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April 2005
 
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"Es gibt keinen Platz auf der Erde, wo wir Obdach finden"

Internierungslager am Ende der Welt - eine pazifische Lösung

Schiffbrüchige Flüchtlinge vor der Küste Italiens, gerettet von der Hilfsorganisation Cap Anamur. Das waren die beherrschenden Schlagzeilen im Sommer 2004. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) nutzte den Anlass, um ein Konzept der britischen Regierung aufzugreifen und voranzutreiben: die Errichtung von Flüchtlingslagern in Afrika, um Asylbewerber erst gar nicht auf das Territorium der EU zu lassen. Wie solche Lager aussehen könnten, davon überzeugte sich Professor Wolfgang Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung der TU Berlin - in Australien.

Auf einer Vortragsreise im November 2004 konnte Wolfgang Benz eines von sechs Internierungslagern für Asylsuchende in Australien besuchen: das Villawood Immigration Detention Centre, südwestlich von Sydney. Die australische Regierung hatte den Besuchswunsch des renommierten Forschers zwar ausdrücklich abgelehnt, doch es fanden sich andere Wege, in den streng bewachten Komplex zu gelangen. Durch die Sicherheitseinrichtungen war das Lager für Professor Benz schon von weitem zu erkennen: "Zwei Metallzäune, dazwischen ein Verhau aus jenem rasiermesserscharfen gerollten Sägeblatt, das den einstigen Stacheldraht als harmlose Spielerei erscheinen lässt. Ein Menschenkäfig, der Beobachtung in beide Richtungen zulässt", so beschrieb er das Gesehene. Dass diese Einrichtungen nicht nur einer kurzzeitigen Internierung dienen, zeigt der Fall eines Sudanesen, der seit sieben Jahren interniert ist.

Neben den sechs Lagern auf australischem Gebiet existieren zwei weitere auf fremden Territorien: auf Manus Island (Papua-Neuguinea) und auf dem rund 21 Quadratmeter großen Inselchen Nauru im Westpazifik. Auf diese kleine Insel wurden die afghanischen und irakischen Bootsflüchtlinge deportiert, die der norwegische Frachter "Tampa" im August 2001 aus Seenot gerettet hat. Für den Unterhalt des Lagers bezahlt die australische Regierung den kleinen Staat, der auf diese Art und Weise sein Bruttosozialprodukt erheblich verbessert. Darüber hinaus fühlt sich die australische Regierung für die Vorgänge im 2000 Kilometer entfernten Internierungslager jedoch nicht verantwortlich. Die Internierten auf Nauru traten im Dezember 2003 in den Hungerstreik und nähten sich aus Protest teilweise sogar die Lippen zu. Ihr Wortführer versuchte die Hoffnungslosigkeit zu erklären: "Wir flohen aus Afghanistan, um Zuflucht in Australien zu finden, aber die australische Regierung wies uns zurück. Wir hätten nicht bewiesen, dass wir Verfolgte sind. Die afghanische Regierung sagt, dass wir keine Afghanen sind. Wenn wir nach Pakistan oder in den Iran auswandern wollen, sagen die Leute dort, ihr verfluchten dummen Afghanen! Warum seid ihr gekommen? Sie sagen, wir hätten unser Land zerstört und jetzt wollten wir ihres zerstören. Es gibt keinen Platz auf der Erde, wo wir Obdach finden."

"Die Pazifikinsel am Ende der Welt wäre der Prototyp einer europäischen Lösung, wie sie von Schily propagiert wird: Internierungslager fern der eigenen Küsten", so Wolfgang Benz. Das sei jedoch nur eine Scheinlösung, die von der lebensgefährlichen Reise auf Seelenverkäufern übers Mittelmeer nach Italien oder Spanien abhalten soll, um den Europäern die schrecklichen Bilder von Seenot und Untergang zu ersparen.

Carina Baganz

Aus dem Zentrum für Antisemitismusforschung

Verweigertes Asyl

/tui/ Am 7. und 8. April 2005 findet die Konferenz "Verweigertes Asyl. Die Abwehr von Flüchtlingen - zur Aktualität und Geschichte eines humanitären Problems" statt. Zu den Referentinnen und Referenten gehören unter anderem Rupert Neudeck, Gründer der Hilfsorganisation Cap Anamur, Rita Süßmuth, ehemalige Bundestagspräsidentin und Vorsitzende des Ausschusses zur Beratung des Zuwanderungsgesetzes, sowie Edzard Reuter, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Daimler-Benz AG und einst jugendlicher Asylbewerber in der Türkei.

Fit für Demokratie und Toleranz

/tui/ Schülerinnen und Schüler an fünf Schulen in Berlin, Brandenburg und Sachsen werden in dem neuen Projekt "Fit machen - für Demokratie und Toleranz" mit dem Thema Antisemitismus vertraut gemacht werden und ihr Wissen an Gleichaltrige weitergeben. So soll Bewusstsein für subtile Formen des Antisemitismus, mobilisiert unter anderem durch den Nahost-Konflikt, geweckt werden.
Tel.: 314-2 13 97
wetz0154@gmx.de

Der Ort des Terrors

/caba/ Sechzig Jahre nach der Befreiung der Konzentrationslager haben der Historiker Prof. Dr. Wolfgang Benz, Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung, und Dr. h.c. Barbara Distel, Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, den ersten Band von sieben Bänden einer Gesamtdarstellung der Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager vorgelegt. Grundlegende Artikel informieren unter anderem über die Organisationsstruktur, Häftlingskennzeichnungen, Häftlingsgesellschaft, Bewachung, die Entwicklung des KZ-Systems, Todesmärsche und Befreiung. Selbst die justizielle Ahndung der Verbrechen und die literarische Thematisierung nach 1945 fanden Eingang. Der abschließende Band thematisiert Lager außerhalb des offiziellen Konzentrationslager-Systems, wie Arbeitserziehungslager oder Ghettos.

Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.)
Der Ort des Terrors - Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager
Band 1: Die Organisation des Terrors
C. H. Beck-Verlag, München 2005
ISBN 3-406-52961-5

 

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