7-9/05
Juli 2005
 
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Die Zukunft liegt in einem gesunden Miteinander

Professor Rolf Hanitsch über die Entwicklung von Atomkraft und erneuerbaren Energien

Energieexperte Rolf Hanitsch
Foto: TU-Pressestelle

Angela Merkel thematisierte als Erste den "Ausstieg aus dem Ausstieg". Die Stromwirtschaft träumt von einem Comeback der Atomkraft. Wie viel Atomkraft braucht Deutschland?

Die Schweden wollten schon vor Jahren aussteigen. Doch auch sie stellten fest, dass die Industrienationen auf absehbare Zeit einen gewissen Grundprozentsatz an Atomenergie für ihre sichere Energieversorgung benötigen. Aber wie hoch muss dieser sein? Frankreich liegt bei 70, Belgien bei über 50, wir bei etwa 25 bis 30 Prozent. In Deutschland könnte in 20 bis 30 Jahren der Anteil der Atomenergie auf rund 20 Prozent, ein stabiles Grundgerüst, heruntergefahren werden, wenn gleichzeitig die erneuerbaren Energien konsequent weiter ausgebaut werden.

Welche der erneuerbaren Energien haben bei uns ein realistisches Zukunftspotenzial?

Große Windparks können nur noch off-shore, also auf Nord- und Ostsee installiert werden, die guten Wind-Standorte an Land sind weitgehend ausgenutzt. Off-shore-Windfarmen liegen weit entfernt von unseren Industrieregionen im Süden und Westen des Landes. Das Energietransportnetz muss also aus- und umgebaut werden, um die an den Küsten produzierte Energie dorthin zu transportieren.

Bei der Wasserkraft werden zwar noch kleinere Modernisierungen laufen, aber ein nennenswerter Zuwachs ist nicht möglich, da auch hier alle guten Standorte ausgeschöpft sind.

Anders bei der Solartechnik. Viele der großen Konzerne, die uns derzeit noch Kraftstoff verkaufen, sind ganz massiv in die Solartechnik eingestiegen. In 30 bis 50 Jahren verkaufen sie uns keinen Diesel- und Otto-Kraftstoff mehr, sondern Wasserstoff. Ihre Solaranlagen werden Elektrolyseanlagen zur Herstellung von Wasserstoff speisen. Diese Wasserstofftechnologie, mit der man auch Brennstoffzellen betreiben kann, ist eine der Techniken der Zukunft. Wir werden mit Wasserstoff Autos fahren und Flugzeuge fliegen. Die Solartechnik wird langfristig in Verbindung mit der Windenergie und auch mit der Biomasse sehr stark anwachsen.

Wie verändert das die Wirtschaft?

Unsere Landwirte werden mehr und mehr zu Energiewirten. Lebensmittel produzieren wir Europäer ohnehin übermäßig. Raps eignet sich besonders, um ihn zu Biodiesel zu verarbeiten. Die Industrie, aber auch die privaten Haushalte werden zukünftig sparsamer mit Energie umgehen müssen. Das heißt, wer überproportional viel verbraucht, sollte auch deutlich mehr zahlen müssen. Die derzeitige Verschwendung muss allen bewusst werden, aber das wird dauern.

Was müsste die Politik dabei tun?

In der Politik fehlen die guten Beispiele. Warum fahren unsere Politiker nicht Elektroautos oder Hybrid-Fahrzeuge als Vorbild? Warum geben sie keine Anreize? In Berlin könnte man die Busspur für Elektroautos freigeben oder ihnen Parkplätze in der Innenstadt reservieren. Vor Jahren schon wurde der Plan aufgegeben, mit den Berliner Verkehrsbetrieben in einen Verbund mehrerer europäischer Großstädte einzusteigen, die ihren Busverkehr auf Elektrobusse umstellen wollten. Da werden aufgrund einer Mischung aus Bequemlichkeit, aus fehlender Aufgeschlossenheit und dem Einfluss der Lobbyisten viele Chancen zur Bewusstseinsänderung vertan. Dabei könnten wir mit relativ einfachen Mitteln zur CO2-Minderung in Berlin beitragen. Architekten müssten mehr eingebunden werden, denn noch immer wird auch in hoch prestigeträchtigen Großbauten die Technik von gestern installiert. Mittlerweile steht fest, dass die energetischen Amortisationszeiten für solarelektrische Systeme drei bis vier Jahren betragen. Viele wichtige Entscheidungsträger, leider auch Kollegen, tragen überkommene Vorstellungen immer noch weiter. Sie scheinen nicht mit der Literatur, mit aktuellen Forschungsergebnissen vertraut zu sein. Das ist traurig und schadet uns.

Klimaschutz ist auch ein wichtiges globales Ziel. Auch wir haben das Kyoto-Protokoll unterschrieben. Was können wir tun, um die Entwicklungsländer in ihrer Energiewirtschaft zu unterstützen?

Länder wie Indonesien betreiben viel Brandrodung und nutzen fossile Brennstoffe. Hier sind Bildungs- und Aufklärungsprojekte nötig, vor allem auch die Vereinfachung von Kreditbewilligungen, wenn es um Windenergietechnik oder solarelektrische und solarthermische Techniken geht.

Wie muss die energietechnische Zukunft aussehen?

Unser Erneuerbare-Energien-Gesetz, das EEG, zeigt immerhin in die richtige Richtung. Doch vor allem muss dem rücksichtslosen Gewinnstreben ein Riegel vorgeschoben werden, denn wir haben nur eine Erde. Viel versprechend ist nur ein erfrischendes, konkurrierendes Miteinander von Energietechniken, kein Gegeneinander, damit wir für zukünftige Generationen die Versorgung sicherstellen können.

Das Gespräch führte Patricia Pätzold

Vor 31 Jahren wurde Prof. Dr.-Ing. Rolf Hanitsch auf den Lehrstuhl für Elektrische Maschinen an die TU Berlin berufen. Seine Forschungsschwerpunkte erstreckten sich über die Photovoltaische Systemtechnik bis hin zu solarthermischen Systemen und Energiespeichern. Er beteiligte sich an der Konzeption des Internationalen Solarzentrums in Berlin und entwickelte das erste umfangreiche Hochschulausbildungsangebot im Bereich der Voltaik. Viele seiner Absolventen haben heute selbst Lehrstühle inne. Im Juni wurde Rolf Hanitsch 65 Jahre alt.

tui

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