Abschied von der Insel
Wie sich die TU Berlin auch architektonisch zur Stadt hin öffnet
|
Der Campus der TU Berlin zwischen
Hardenbergstraße, Landwehrkanal und Franklinstraße,
geteilt von dem Prachtboulevard Straße des 17. Juni
Foto: TU-Pressestelle, Collage: dtf |
Das Bild der Technischen Universität Berlin ist heute Ausdruck
des Gestaltungswillens vor allem der Fünfziger- und Sechzigerjahre,
als sich die Architektur von der Stadt abwandte. Damals wurde die
TU Berlin zu einer Insel in der Stadt. Doch diese relative Isolierung
bewährte sich nicht. Heute will sich die TU Berlin wieder zur
Stadt hin öffnen, denn Universitäten werden zukünftig
auch daran gemessen, wie sie sich zur Stadt hin verhalten, einladend,
attraktiv oder abweisend. Doch bis die Fehler der Vergangenheit
überwunden sind, ist es noch ein langer Weg. 1996 legte die
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung einen Entwurf für
ein "Planwerk Innenstadt Berlin" vor.
Der bedeutendste Stadtraum der TU Berlin, der Abschnitt um die
Straße des 17. Juni zwischen Charlottenburger Tor und Ernst-Reuter-Platz,
trennt die beiden großen Geländebereiche der Universität,
statt sie zu verbinden. Er ist ein riesiger Parkplatz, eines Shoppingcenters
an der städtischen Peripherie würdig. Hier ist der ruhende
Verkehr das Problem, nicht der fließende. Kein Kiosk, kein
Infostand, nichts lädt entlang der Straße zu irgendetwas
ein. Auch die Universitätsbauten verhalten sich oft abweisend,
wie etwa der Franz-Fischer-Bau mit seiner merkwürdigen Hochplattform.
Einladend, aber leider weit zurückgesetzt, ist der Eingang
zum Hauptgebäude, dem allerdings das Gesicht eines markanten,
repräsentativen Leitbaus fehlt. Dafür orientiert sich
das Mathematikgebäude vorbildlich zum Straßenraum. Dennoch
erkennt man in dieser Straße schwerlich, dass man sich im
Herzen einer der größten Universitäten Europas befindet.
Der Ernst-Reuter-Platz ist ein Manifest der autogerechten Stadt
- ein antistädtischer Platz schlechthin: tote Mitte, unwirtliche
Ränder, abweisend, nur mit einem außerordentlichen Kraftakt
von Fußgängern passierbar. Die grafische Gestaltung erschließt
sich nur dem Blick aus dem Hochhaus. Dennoch befinden sich an diesem
Platz die besten TU-Bauten der Nachkriegszeit: das ehemalige Telefunkenhochhaus,
das Gebäude für Bergbau und Hüttenwesen und das Architekturgebäude.
Das elegante Hochhaus versteckt seinen durchaus großzügigen
Eingang verschämt hinter Sichtschutzgrün - ein beliebtes
Gestaltungsmittel der TU Berlin. Das Gebäude für Bergbau
und Hüttenwesen wendet sich in geradezu lehrbuchmäßiger
Härte vom Platz ab und zeigt diesem im Erdgeschoss seine Verachtung.
Ein Höhepunkt der Stadt-Phobie oder die folgerichtige Antwort
auf das Autokarussell? Nur das Architekturgebäude präsentiert
sich überzeugend zum öffentlichen Raum: Eine leicht erhöhte
Freifläche führt zu einer großen, einladenden Eingangshalle.
Wer den Platz quert, sollte merken, dass er vor allem ein Universitätsplatz
ist. Wäre hier nicht schon bei der U-Bahn-Station ein Doppelname
angemessen, wie auch in anderen Städten üblich, nämlich
Ernst-Reuter-Platz/Technische Universität Berlin?
Abweisend und wie im suburbanen Raum befindlich verhält sich
leider auch das Nordgelände an der Marchstraße und am
Kanal entlang. Nicht viel besser sah es bis vor kurzem im Osten
des Stammgeländes aus. Mit dem Neubau der gemeinsamen Bibliothek
für die TU Berlin und die Universität der Künste
wurde aber in diesem Jahr ein wichtiger Schritt in Richtung City
West getan. An der Hardenbergstraße zeigt sich eine in gestalterischer
Hinsicht inzwischen deutlich verbesserte Mensa. Dort erstreckt sich
allerdings auch ein verkehrstechnisches, autofreundliches Detail,
das typisch für periphere Ausfallstraßen ist: die Barriere,
die in der Mitte der Hardenbergstraße die Fußgänger
am Überqueren hindern soll. Sie zeigt nach wie vor die mangelhafte
Vernetzung zur kompakten Stadt.
Mit der städtebaulichen Erneuerung der TU Berlin geht auch
die Öffnung durch Foren der Wissenschaft einher, die die Generierung
und Vermittlung von Wissen vorführen. Hier sind bereits erste
Schritte getan. Für diesen Dialog gibt es längst geeignete
und für stadtweite Veranstaltungen genutzte Räume - vor
allem im Hauptgebäude, im Mathematikgebäude und im Architekturgebäude.
Das Architekturgebäude ist in dieser Frage ein Vorbild. In
seinen Hörsälen finden immer wieder Veranstaltungen statt,
die sich über die Universität hinaus an ein breites Fachpublikum
in der Stadt wenden. Seit kurzem hat dieses Haus sogar ein exzellentes
Ausstellungsforum, eine Attraktion für die gesamte Stadt, die
erstmals auch die sachgerechte Präsentation von historischen
Dokumenten der Plansammlung der TU Berlin erlaubt, einer der bedeutendsten
Plansammlungen der Welt.
Prof. Dr. Harald Bodenschatz,
Institut für Soziologie, Fachgebiet Planungs- und Architektursoziologie
|
|