7-9/05
Juli 2005
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Wie arbeitet der Kunstkriminalist?

Studierende spürten geraubten und verlorenen Kunstwerken nach

Überraschungen auch im Museum: So manches verloren geglaubte Kunstwerk tauchte plötzlich in einer Ausstellung auf
Foto: privat

Hinter den sieben Aktenbergen ... wo sich die Geheimnisse verbergen, saßen im vergangenen Semester zwanzig TU-Studierende, um diesen auf die Spur zu kommen. In Zusammenarbeit mit dem Leiter des Zentralarchivs der Staatlichen Museen zu Berlin, Dr. Jörg Grabowski, bot Prof. Dr. Bénédicte Savoy im Fachgebiet Kunstgeschichte ein Hauptseminar zum Thema Provenienzforschung an.

Die Provenienzforschung erhellt kulturhistorische Bezüge, Wege des Kulturtransfers, spürt aber auch verloren gegangenen oder geraubten Werken nach und kann deren Schicksale aufklären. Bisher beschäftigten wir uns im Studium vor allem mit Sekundärquellen. Jetzt hieß es selber forschen, ran an die Quellen und rein ins Archiv.

Wie arbeitet der Kunstkriminalist? Wir sahen uns schon hilflos hinter meterhohen Aktenbergen sitzen und an altdeutschen Handschriften verzweifeln. Diese Befürchtungen zerstreuten die tatkräftigen Mitarbeiter des Zentralarchivs schnell und wir konnten uns mit der wechselvollen Vergangenheit von Kunstwerken der Nationalgalerie Berlin beschäftigen.

Das Gemälde "Fischer am Tisch" von Max Pechstein wurde zusammen mit 63 anderen Kunstwerken im Februar 1935 im Berliner Auktionshaus Max Perl von der Gestapo beschlagnahmt. Zu diesem Zeitpunkt sollte eine der bedeutendsten Expressionismussammlungen versteigert werden, der Nachlass des jüdischen Rechtsanwalts Dr. Ismar Littmann. Als "Kulturgeschichtliches Material" wurden vier Gemälde von Otto Müller, Franz Radziwill und Karl Hofer herausgesucht. Die übrigen, darunter das von Max Pechstein, sollten in der Heizung des Kronprinzenpalais verbrannt werden. Ein Brief an die Gestapo berichtet von der Vernichtung der Kunstwerke in der Heizungsanlage im Kronprinzenpalais.

Hier ist die Geschichte des Gemäldes zu Ende - dachten wir. Doch bei weiteren Recherchen stießen wir auf Raumaufnahmen der Wanderausstellung "Entartete Kunst" 1937 in München: Dort hing der "Pechstein" an der Wand! Hatte der Direktor der Nationalgalerie sich den Befehlen der Gestapo widersetzt? Was passierte mit dem Gemälde nach der Ausstellung? Und wo befand es sich während des Zweiten Weltkrieges? Im Zentralarchiv fand sich kein weiteres Material zum Verbleib, aber in anderen Archiven könnte man seine Geschichte weiterverfolgen, vielleicht würde man ihm auf die Spur kommen. Wenn die "Fischer am Tisch" bis heute überlebt hätten, wo sind sie, und wem würden sie gehören?

Diese und viele andere Fragen wurden in unseren Forschungsthemen behandelt, diskutiert und oftmals nur teilweise beantwortet. Es bleibt noch viel zu tun.

Sylva van der Heyden und
Susann Seyfert, Studentinnen

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