denkbar ist ein Modell, in dem die Bachelorausbildung
im Iran - oder auf Kish - stattfindet und das Masterstudium anschließend
an der TU Berlin absolviert wird. Solche Studienangebote sind vor
allem für deutsche Unternehmen interessant, die im Iran investieren
wollen und dort nach geeigneten Fachkräften für ihre Niederlassungen
suchen.
Die TU möchte diese Herausforderung annehmen - allerdings
nach gründlicher Abwägung der hiermit verbundenen Chancen
und Risiken. Zurzeit arbeitet die Universität an einer Machbarkeitsstudie,
mit der auch potenzielle wissenschaftliche und wirtschaftliche Partner
in Iran und Deutschland für dieses Projekt gewonnen werden
sollen. Von der Bundesregierung gibt es erste positive Signale.
Die TU Berlin hat traditionell gute Beziehungen zum Iran. Mit den
beiden iranischen Spitzenuniversitäten "Sharif
University of Technology" und "Teheran
University" hat die TU vor kurzem Kooperationsverträge
abgeschlossen. "Spitzenuniversität" heißt -
erläutert am Beispiel von Sharif - unter anderem, dass dort
nach dem jährlichen, landesweiten Eingangstest für alle
Universitäten nur die 800 besten Kandidaten aus der Menge von
zwei Millionen Bewerbern aufgenommen werden. Auf den Feldern Architektur,
Bauingenieurwesen, Informatik, Telekommunikation, Mathematik, Maschinenbau
und Verkehrswesen entwickelt sich gegenwärtig eine breite Zusammenarbeit,
andere Themengebiete werden folgen.
Für Herbst 2005 plant die TU Berlin zusammen mit dem Iranischen
Absolventenverein der TU die Veranstaltung eines gemeinsamen Alumniseminars
an der Teheraner Universität. Dem Verein gehören über
200 aktive Mitglieder an, die in exponierten Positionen in Wirtschaft
und Wissenschaft tätig sind. Erste Kontakte wurden auch mit
den ebenfalls sehr guten Universitäten "Tarbiat
Modarres" und "Iran
University of Science and Technology" aufgebaut.
Eine bewährte Kooperation unterhält die TU Berlin auch
mit dem Building
and Housing Research Center (BHRC) in Teheran. Dieses Center
untersteht unmittelbar dem iranischen Bauminister und ist in Iran
zuständig für die Entwicklung neuer Methoden und Materialien
im Baubereich sowie für die Festlegung von Normen. Für
die schnell wachsende Bevölkerung Irans müssen jährlich
800000 bis eine Million neue Wohnungen gebaut werden.
Die TU Berlin engagiert sich zusammen mit dem BHRC, um neue Leichtbaumaterialien
für den preisgünstigen und erdbebensicheren Wohnungsbau
zu entwickeln. Hierfür werden im Rahmen eines gemeinsamen Modellbauprojektes
ein Mustergebäude in einer Vorstadt von Teheran und eines auf
dem Gelände des BHRC errichtet. Erdbebensicherheit ist eines
der wichtigsten Themen im iranischen Bauwesen. Daher ist geplant,
die Zusammenarbeit auch auf die Untersuchung einer tektonischen
Verwerfungszone auszudehnen, die erst kürzlich im Untergrund
von Teheran entdeckt wurde.
Welche Bedeutung ein solches Vorhaben für die 6,8-Millionen-Stadt
Teheran hat, lässt sich am Erdbeben von Bam ermessen, bei dem
30000 Tote zu beklagen waren. In diesem Zusammenhang breitet sich
noch ein weites Feld der Zusammenarbeit aus. Erst jüngst erschütterte
wieder ein starkes Beben die Region in der Umgebung von Bam. Wegen
der dünnen Besiedlung dieser Region waren glücklicherweise
weniger Opfer zu beklagen. Doch das Erdbeben-Frühwarnsystem
in Iran ist völlig veraltet und neue Katastrophen wegen zu
kurzer Vorwarnzeiten sind vorhersehbar. Wenn weitere Katastrophen
vermieden werden sollen, muss hier schnell gehandelt werden - eine
große Herausforderung für gute wissenschaftliche Zusammenarbeit
zu humanitären Zwecken.
Die vorhandenen und die geplanten wissenschaftlichen Kooperationen
werden bewirken, dass noch mehr Studierende und junge Wissenschaftler
beider Länder als bisher einander begegnen und sich in der
Zusammenarbeit kennen und schätzen lernen. Die jungen Menschen
von heute werden die Garanten für gute iranisch-deutsche Beziehungen
und mehr Frieden in der Region sein.
Prof. Dr. Kurt Kutzler, Präsident
der Technischen Universität Berlin
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