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Macht Arbeitslosigkeit krank?

Preisgekrönte Studie zur Bewertung der Gesundheit von Arbeitslosen

Hochbetrieb beim Arbeitsamt im Berliner Wedding. Unter der Arbeitslosigkeit leidet auch das Gesundheitsempfinden - ein wachsendes Problem
Foto: TU-Pressestelle

"Arbeitslose beurteilen ihre eigene Gesundheit subjektiv deutlich schlechter als Erwerbstätige." Zu diesem Schluss kommt die Sozialpädagogin Anne Kathrin Stich in ihrer Magisterarbeit, die sie im Rahmen des postgradualen Studiengangs Gesundheitswissenschaften/Public Health an der TU Berlin anfertigte. Stich analysierte Daten des Bundes-Gesundheitssurvey 1998, der ersten gesamtdeutschen repräsentativen Querschnittsstudie zu Gesundheitsfragen, an der 7124 Erwerbstätige und Arbeitslose zwischen 18 und 79 Jahren teilnahmen.

Stich konzentrierte sich auf die subjektive Einschätzung der Lebensqualität durch körperliche Fitness, Schmerzen, Gesundheitswahrnehmung oder soziale und emotionale Funktionsfähigkeit sowie auf gesundheitsrelevantes Verhalten. "Es ist ein Teufelskreis: Zum einen sind Menschen, die kränker sind, eher von Arbeitslosigkeit bedroht als Gesunde. Zum anderen scheint Arbeitslosigkeit Krankheit zu bedingen - unter anderem durch finanzielle Unsicherheit und den Wegfall der Tagesstruktur", sagt Stich. Klassische Studien zur Weltwirtschaftskrise 1931 bis 1933 zeigten eine höhere Morbidität arbeitsloser Menschen. Studien in den 1970er-Jahren wiesen erstmals auch eine höhere Sterblichkeit nach. Die Resultate sind weitgehend unabhängig von Alter und der Familiensituation, nicht jedoch vom Wohnort. Ostdeutsche arbeitslose Männer und Frauen schätzen ihre körperliche Funktionsfähigkeit schlechter ein. Insgesamt zeigen sich die gesundheitlichen Auswirkungen bei Männern drastischer als bei Frauen. "Ein möglicher Grund dafür ist, dass Frauen mit Lebenskrisen anders umgehen als Männer", vermutet Stich. "Zudem können Frauen auch eher in die Rolle der Hausfrau und Mutter ausweichen."

Ein Detail am Rande: Arbeitslose rauchen zwar mehr als Erwerbstätige und treiben weniger Sport, doch das gesundheitsrelevante Verhalten zeigt im Vergleich zur Arbeitslosigkeit kaum Einfluss auf die subjektive Gesundheit. Bildung und Qualifikation dagegen schon. Welche Konsequenzen sollten Politik und Wirtschaft daraus ziehen? "Mehr in Bildung zu investieren und dafür zu sorgen, dass Kranke nicht mehr so schnell ihren Arbeitsplatz verlieren", meint Anne Kathrin Stich. "Außerdem muss die gesundheitliche Versorgung von Arbeitslosen, insbesondere der Langzeitarbeitslosen, dringend verbessert werden - etwa durch finanzielle Ausnahmeregelungen."

Anne Kathrin Stich erhielt für ihre Arbeit den Hertha-Nathorff-Preis 2005 (2. Preis). Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen in Köln.

Catarina Pietschmann

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