Gute Lage, schlechte Lage
Die Lebensqualität von Berliner Sozialhilfeempfängern
variiert geografisch
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Migrantinnen auf dem Wochenmarkt
im Berliner Wedding - dieser Stadtteil gehört mit Kreuzberg
und Tiergarten zu den eher schlechten Wohnlagen
Foto: TU-Pressestelle |
Medienberichte über "Florida-Rolf" und Co. lassen
mitunter arge Zweifel an der Rechtmäßigkeit finanzieller
Ansprüche bei der Sozialhilfe aufkommen. Aber wie ist die Lebenslage
von Sozialhilfeempfängern tatsächlich? Dieser Frage ging
Kerstin Schmidtke in ihrer Magisterarbeit im Studiengang Gesundheitswissenschaften
für die Stadt Berlin nach.
Als Grundlage diente ihr der Sozialhilfedatensatz der Senatsverwaltung
für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz - eine Stichtagserhebung
vom 30. September 2003 mit rund 257000 Fällen. Sie wollte lebenslagenspezifische
Differenzen bei den Leistungsempfängern sowie zur Gesamtbevölkerung
herausstellen, um räumliche Unterschiede abzubilden. Dazu analysierte
Schmidtke Schul- und Berufsbildung, Erwerbsstatus, Gesundheitszustand,
Familienstand, soziales Netz, Einkommen und Wohnfläche sowie
Alter, Geschlecht, Dauer von Leistungsbezug und Arbeitslosigkeit
und Kinderzahl.
Fast 60 Prozent aller Berliner Sozialhilfeempfänger - Erwachsene,
Kinder und Jugendliche - leben in defizitären Lebenslagen.
"Je schlechter die Lebenslage, umso länger verbleiben
die Menschen in der Sozialhilfe", erklärt Schmidkte. "Einen
Zusammenhang gibt es auch zwischen hoher Kinderanzahl und benachteiligter
Lebenslage." Eine Faktoren- und Clusteranalyse wies auf soziale
Problemknotenpunkte hin.
Eine sehr schlechte Lebenslage haben Sozialhilfeempfänger
des westlichen Zentrums (Kreuzberg, Wedding und Tiergarten). Hier
leben überwiegend Migranten und kinderreiche Familien mit defizitärer
Bildung, langer Bezugsdauer, minimaler Wohnfläche und benachteiligter
Lebenslage. Im Norden und Nordosten (Spandau, Reinickendorf, Lichtenberg,
Mahrzahn, Weißensee und Hohenschönhausen) sieht es besser
aus. Hier leben überdurchschnittlich viele allein erziehende
Mütter und arbeitslose Männer mit mittlerer Bildung, kurzer
Bezugsdauer, durchschnittlicher Wohnfläche und ebensolcher
Lebenslage. Im Südwesten (Charlottenburg, Wilmersdorf, Steglitz,
Tempelhof, südliches Neukölln) sowie in Mitte gibt es
vorwiegend ältere oder kranke und/oder pflegebedürftige
Sozialhilfeempfänger. Prenzlauer Berg und Friedrichshain fallen
durch eine gut gebildete Klientel auf. Wie generell im Osten. "Das
könnte eine immer noch nachwirkende Folge des starken Zuzugs
von Akademikern und Fachkräften in die Hauptstadt' zu
DDR-Zeiten sein", vermutet Schmidtke. Allerdings gibt es heute
in den Ostbezirken deutlich mehr Erwerbslose als in anderen Stadtteilen.
Nur sehr wenige Sozialhilfeempfänger leben in den grünen
Außenbezirken wie Zehlendorf, Köpenick oder Treptow.
"Derartige Analysen erlauben es künftig, Handlungskataloge
zu erstellen, um die Gelder der Kommunen nach Maßgabe der
sozialen Brennpunkte sehr gezielt einzusetzen", sagt Schmidtke.
Kerstin Schmidtke wurde für diese Arbeit mit dem Hertha Nathorff-Preis
(1. Preis) der Ärztekammer
Berlin ausgezeichnet.
Catarina Pietschmann
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