"Die Provokation mit Nazi-Symbolen hat Methode"
Wie die deutschen Medien auf den Einzug der rechtsextremen NPD
in den Sächsischen Landtag reagierten
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Peter Widmann
Foto: TU-Pressestelle |
Seit den Landtagswahlen im September 2004 sitzen zwölf Vertreter
der rechtsextremen NPD im sächsischen Parlament. Dr. Peter
Widmann vom Zentrum
für Antisemitismusforschung an der TU Berlin untersuchte,
wie die Medien darauf reagierten.
Zu welchen Ergebnissen haben Ihre Untersuchungen geführt?
Es haben sich seit den 90er-Jahren eine Reihe von Stereotypen in
der medialen Darstellung eingeschlichen. Ein Teil der Journalisten
ergreift Partei für die Demokraten gegen die Extremisten. Das
Urteil, das sich der Leser oder Zuschauer bilden soll, wird in Beiträgen
oft vorweggenommen. Das Prinzip der journalistischen Objektivität
wird verletzt. Dies geschieht nicht unreflektiert. Viele Redaktionen
meinen, dass die Berichterstattung ein Teil des Kampfes gegen den
Rechtsextremismus ist. Moralisch ist das nicht zu beanstanden, nutzt
aber letztlich den Rechtsextremen. Sie können sich leicht als
Märtyrer in einer vermeintlich gleichgeschalteten Medienlandschaft
inszenieren. Etwas mehr Zurückhaltung würde der NPD die
Provokation wahrscheinlich erschweren. Die Medien sind zudem fixiert
auf die nationalsozialistischen Bezüge in Reden, Aufmärschen
und in der Symbolik der NPD, sodass wesentlich grundsätzlichere
Themen nicht angesprochen werden.
Welche Themen sind das?
Die Ursache für die Empörung sind zwei Reden von NPD-Abgeordneten
im Sächsischen Landtag. Darin ging es um den unsäglichen
Begriff des Bomben-Holocaust. Dies löste einen Skandal in der
Öffentlichkeit aus. Die symbolische Provokation durch die NPD
bestimmte daraufhin die gesamte Berichterstattung. Aber wesentlich
grundsätzlichere Fragen wie der Zustand der Jugendarbeit in
Sachsen und der der politischen Bildung in den Schulen sowie die
Tatsache, dass sich die sächsische Landesregierung viele Jahre
kaum um das Problem Rechtsextremismus gekümmert hat, traten
fast völlig in den Hintergrund.
Was sagt Ihre Medienanalyse über den Zustand der Gesellschaft
bezüglich der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus
aus?
... dass Teile der Gesellschaft sich der demokratischen Grundlagen
nicht so sicher sind. Die NPD ist keine ernsthafte Gefahr für
die Stabilität des demokratischen Systems in der Bundesrepublik.
Die Medien aber vermitteln mitunter das Bild, als stünde die
Entscheidungsschlacht an. Das entspricht jedoch eher den Machtfantasien
der Rechtsextremen, nicht aber den realen Kräfteverhältnissen
im Land. Es gibt einen Mangel an sachlichem, selbstbewusstem Entgegentreten
und leider eine hohe Bereitschaft, in Panik zu verfallen.
Versteckt sich hinter dem Hang zur Panik ein Argumentationsdefizit?
Ja. In den Medien wird zum Teil versäumt, sich mit der NPD
auf der Ebene auseinander zu setzen, auf der sie schwach ist, nämlich
auf der Sachebene. Es wird zum Beispiel nicht über das Wirtschaftsprogramm
der NPD gesprochen. Sie vertritt die Idee einer raumorientierten
Volkswirtschaft, ein sehr isolationistisches Konzept. Wirtschaftsexperten
würden bei einer Analyse vermutlich zu dem Ergebnis kommen,
dass dieses Konzept relativ schnell zu einer Massenverarmung führen
würde. Oder nehmen wir die Migrationspolitik der NPD, die letztendlich
zu einer ethnischen Säuberung führen würde.
Wie transportieren Provokationen die Ideologie der NPD?
Die Provokation ist eine Hauptmethode rechtsextremer Öffentlichkeitsarbeit.
Damit transportieren die Rechtsextremen ihre Ideologie und überdecken,
dass sie auf viele politische Fragen keine Antworten haben. Das
funktioniert, weil die Medien auf die Provokationen mit NS-Symbolik
immer reagieren.
Das Gespräch führte Sybille Nitsche.
Was geschah im Sächsischen Landtag?
Am 21. Januar 2005 hatten zwei NPD-Abgeordnete im Sächsischen
Landtag die Bombardierung Dresdens im Februar 1945 durch die
Alliierten als "Bomben-Holocaust" und "kaltblütig
geplanten industriellen Massenmord" bezeichnet. Zuvor
hatte die NPD-Fraktion die Gedenkminute des Parlaments für
die Opfer der NS-Herrschaft verweigert und geschlossen den
Sitzungssaal verlassen.
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