Die Zukunft liegt in einem gesunden Miteinander
Professor Rolf Hanitsch über die Entwicklung von Atomkraft
und erneuerbaren Energien
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Energieexperte Rolf Hanitsch
Foto: TU-Pressestelle |
Angela Merkel thematisierte als Erste den "Ausstieg aus
dem Ausstieg". Die Stromwirtschaft träumt von einem Comeback
der Atomkraft. Wie viel Atomkraft braucht Deutschland?
Die Schweden wollten schon vor Jahren aussteigen. Doch auch sie
stellten fest, dass die Industrienationen auf absehbare Zeit einen
gewissen Grundprozentsatz an Atomenergie für ihre sichere Energieversorgung
benötigen. Aber wie hoch muss dieser sein? Frankreich liegt
bei 70, Belgien bei über 50, wir bei etwa 25 bis 30 Prozent.
In Deutschland könnte in 20 bis 30 Jahren der Anteil der Atomenergie
auf rund 20 Prozent, ein stabiles Grundgerüst, heruntergefahren
werden, wenn gleichzeitig die erneuerbaren Energien konsequent weiter
ausgebaut werden.
Welche der erneuerbaren Energien haben bei uns ein realistisches
Zukunftspotenzial?
Große Windparks können nur noch off-shore, also auf
Nord- und Ostsee installiert werden, die guten Wind-Standorte an
Land sind weitgehend ausgenutzt. Off-shore-Windfarmen liegen weit
entfernt von unseren Industrieregionen im Süden und Westen
des Landes. Das Energietransportnetz muss also aus- und umgebaut
werden, um die an den Küsten produzierte Energie dorthin zu
transportieren.
Bei der Wasserkraft werden zwar noch kleinere Modernisierungen
laufen, aber ein nennenswerter Zuwachs ist nicht möglich, da
auch hier alle guten Standorte ausgeschöpft sind.
Anders bei der Solartechnik. Viele der großen Konzerne, die
uns derzeit noch Kraftstoff verkaufen, sind ganz massiv in die Solartechnik
eingestiegen. In 30 bis 50 Jahren verkaufen sie uns keinen Diesel-
und Otto-Kraftstoff mehr, sondern Wasserstoff. Ihre Solaranlagen
werden Elektrolyseanlagen zur Herstellung von Wasserstoff speisen.
Diese Wasserstofftechnologie, mit der man auch Brennstoffzellen
betreiben kann, ist eine der Techniken der Zukunft. Wir werden mit
Wasserstoff Autos fahren und Flugzeuge fliegen. Die Solartechnik
wird langfristig in Verbindung mit der Windenergie und auch mit
der Biomasse sehr stark anwachsen.
Wie verändert das die Wirtschaft?
Unsere Landwirte werden mehr und mehr zu Energiewirten. Lebensmittel
produzieren wir Europäer ohnehin übermäßig.
Raps eignet sich besonders, um ihn zu Biodiesel zu verarbeiten.
Die Industrie, aber auch die privaten Haushalte werden zukünftig
sparsamer mit Energie umgehen müssen. Das heißt, wer
überproportional viel verbraucht, sollte auch deutlich mehr
zahlen müssen. Die derzeitige Verschwendung muss allen bewusst
werden, aber das wird dauern.
Was müsste die Politik dabei tun?
In der Politik fehlen die guten Beispiele. Warum fahren unsere
Politiker nicht Elektroautos oder Hybrid-Fahrzeuge als Vorbild?
Warum geben sie keine Anreize? In Berlin könnte man die Busspur
für Elektroautos freigeben oder ihnen Parkplätze in der
Innenstadt reservieren. Vor Jahren schon wurde der Plan aufgegeben,
mit den Berliner Verkehrsbetrieben in einen Verbund mehrerer europäischer
Großstädte einzusteigen, die ihren Busverkehr auf Elektrobusse
umstellen wollten. Da werden aufgrund einer Mischung aus Bequemlichkeit,
aus fehlender Aufgeschlossenheit und dem Einfluss der Lobbyisten
viele Chancen zur Bewusstseinsänderung vertan. Dabei könnten
wir mit relativ einfachen Mitteln zur CO2-Minderung in
Berlin beitragen. Architekten müssten mehr eingebunden werden,
denn noch immer wird auch in hoch prestigeträchtigen Großbauten
die Technik von gestern installiert. Mittlerweile steht fest, dass
die energetischen Amortisationszeiten für solarelektrische
Systeme drei bis vier Jahren betragen. Viele wichtige Entscheidungsträger,
leider auch Kollegen, tragen überkommene Vorstellungen immer
noch weiter. Sie scheinen nicht mit der Literatur, mit aktuellen
Forschungsergebnissen vertraut zu sein. Das ist traurig und schadet
uns.
Klimaschutz ist auch ein wichtiges globales Ziel. Auch wir haben
das Kyoto-Protokoll unterschrieben. Was können wir tun, um
die Entwicklungsländer in ihrer Energiewirtschaft zu unterstützen?
Länder wie Indonesien betreiben viel Brandrodung und nutzen
fossile Brennstoffe. Hier sind Bildungs- und Aufklärungsprojekte
nötig, vor allem auch die Vereinfachung von Kreditbewilligungen,
wenn es um Windenergietechnik oder solarelektrische und solarthermische
Techniken geht.
Wie muss die energietechnische Zukunft aussehen?
Unser Erneuerbare-Energien-Gesetz, das EEG, zeigt immerhin in die
richtige Richtung. Doch vor allem muss dem rücksichtslosen
Gewinnstreben ein Riegel vorgeschoben werden, denn wir haben nur
eine Erde. Viel versprechend ist nur ein erfrischendes, konkurrierendes
Miteinander von Energietechniken, kein Gegeneinander, damit wir
für zukünftige Generationen die Versorgung sicherstellen
können.
Das Gespräch führte Patricia Pätzold
Vor 31 Jahren wurde Prof. Dr.-Ing. Rolf Hanitsch auf den
Lehrstuhl für Elektrische
Maschinen an die TU Berlin berufen. Seine Forschungsschwerpunkte
erstreckten sich über die Photovoltaische Systemtechnik
bis hin zu solarthermischen Systemen und Energiespeichern.
Er beteiligte sich an der Konzeption des Internationalen Solarzentrums
in Berlin und entwickelte das erste umfangreiche Hochschulausbildungsangebot
im Bereich der Voltaik. Viele seiner Absolventen haben heute
selbst Lehrstühle inne. Im Juni wurde Rolf Hanitsch 65
Jahre alt.
tui
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