7-9/05
Juli 2005
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Gute Lage, schlechte Lage

Die Lebensqualität von Berliner Sozialhilfeempfängern variiert geografisch

Migrantinnen auf dem Wochenmarkt im Berliner Wedding - dieser Stadtteil gehört mit Kreuzberg und Tiergarten zu den eher schlechten Wohnlagen
Foto: TU-Pressestelle

Medienberichte über "Florida-Rolf" und Co. lassen mitunter arge Zweifel an der Rechtmäßigkeit finanzieller Ansprüche bei der Sozialhilfe aufkommen. Aber wie ist die Lebenslage von Sozialhilfeempfängern tatsächlich? Dieser Frage ging Kerstin Schmidtke in ihrer Magisterarbeit im Studiengang Gesundheitswissenschaften für die Stadt Berlin nach.

Als Grundlage diente ihr der Sozialhilfedatensatz der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz - eine Stichtagserhebung vom 30. September 2003 mit rund 257000 Fällen. Sie wollte lebenslagenspezifische Differenzen bei den Leistungsempfängern sowie zur Gesamtbevölkerung herausstellen, um räumliche Unterschiede abzubilden. Dazu analysierte Schmidtke Schul- und Berufsbildung, Erwerbsstatus, Gesundheitszustand, Familienstand, soziales Netz, Einkommen und Wohnfläche sowie Alter, Geschlecht, Dauer von Leistungsbezug und Arbeitslosigkeit und Kinderzahl.

Fast 60 Prozent aller Berliner Sozialhilfeempfänger - Erwachsene, Kinder und Jugendliche - leben in defizitären Lebenslagen. "Je schlechter die Lebenslage, umso länger verbleiben die Menschen in der Sozialhilfe", erklärt Schmidkte. "Einen Zusammenhang gibt es auch zwischen hoher Kinderanzahl und benachteiligter Lebenslage." Eine Faktoren- und Clusteranalyse wies auf soziale Problemknotenpunkte hin.

Eine sehr schlechte Lebenslage haben Sozialhilfeempfänger des westlichen Zentrums (Kreuzberg, Wedding und Tiergarten). Hier leben überwiegend Migranten und kinderreiche Familien mit defizitärer Bildung, langer Bezugsdauer, minimaler Wohnfläche und benachteiligter Lebenslage. Im Norden und Nordosten (Spandau, Reinickendorf, Lichtenberg, Mahrzahn, Weißensee und Hohenschönhausen) sieht es besser aus. Hier leben überdurchschnittlich viele allein erziehende Mütter und arbeitslose Männer mit mittlerer Bildung, kurzer Bezugsdauer, durchschnittlicher Wohnfläche und ebensolcher Lebenslage. Im Südwesten (Charlottenburg, Wilmersdorf, Steglitz, Tempelhof, südliches Neukölln) sowie in Mitte gibt es vorwiegend ältere oder kranke und/oder pflegebedürftige Sozialhilfeempfänger. Prenzlauer Berg und Friedrichshain fallen durch eine gut gebildete Klientel auf. Wie generell im Osten. "Das könnte eine immer noch nachwirkende Folge des starken Zuzugs von Akademikern und Fachkräften in die ‚Hauptstadt' zu DDR-Zeiten sein", vermutet Schmidtke. Allerdings gibt es heute in den Ostbezirken deutlich mehr Erwerbslose als in anderen Stadtteilen. Nur sehr wenige Sozialhilfeempfänger leben in den grünen Außenbezirken wie Zehlendorf, Köpenick oder Treptow. "Derartige Analysen erlauben es künftig, Handlungskataloge zu erstellen, um die Gelder der Kommunen nach Maßgabe der sozialen Brennpunkte sehr gezielt einzusetzen", sagt Schmidtke. Kerstin Schmidtke wurde für diese Arbeit mit dem Hertha Nathorff-Preis (1. Preis) der Ärztekammer Berlin ausgezeichnet.

Catarina Pietschmann

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