Empfindlichstes Organ der Menschheit
Orte der Erinnerung: Triumph und Tragik des deutschen Physikers
Hans Geiger
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Noch heute gut gepflegt: das
Grab von Hans Geiger auf dem Neuen Friedhof in Potsdam
Foto: Förster |
Wer kennt nicht den Geigerzähler? Fast jedes Kind weiß,
wozu er benutzt wird. Im Atomzeitalter ist das Geiger-Müller-Zählrohr
- wie es offiziell heißt - ein unentbehrliches Werkzeug aller
Strahlenphysiker. Schon 1929 machte es seine Erfinder über
die Grenzen der Physik hinaus bekannt. Im September 1945, vor sechzig
Jahren, starb Johannes (Hans) Wilhelm Geiger in Potsdam.
Als er 1936, in schwieriger Zeit, den Direktoren-Posten am Physikalischen
Institut der TH Berlin übernahm, hatte er schon eine internationale
Karriere hinter sich. Geiger, 1882 in Neustadt/Weinstraße
geboren, entstammte dem Bildungsbürgertum. Er wuchs in München
und Erlangen auf, wo sein Vater als Universitätsprofessor Iranistik
und Indologie lehrte. Der Junge besuchte das Fridericianum in Erlangen
und machte dort 1901 Abitur. Bereits im Gymnasium interessierte
er sich für Mathematik und Naturwissenschaften. Im Herbst 1901
begann er sein Mathematik- und Physikstudium in Erlangen.
Durch seinen Lehrer Professor Wiedemann geriet er schließlich
in den Bann der Experimentalphysik, die lebenslang sein wissenschaftliches
Hauptarbeitsfeld blieb. 1904 wechselte er für ein Semester
an die Universität nach München, wo er auch Vorlesungen
an der Technischen Hochschule hörte. Bald legte er die erste
Lehramtsprüfung ab und beendete sein Studium 1906 mit einer
Dissertation über radioaktive Strahlungen. Sein Doktorvater,
Professor Wiedemann, vermittelte ihm die Assistentenstelle bei Professor
Arthur Schuster an der Universität Manchester.
Die Institutsleitung übernahm 1907 der Nobelpreisträger
Ernest Rutherford. Von dessen kooperativem Forschungsansatz war
Geiger begeistert, wie Rutherford ihn als exzellenten Experimentalphysiker
schätzte. 1908 veröffentlichten sie gemeinsam eine Arbeit
über elektrische Zählmethoden von Alphateilchen. Im selben
Jahr gelang Geiger der Nachweis über die statistische Natur
des radioaktiven Zerfalls. Aber er war in Manchester auch als Dozent
tätig. Über seinen Englandaufenthalt schrieb er an Max
von Laue: "Wenn ich etwas für unsere Physik habe tun können,
so verdanke ich das vor allem dem Glück, dass ich schon in
jungen Jahren mit Rutherford in Berührung kam." 1912 folgte
Geiger einem Ruf an die Berliner Physikalisch-Technische Reichsanstalt
(PTR). Dort leitete er das Labor für Radioaktivität. Außerdem
war er Privatdozent an der TH Berlin. Im Ersten Weltkrieg diente
er als Offizier.
Seine Tätigkeit an der PTR nahm er 1919 wieder auf. Im Jahre
1920 heiratete er Elisabeth Heffter, die ihm drei Söhne schenkte.
Mit einer Arbeit über Alpha-Strahlen habilitierte er sich 1924
an der Berliner Universität. So konnte er 1925 - als international
anerkannter Experimentalphysiker - den Lehrstuhl an der Universität
Kiel annehmen. Hier entstand zusammen mit seinem Assistenten Walther
Müller (1905-1979) das Geiger-Müller-Zählrohr, das
Einstein das "empfindlichste Organ der Menschheit" nannte.
Im August 1929 wechselte er auf den Experimentalphysik-Lehrstuhl
nach Tübingen. Als Hochschullehrer verstand er es meisterhaft,
seine Studenten für Physik zu gewinnen. Seine Vorlesungen waren
anschaulich, seine Rede klar, überzeugend und oft heiter. Die
Zuhörer nannten ihn "Varieté-Geiger".
1933 brach die NS-Politik in Geigers akademisches Leben ein. Seine
Berufung zum Direktor des Physikalischen Instituts der TH Berlin
erfolgte 1936. Bei Kriegsausbruch wurde er für Forschungen
zur Uranspaltung verpflichtet. Resignation und Krankheit untergruben
seine Vitalität. Hans Geiger starb am 24. 9. 1945 in Potsdam.
Dort, auf dem Neuen Friedhof, befindet sich sein Grab.
Hans Christian Förster
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